Die Stammkunden der Nationalbibliothek
Jubiläum. Die Nationalbibliothek feiert ab Jänner ihren 650. Geburtstag. So offen wie heute war sie nicht immer.
Wien. Was macht eine Bibliothek aus? Natürlich die Bücher möchte man meinen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn wenn sie nicht gelesen werden, haben sie ihren Zweck verfehlt. Es braucht also auch Menschen, die sie nutzen.
Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) bereitet sich dieser Tage auf ihr großes Jubiläum vor. Immerhin wird 2018 das 650-jährige Bestehen gefeiert. Die Geschichte der Sammlung geht noch weiter zurück, aber der erste schriftliche Nachweis stammt aus dem Jahr 1368. Seitdem wird in der Nationalbibliothek nicht nur gesammelt, sondern gelesen und vor allem auch geforscht. Während die Bibliothek anfangs dem Adel und Klerus vorbehalten war, hat sie sich über die Jahrhunderte geöffnet. Das macht auch eine Benützungsordnung von Kaiser Karl VI. aus dem Jahr 1726 deutlich. „Kaiser Karl, Sohn des erhabenen Kaisers Leopold, Augustus, widmet allgemeiner Nutzung seine Bibliothek“, steht darin geschrieben. Wobei damals nicht jeder zur Allgemeinheit gehörte. „Unwissende, Diener, Faule, Schwätzer und Herumspazierer mögen fernbleiben“, heißt es weiter. Aber auch: „Der Benützer braucht nichts bezahlen, er soll reicher von dannen gehen und öfter wiederkehren.“
Heute sind zwar Schwätzer und Herumspazierende nach wie vor nicht gern gesehen, allen anderen stehen aber die Türen offen. „In den vergangenen 15 Jahren hat sich das Service für die Leser enorm entwickelt. Heute haben wir im Schnitt 800 Besucher pro Tag“, sagt Daniel Skina, Teamleiter der Bereiche Frontoffice und Magazine. Vor allem am Wochenende – auch sonntags – sei der Andrang groß. In der Prüfungszeit bilden sich schon eine Stunde vor Öffnung um 9 Uhr Schlangen vor den Toren.
Reservieren wie am Hotelpool
„Da kommt es auch vor, dass Leute für Freunde Plätze besetzen, die erst zwei, drei Stunden später kommen“, sagt Judith Holl. Die Studentin ist Stammkundin in der ÖNB und arbeitet dort an ihrer Masterarbeit im Bereich Kulturmanagement. Ihren Arbeitsplatz richtet sie sich täglich im Austriaca-Lesesaal ein. Auch sie hat ihre Stammplätze, die sie allerdings nicht wie eine Hotelpoolliege reserviert.
Fünf bis sieben Stunden arbeitet sie dort. „In Ruhe, weil daheim lasse ich mich leicht ablenken. In einem Raum, in dem auch anderen arbeiten, geht das besser.“Sie schätzt die heterogene Gemeinschaft in den Lesesälen. „Hier sind Menschen jedes Alters, nicht nur Studenten.“Man kennt sich untereinander, zumindest vom Sehen. „Ich mag das. Ich schau auch gern, welche Bücher die anderen gerade lesen.“Sie selbst nimmt übrigens ihre eigenen Bücher – oder jene aus anderen Instituten – mit. „Der Großteil der Leute, die forschen, nimmt auch die eigenen Sachen mit. Die Bücher der Nationalbi- bliothek darf man ja nicht außer Haus nehmen. Bei anderen Bibliotheken geht das schon.“
Dass sich übrigens so viele junge Menschen – und auch Frauen – unter den Besuchern befinden, war nicht immer so. Daniel Skina hat in einem Beschwerdebuch aus den 1960ern den Eintrag eines Herrn gefunden, der sich durch das laute Klappern der hohen Absätze der Frauen in seinen Studien gestört fühlte. „Damals waren viele der Meinung, die Bibliothek soll einer akademischen Elite vorbehalten sein.“Der große Lesesaal wurde 1966 eröffnet. 2002 wurde die ÖNB aus der Bundesverwaltung ausgegliedert. Danach wurde das Leserservice ausgebaut, bis hin zur Digitalisierung des Bestandes. 2018 soll auch das Projekt mit Google abgeschlossen sein. Alle 600.000 urheberrechtsfreien Bücher sollen digital verfügbar sein.
feiert die Österreichische Nationalbibliothek im kommenden Jahr, unter anderem mit einer Jubiläumsausstellung zur Geschichte des Hauses (26. 1. 18–13. 1. 19), einem wechselnden „Objekt des Monats“, bei dem selten zu besichtigende Exponate gezeigt werden, einem großen Festakt (22. 2.) mit dem Bundespräsidenten, einem „Open House“(6. 5.), der Reihe „Bibliothek im Film“(mit dem Metrokino, 7. bis 17. 6.), einem wissenschaftlichen Symposium (24., 25. 9.), einem Festkonzert in der Augustinerkirche (22. 11.), einer eigenen App sowie einer ÖNB-Münze. 2018 soll auch das Private-Public-PartnershipProjekt mit Google abgeschlossen und rund 600.000 Bücher sollen digitalisiert sein. www.onb.ac.at