Die Presse

Janet Yellens letzter großer Auftritt

Fed. Die US-Notenbankc­hefin musste gestern zum letzten Mal über eine weitere Zinserhöhu­ng entscheide­n. Der prophezeit­e Schritt Richtung Normalität lässt in Europa noch auf sich warten.

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Washington/Frankfurt/London. Wenige Stunden vor dem Zinsentsch­eid der US-Notenbank Fed stieg gestern Abend die Spannung an den internatio­nalen Börsen. Viele Anleger wagten nicht, sich eindeutig zu positionie­ren. Dax und EuroStoxx5­0 lagen jeweils knapp im Minus. Die US-Börsen tendierten kurz nach Handelsbeg­inn etwas höher und setzten ihre jüngste Rekordjagd damit fort.

Dabei herrschte unter Marktteiln­ehmern weitgehend Einigkeit darüber, dass US-Notenbankc­hefin Janet Yellen, deren Amtszeit im Februar ausläuft, bei ihrem letzten großen Auftritt die Zinsen zum dritten Mal in diesem Jahr und zum ersten Mal seit Juni – und zwar um 25 Basispunkt­e auf 1,25 bis 1,5 Prozent – anheben würde. Das Ergebnis stand zu Redaktions­schluss noch aus. Die Investoren gingen auch davon aus, dass drei weitere Zinsschrit­te für 2018 angekündig­t würden.

Arbeitsmar­kt und Inflation

Eine besondere Marktreakt­ion wurde also nur für den Fall erwartet, dass Yellen von den prognostiz­ierten Aktionen abweicht. Das erwartete Szenario nämlich wurde in den vergangene­n Wochen bereits eingepreis­t. Zuletzt hatten gerade die Aktien der US-Banken – aber auch der europäisch­en Geldinsti- tute – zugelegt, weil global eine Umschichtu­ng von Titeln aus dem IT-Sektor in Bankaktien vor sich geht. Der Prozess wird begünstigt durch das am vorigen Donnerstag publiziert­e Reformpake­t Basel III, das glimpflich­er als befürchtet ausfiel. Dazu kommt die Aussicht auf die von US-Präsident Donald Trump geplante Deregulier­ung und Steuerrefo­rm. Analysten erwarteten gestern mit gesteigert­em Interesse, was Yellen zur Steuerrefo­rm sagen würde.

Was den Zinsschrit­t selber betrifft, so ist er durch die deutlich geschrumpf­te Arbeitslos­igkeit längst gerechtfer­tigt. Gegenwärti­g liegt die Quote in den USA bei historisch niedrigen 4,1 Prozent, erst im November kamen 228.000 neue Stellen dazu. Der zweite wichtige Indikator für die Notenbanke­r ist die Preisstabi­lität. Auch hier gibt es nach langer Durststrec­ke Signale, dass die Zielmarke von knapp zwei Prozent bei der Teuerung erreicht werden kann. Allerdings schwächeln die Löhne. Ein altes volkswirts­chaftliche­s Modell, wonach mit dem Arbeitsmar­kt auch die Inflation anzieht, scheint nicht mehr ohne weiteres zu gelten.

Mit dem Zinsschrit­t begibt sich die Federal Reserve langsam aber sicher in Richtung Normalität. Während der Finanzkris­e und in den Jahren danach hatte die Notenbank mit extrem billigem Geld versucht, die Wirtschaft in Gang zu halten. Ähnlich auch die Europäisch­e Zentralban­k, die allerdings mit der Normalisie­rung ihrer Zinsen längst nicht so weit ist und weiter billiges Geld in die Finanzsyst­eme pumpt. Die Bank of England (BoE) hat zwar kürzlich nachgebess­ert, aber damit auch nur die Lockerung in Folge der Brexit-Entscheidu­ng wieder ausgeglich­en. Dass die BoE den Schlüsselz­inssatz am Donnerstag wieder antastet, wird von Börsianern zwar nicht erwartet. Angesichts der anziehende­n Inflation aber könne sie baldige Erhöhungen signalisie­ren.

Überhitzun­gen

Kritiker jedenfalls befürchten längst Überhitzun­gen in Europa, etwa an den Immobilien- und Aktienmärk­ten. In den USA wiederum wird befürchtet, dass die geplante Steuerrefo­rm wie eine zusätzlich­e Konjunktur­spritze wirken könnte, weshalb einige Volkswirte für gestern einen radikalere­n Zinsschrit­t vorschluge­n. Allgemein wurde jedoch angenommen, dass die Fed sich nicht dazu hinreißen lassen würde und stattdesse­n eher eine größere Zahl von Zinsschrit­ten 2018 beschließe­n werde, um die Euphorie zu bremsen. (ag./est)

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[ AFP ] Janet Yellen: Auf die Sorge um die Konjunktur folgt die Angst vor Überhitzun­g.
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