„Ich feiere Weihnachten drei Mal“Der Star, der aus dem Koffer lebt
Oper. Sopranistin Olga Peretyatko-Mariotti singt heuer bei „Christmas in Vienna“. Mit der „Presse“spricht sie über Religion und unglamouröse Aspekte ihrer Arbeit.
Ihre Kinderweihnachten waren von schlichter Anmutung. In jenen Zeiten, als St. Petersburg noch Leningrad hieß, war es nicht gern gesehen, wenn die religiösen Aspekte dieses Tages in den Vordergrund gerückt wären. Als Familienfest war Weihnachten akzeptiert. Ein Tannenbaum stand in einer Ecke, Geschenke wurden getauscht, die Familie kam am Esstisch zusammen. „Die Rolle der Kirche ist mittlerweile wichtig geworden“, stellt Olga Peretyatko erfreut fest.
Was Weihnachten angeht, ist sie in einer Sonderposition. „Ich feiere Weihnachten drei Mal. Am 24. Dezember mit meinem Mann und seiner Familie in Italien, am 31. singe ich gewöhnlich irgendwo, und am 6. bzw. 7. Jänner feiere ich orthodoxe Weihnachten.“Religion ist im Leben der erfolgreichen Sängerin durchaus wichtig, aber sie will nichts an die große Glocke hängen.
„Über den eigenen religiösen Glauben sollte man nicht zu viel sprechen. Gott wohnt jedem Menschen inne“, sagt die am 7. November 1991 getaufte Peretyatko. Damals war sie schon elf Jahre alt. Es war zudem jener Tag, an dem ihre Heimatstadt wieder auf St. Petersburg umgetauft wurde. Die 37-Jährige, international höchst erfolgreiche Koloratursopranistin, die sich vor allem mit ihren Rossini-Interpretationen einen Namen gemacht hat, veröffentlichte ihr erstes russisches Album „Russian Light“(Sony Classical). Sie singt darauf Arien und Orchesterlieder von Glinka, RimskyKorsakov, Rachmaninow, Strawinsky und Schostakowitsch. Von Letzterem zwei Lieder aus dessen Revue-Operette „Moskau – Tscherjomuschki“.
„Ziemlich brutale Geschichte“
„Vieles, was ich da singe, kennt man im Westen nicht. In dieser Operette wird eine ziemlich brutale Geschichte erzählt. Es ist, so glaube ich, nur in der russischen Musik und Literatur so, dass das Publikum Mitleid mit den Bösen hat“, sagt Peretyatko. So gern sie den Wahnsinn auf der Bühne darstellt, so wenig mag sie ihn, wenn es um ihr persönliches Leben geht. Diva mag die Peretyatko keine sein. Ganz im Gegenteil. „Ich bleibe immer die Olga, die ich früher war.“Der Sängerinnenberuf bestehe aus viel unglamouröser Arbeit, die man nicht sehe. Applaus und schicke Shootings seien nur ein kleiner Teil davon. „Man muss ja permanent lernen und was vorbereiten. Man darf sich nie selbst als Star fühlen. Das wäre der Anfang vom Ende.“Die Beliebtheit ist ein zweischneidiges Schwert. „Ich musste damit umgehen lernen, dass mein Gesang polarisiert. Bei den einen funktionieren die Frequenzen, die meine Stimme entwickelt, bei anderen nicht. Am Ende bleibt es Geschmackssache. Man ist eben keine 500-Euro-Banknote. Nur dann würde man von allen geliebt werden“, schmunzelt sie im Schatten eines mächtigen Hotel-Christbaums.
Die Sängerin ist in vielen Opernmetropolen heiß begehrt. Die Basis hat sie in der Stadt Berlin gelegt. Warum ausgerechnet Berlin? „Zufall. Es war
Olga Peretyatko-Mariotti wurde 1980 in Leningrad geboren. Ihr aktuelles Album heißt „Russian Light“(Sony Classical). Heute, Samstag, singt sie bei Christmas in Vienna im Wiener Konzerthaus, einem seit 1992 bestehenden, weltbekannten Weihnachtskonzert. Weitere Stargäste des Abends sind neben Olga Peretyatko unter anderem Juan Diego Florez, Anne Sofie von Otter und Günter Haumer auf. Auftritte haben auch die Wiener Sängerknaben, das Radio Symphonieorchester Wien und die Singakademie. meine allererste Reise. Ich habe im August 2001 einen ganzen Monat dort verbracht und mich total in diese Stadt verliebt. Die frische Luft und das Gefühl, dass dort alles möglich ist, waren damals das Benzin für meinen Ehrgeiz.“Obwohl mittlerweile verheiratet mit dem italienischen Dirigenten Michele Mariotti pendelt sie permanent zwischen den Opernhäusern.
„Ich besitze zwar Wohnungen in mehreren Städten, aber als Lebensmittelpunkt würde ich meine zwei Koffer sehen“, sagt sie. „Ich reise immer noch sehr gern, bin neugierig auf die Welt. Andere Leute und Kulturen kennenzulernen, das liebe ich. Ich glaube sogar, dass, wenn die Menschen mehr reisen würden, es weniger Kriege gäbe.“Peretyatkos Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, kommt das Engagement bei der heurigen Ausgabe von „Christmas in Vienna“zupass. Sie freut sich darauf, beim „berühmtesten Konzert der Welt“dabei zu sein. Weil es keine russischen Weihnachstlieder gibt, hat sie auf Facebook einen Aufruf gestartet. „Ich wollte eine Art russisches ,Jingle Bells‘ und habe tonnenweise Zusendungen bekommen. Lassen Sie sich überraschen, welch hübsches Stück ich ausgewählt habe.“