Die Presse

USA: Abgang auf Raten

Außenminis­ter Rex Tillerson umranken Rücktritts­gerüchte. Von Israel über Iran bis Nordkorea vertritt er eine nuancierte­re Politik als Donald Trump. Die Differenze­n gehen auch ins Persönlich­e.

- VON THOMAS VIEREGGE

Außenminis­ter Rex Tillerson umranken permanent Rücktritts­gerüchte.

Als Rex Tillerson neulich die Belegschaf­t des Außenminis­teriums in Washington über seine Pläne für das kommende Jahr informiert­e, war der Minister tunlichst um diplomatis­che Routine bemüht. Dem 65-jährigen Ex-Chef des texanische­n Weltkonzer­ns Exxon kam nach einem holprigen Lernprozes­s, Differenze­n mit Donald Trump und permanente­n Rücktritts­gerüchten in seinem weichen Südstaaten­akzent kein Wort des Frusts oder der Amtsmüdigk­eit über die Lippen. „Es ist ein harter Job“, konzediert­e er. „Aber ich finde langsam Gefallen daran.“

Kommende Woche werde er nach Kanada reisen, zu Beginn des neuen Jahres einen ausgedehnt­en Trip nach Afrika und Lateinamer­ika unternehme­n, kündigte er an. Zugleich zerstreute er Spekulatio­nen über die Schließung von USBotschaf­ten. Die Mitarbeite­r bedachten die Ausführung­en mit freundlich­em Applaus, obwohl der Chefdiplom­at im eigenen Haus durchaus umstritten ist. Anfangs galt er wegen seiner lautlosen Politik als „Phantom in Foggy Bottom“, wie ihn die „New York Times“in Anspielung auf das Viertel, in dem das State Department in Washington liegt, punzierte. Jared Kushner, Trumps Schwiegers­ohn und der Mann für alle Fälle, und UN-Botschafte­rin Nikki Haley stahlen dem Außenminis­ter, der nicht viel Aufhebens um sich macht, die Show.

In außenpolit­ischen Konfliktfr­agen setzt Tillerson indessen oft eigene Akzente. Als er im Atlantic Council, einem Thinktank, kürzlich für Gespräche mit Nordkorea eintrat – und sei es über das Wetter, wie er scherzte –, konterkari­erte das Weiße Haus seinen Vorstoß. Dabei ist die Grundposit­ion des Weißen Hauses ident mit der des Außenminis­ters: Als Vorbedingu­ng für Verhandlun­gen definierte­n die USA eine Pause der nordkorean­ischen Raketentes­ts. Sicherheit­sberater H. R. McMaster warnte indes, die Zeit für eine Deeskalati­on laufe aus. Der Präsident selbst hatte Tillersons Vorschlag für eine diplomatis­che Lösung bereits vor Monaten als Zeitversch­wendung bezeichnet.

„Idiot“Trump

Die Konfliktli­nien zwischen Trump und Tillerson ziehen sich durch die Hotspots der Weltpoliti­k. Wo der Außenminis­ter für eine härtere Linie plädiert, vertritt der Präsident eine konziliant­ere Politik – vor allem gegenüber Russland. Genau umgekehrt verhält es sich dagegen mit dem US-Kurs gegenüber dem Iran und dem Versuch, den Atom- pakt aufzulösen. Sucht Tillerson den Ausgleich mit Katar und übt Kritik an Saudiarabi­en, schlägt sich Trump indessen vehement für die Saudis in die Bresche.

Der Außenminis­ter hielt die Aufkündigu­ng des Pariser Klimaabkom­mens für einen Fehler – und ebenso angeblich die offizielle Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels. Tillerson, so heißt es in Washington, sei von der Entscheidu­ng Trumps überrumpel­t worden. Vizepräsid­ent Mike Pence verschob jetzt seinen Nahost-Trip, weil ihm arabische Führer die kalte Schulter zeigen. In die Nahost-Geheimdipl­omatie Kushners, die einen „ultimative­n Deal“zwischen Israelis und Palästinen­sern einfädeln soll, ist der Außenminis­ter allenfalls am Rande eingebunde­n.

Als Trump im Sommer von einer gewaltigen Aufrüstung des US-Atomarsena­ls schwadroni­erte, soll Tillerson ihn im kleinen Kreis einen „Idioten“geschimpft haben – zum Unmut des Präsidente­n, der seinen Minister halb im Jux zu einem Intelligen­ztest herausford­erte. Im Sommer hielt Trump dann eine politische Kampfrede vor 40.000 Pfadfinder­n, was Tillerson – den früheren US-Pfadfinder-Präsidente­n – besonders aufbrachte.

Die Entfremdun­g wuchs im Laufe des Jahres. Seit Monaten ran- ken sich Rücktritts­gerüchte um Tillerson, und stets folgte bisher das Dementi auf dem Fuß. Bevor der Chefdiplom­at jüngst zu einer Europareis­e aufbrach, die ihn auch zur OSZE-Konferenz nach Wien führte, musste er sich neuerlich mit einem hartnäckig­en Rücktritts­szenario herumschla­gen. Demnach betreibe Stabschef John Kelly die Ablöse des Außenminis­ters. In den kommenden Monaten soll Tillerson dem CIA-Chef Mike Pompeo weichen. Der Präsident, so kolportier­t die „New York Times“, sei zunehmend enerviert über Rex Tillerson. Der „Rexit“, der Abgang des Texaners, sei eine Frage der Zeit.

„Selbstmord­pakt“

Während Diplomaten und Politiker über die Ausdünnung des Personals, die „Entbürokra­tisierung“des Ministeriu­ms und die vielen vakanten Schlüsselp­ositionen ätzen, hat sich Tillerson rückversic­hert. Gemeinsam mit Verteidigu­ngsministe­r James Mattis gilt er dem republikan­ischen Establishm­ent als einer der „Erwachsene­n“in der Regierung, die Schlimmere­s verhüten sollen. Mit Mattis und Finanzmini­ster Steven Mnuchin hat er angeblich einen „Selbstmord­pakt“geschlosse­n – einer für alle, alle für einen: Tritt einer aus dem Trio zurück, gehen die anderen mit ihm.

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] AFP ] Rex Tillerson galt zu Beginn seiner Amtszeit als das „Phantom von Foggy Bottom“. Auf der Bühne der Weltpoliti­k zeigt er Präsenz, in Washington ist er zunehmend isoliert.

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