USA: Abgang auf Raten
Außenminister Rex Tillerson umranken Rücktrittsgerüchte. Von Israel über Iran bis Nordkorea vertritt er eine nuanciertere Politik als Donald Trump. Die Differenzen gehen auch ins Persönliche.
Außenminister Rex Tillerson umranken permanent Rücktrittsgerüchte.
Als Rex Tillerson neulich die Belegschaft des Außenministeriums in Washington über seine Pläne für das kommende Jahr informierte, war der Minister tunlichst um diplomatische Routine bemüht. Dem 65-jährigen Ex-Chef des texanischen Weltkonzerns Exxon kam nach einem holprigen Lernprozess, Differenzen mit Donald Trump und permanenten Rücktrittsgerüchten in seinem weichen Südstaatenakzent kein Wort des Frusts oder der Amtsmüdigkeit über die Lippen. „Es ist ein harter Job“, konzedierte er. „Aber ich finde langsam Gefallen daran.“
Kommende Woche werde er nach Kanada reisen, zu Beginn des neuen Jahres einen ausgedehnten Trip nach Afrika und Lateinamerika unternehmen, kündigte er an. Zugleich zerstreute er Spekulationen über die Schließung von USBotschaften. Die Mitarbeiter bedachten die Ausführungen mit freundlichem Applaus, obwohl der Chefdiplomat im eigenen Haus durchaus umstritten ist. Anfangs galt er wegen seiner lautlosen Politik als „Phantom in Foggy Bottom“, wie ihn die „New York Times“in Anspielung auf das Viertel, in dem das State Department in Washington liegt, punzierte. Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und der Mann für alle Fälle, und UN-Botschafterin Nikki Haley stahlen dem Außenminister, der nicht viel Aufhebens um sich macht, die Show.
In außenpolitischen Konfliktfragen setzt Tillerson indessen oft eigene Akzente. Als er im Atlantic Council, einem Thinktank, kürzlich für Gespräche mit Nordkorea eintrat – und sei es über das Wetter, wie er scherzte –, konterkarierte das Weiße Haus seinen Vorstoß. Dabei ist die Grundposition des Weißen Hauses ident mit der des Außenministers: Als Vorbedingung für Verhandlungen definierten die USA eine Pause der nordkoreanischen Raketentests. Sicherheitsberater H. R. McMaster warnte indes, die Zeit für eine Deeskalation laufe aus. Der Präsident selbst hatte Tillersons Vorschlag für eine diplomatische Lösung bereits vor Monaten als Zeitverschwendung bezeichnet.
„Idiot“Trump
Die Konfliktlinien zwischen Trump und Tillerson ziehen sich durch die Hotspots der Weltpolitik. Wo der Außenminister für eine härtere Linie plädiert, vertritt der Präsident eine konziliantere Politik – vor allem gegenüber Russland. Genau umgekehrt verhält es sich dagegen mit dem US-Kurs gegenüber dem Iran und dem Versuch, den Atom- pakt aufzulösen. Sucht Tillerson den Ausgleich mit Katar und übt Kritik an Saudiarabien, schlägt sich Trump indessen vehement für die Saudis in die Bresche.
Der Außenminister hielt die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens für einen Fehler – und ebenso angeblich die offizielle Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Tillerson, so heißt es in Washington, sei von der Entscheidung Trumps überrumpelt worden. Vizepräsident Mike Pence verschob jetzt seinen Nahost-Trip, weil ihm arabische Führer die kalte Schulter zeigen. In die Nahost-Geheimdiplomatie Kushners, die einen „ultimativen Deal“zwischen Israelis und Palästinensern einfädeln soll, ist der Außenminister allenfalls am Rande eingebunden.
Als Trump im Sommer von einer gewaltigen Aufrüstung des US-Atomarsenals schwadronierte, soll Tillerson ihn im kleinen Kreis einen „Idioten“geschimpft haben – zum Unmut des Präsidenten, der seinen Minister halb im Jux zu einem Intelligenztest herausforderte. Im Sommer hielt Trump dann eine politische Kampfrede vor 40.000 Pfadfindern, was Tillerson – den früheren US-Pfadfinder-Präsidenten – besonders aufbrachte.
Die Entfremdung wuchs im Laufe des Jahres. Seit Monaten ran- ken sich Rücktrittsgerüchte um Tillerson, und stets folgte bisher das Dementi auf dem Fuß. Bevor der Chefdiplomat jüngst zu einer Europareise aufbrach, die ihn auch zur OSZE-Konferenz nach Wien führte, musste er sich neuerlich mit einem hartnäckigen Rücktrittsszenario herumschlagen. Demnach betreibe Stabschef John Kelly die Ablöse des Außenministers. In den kommenden Monaten soll Tillerson dem CIA-Chef Mike Pompeo weichen. Der Präsident, so kolportiert die „New York Times“, sei zunehmend enerviert über Rex Tillerson. Der „Rexit“, der Abgang des Texaners, sei eine Frage der Zeit.
„Selbstmordpakt“
Während Diplomaten und Politiker über die Ausdünnung des Personals, die „Entbürokratisierung“des Ministeriums und die vielen vakanten Schlüsselpositionen ätzen, hat sich Tillerson rückversichert. Gemeinsam mit Verteidigungsminister James Mattis gilt er dem republikanischen Establishment als einer der „Erwachsenen“in der Regierung, die Schlimmeres verhüten sollen. Mit Mattis und Finanzminister Steven Mnuchin hat er angeblich einen „Selbstmordpakt“geschlossen – einer für alle, alle für einen: Tritt einer aus dem Trio zurück, gehen die anderen mit ihm.