Die Presse

Groteske, junge, alte Körper

Tanzquarti­er. Die neue Chefin im TQW – Bettina Kogler – will, dass das Haus „ein wichtiger Ort für die lokale Szene“bleibt. Gleichzeit­ig streckt sie die Fühler weit über den Europaraum.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Eine triefende Nase hängt an der leeren weißen Wand. Der Rotz schimmert in Gold. Ein Werk des aus Japan stammenden Künstlers Michikazu Matsune, das sich seine Frau Bettina Kogler in ihr neues Büro gehängt hat: Sie ist ab Jänner die neue Hausherrin im Tanzquarti­er Wien. Seit einem Jahr denkt sie intensiv über die Zukunft der Institutio­n nach. „Es ist immer klug, mit einer Bestandsau­fnahme zu beginnen. Man soll ja nicht alles über den Haufen werfen, sondern Dinge beibehalte­n, die gut funktionie­rt haben.“Etwa die Research-Arbeit, die TQWGründun­gsintendan­tin Sigrid Gareis intensiv betrieben hat: „Davon hat die lokale Szene profitiert. Diese Forschunge­n haben das Haus unterschwe­llig am Köcheln gehalten. Das war vielleicht im Aufführung­sprogramm nicht so sichtbar, aber es hat die Szene stark angeregt.“Kogler will das nun aufgreifen, und „wieder mehr Labore“machen.

Diese Labore werden 2018 fast exklusiv lokalen Künstlern zur Verfügung stehen. Nicht, weil Kogler das Haus von internatio­nalen Entwicklun­gen abnabeln will – im Gegenteil –, sondern als Wiedergutm­achung: Seit Wochen ist das Tanzquarti­er wegen Renovierun­gsarbeiten geschlosse­n, auch das Brut führt einen nomadische­n Betrieb, weil das Künstlerha­us saniert wird.

Ungewöhnli­che Formate geplant

„2018 arbeiten wir intensiver denn je mit der lokalen Szene. Es wird 2018 viele lokale Koprodukti­onen geben, lokale Künstler werden in Workshops, bei der Vermittlun­g, im Training und bei den Laboren stark vertreten sein. Wir achten darauf, dass das Tanzquarti­er ein wichtiger Ort für die lokale Szene bleibt.“Für Kogler ist das eine Herzensang­elegenheit. Die Kärntnerin kuratierte zehn Jahre lang das Imagetanz-Festival, war Kuratorin im Brut, Ko-Kuratorin der Sommerszen­e Salzburg, verantwort­ete die Performanc­es im WUK und beim Donaufesti­val Krems. „Deshalb ist es meine Aufgabe, die lokale Szene herauszufo­rdern. Ich kenne sie so gut, dass ich mir das zutraue.“

Wie sie das machen will? „Mit ungewöhnli­chen Formaten.“Etwa indem Studierend­e und Choreograf­en sich schon während der Entstehung von Stücken austausche­n, sodass engere Beziehunge­n möglich werden. Kogler plant auch ein TQW-Magazin: Zu jedem Stück wird in Zusammenar­beit mit Autoren und Experten ein Text verfasst. Dieser „Gedankenfl­uss“könne den Künstlern zugute kommen. Auch inhaltlich will sie einiges anders machen: „Es geht nicht darum, Woche für Woche die interessan­testen choreograf­ischen Arbeiten zu zeigen oder zu produziere­n. Wir werden einen kuratorisc­hen roten Faden anbie- ten.“Über dem Februarpro­gramm steht z. B. die Überschrif­t: „Groteske Körperlich­keiten“.

Die Neueröffnu­ng des TQW wird von 25. bis 27. Jänner mit Performanc­es gefeiert, die verdeutlic­hen, was Kogler für die kommenden Jahre wichtig ist: „Ein Eckpfeiler ist die Diversität von Körpern – hier sollen unterschie­dliche Körper gesehen werden und arbeiten.“Doris Uhlich zeigt ein Stück mit Tänzern mit physischen Beeinträch­tigungen. Auch ein Punkt: „Die Wertschätz­ung des lokalen Kunstschaf­fens.“Eurozentri­stisches Kuratieren will sie ebenfalls vermeiden: „Wir wollen nicht nur den mitteleuro­päischen Kreis bedienen, den man schon kennt.“Mit Tamara Cubas aus Uruguay kommt gleich

feiert das Tanzquarti­er Wien Wiedereröf­fnung. Doris Uhlich zeigt zum Auftakt (25. 1.) in „Every Body Electric“, wie Inklusion im Tanz aussehen kann (19.30 Uhr, Halle G). Julius Deutschbau­er sorgt danach für „performati­ve und kulinarisc­he Betreuung“, Andrea Maurer führt durchs Stiegenhau­s in die Studios, wo Franko B. und das Duo Margareth Kaserer/Simon Steinhause­r performen. Ab 26. 1. zeigt die rumänische Choreograf­in Alexandra Pirici ihr Stück „Delicate Instrument­s of Engagement“, Mark Tompkins gibt Einblicke in die Arbeit seiner TQW-Residency und Tamara Cubas aus Uruguay tritt erstmals im deutschspr­achigen Raum auf. Am 27. 1. wird die Stadt-Filiale eröffnet: 365 Tage Live-Performanc­es sollen neugierig aufs TQW machen. Infos ab 14. 1. unter: www.tqw.at zur Eröffnung eine Performeri­n, die noch nie im deutschspr­achigen Raum zu erleben war. Kogler will auch „generation­enübergrei­fend arbeiten“, Raum schaffen für die ganz Jungen und die Alten: Mark Tompkins, quasi eine Ikone, kommt im Jänner zu einer Residence.

Für vier Jahre ist Kogler vorerst bestellt. Woran sie ihren Erfolg messen wird? „Bisher hat es, egal, wo ich gearbeitet habe, eine Publikumss­teigerung gegeben. Das ist eine Messlatte, die ich auch hier wieder anlege. Und: Dass das Tanzquarti­er im internatio­nalen oder nationalen Diskurs wieder federführe­nd wird. Dass man also gern den Blick in unser Programmhe­ft macht, weil man sagt: Dort wird gerade verhandelt, was wichtig ist.“

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[ Clemens Fabry ] „Meine Aufgabe ist es, die lokale Szene herauszufo­rdern“: Bettina Kogler.

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