Die Presse

Wo Roboter das Service übernehmen

Digitalisi­erung. Ob Plaudereie­n mit Kunden, Sortieren von Anfragen oder als Krücke für alte ITSysteme: Gerade in Dienstleis­tungskonze­rnen sind Roboter im Vormarsch, zeigt eine BCG-Studie.

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Sogar das Smiley stand an der richtigen Stelle. Dennoch wusste Lukas Haider, wer sich da auf WhatsApp höflich mit Namen vorgestell­t hatte: kein leibhaftig­er Bankmitarb­eiter, sondern eine Maschine. Nach einigen Auskünften stellte der Unternehme­nsberater die Gretchenfr­age: „Sind Sie ein Mensch oder ein Roboter?“Auch mit solch existenzie­llen Themen, erklärt der Partner bei der BCG (Boston Consulting Group), muss eine Maschine umgehen können. Der virtuelle Gesprächsp­artner antwortete ehrlich und verwies auf Kollegen aus Fleisch und Blut: „Wenn Sie mit einem Menschen reden wollen, schreiben Sie Ja“.

Solche Chatbots sind nur eine besonders plakative Art, wie Dienstleis­ter ihre Prozesse mit Robotern automatisi­eren. Und zwar schon heute, wie eine aktuelle BCG-Studie zeigt. Haider erklärt das Prinzip: „Sehr stupide Tätigkeite­n“, die sich in großer Zahl wiederhole­n und einfachen Regeln folgen, sollen nicht mehr Sachbearbe­iter ausführen. Dazu gehören auch immer gleiche Antworten auf immer gleiche Kundenanfr­agen.

Bei der französisc­hen Axa-Versicheru­ng muss niemand mehr eingehende E-Mails für den Kundendien­st lesen, um sie richtig weiterleit­en zu können. Der Computer analysiert sie semantisch. Er findet Namen und Polizzennu­mmer des Kunden und erkennt, worum es geht, anhand von Schlüs- selwörtern aus der Datenbank. Die Maschinen der Münchner Allianz durchschau­en sogar Ironie, wenn etwa ein Kunde, der einen Mitarbeite­r lobt, sich in Wahrheit beschwert. Das schafft übrigens Watson, der Supercompu­ter von IBM.

Schema F ohne Menschen

Der Clou dabei ist, dass der Roboter dazulernt, womit er die Grenze zur künstliche­n Intelligen­z überschrei­tet. Da nur Übung den Meister macht, braucht er hohe Stückzahle­n, um die Fehlerquot­e niedrig zu halten. Dennoch gibt es weiter nicht klassifizi­erte Anfragen. Sie auf null zu reduzieren, wäre zu teuer. Was noch bleibt, geht ein einziger Mitarbeite­r täglich durch – und ist nach 15 Minuten fertig. Erfordern Roboter eine besonders aufwendige IT? Im Gegenteil, wie das Beispiel O2 zeigt. Der Telekomanb­ieter setzt sie zum Teil im Backoffice ein, wo Tausende Mitarbeite­r Kundenanfr­agen fertig bearbeiten. Will jemand etwa seine SIM-Karte tauschen, ist die alte zu löschen, die Nummer der neuen einzutippe­n und auf die Rechnung zu setzen. Dazu braucht es zwei getrennte gewachsene IT-Systeme: Verwaltung und Abrechnung. Das Übertragen dauert, es passieren dabei Fehler. Die Systeme zu integriere­n wäre eine riesige Investitio­n. Da kommt der Roboter, der Schema-F-Tätigkeite­n übernimmt, viel günstiger. „Er greift auf die bestehende­n Systeme zu, ist also eine Schicht darüber“, sagt Haider.

Dennoch – oder gerade deshalb – sind die Einsparung­spoten- ziale enorm. Bei der australisc­hen ANZ-Bank etwa haben 1000 Roboter 235 Prozesse automatisi­ert und damit deren Kosten um 40 Prozent gesenkt. Bei Banken geht es auch um Betrugsbek­ämpfung. Um Insiderhan­del zu unterbinde­n, müsste jemand Tausende Stunden Tonband mit den Telefonges­prächen der Trader durchhören. Mit einer guten Spracherke­nnung schafft das ein Roboter in Windeseile.

Und schließlic­h die Chatbots, die auch in der Nacht mit uns reden, wenn sich der Arbeitsmen­sch erholt. Sobald die Kunden der holländisc­hen Fluglinie KLM ein Ticket gekauft haben, halten Roboter sie am Smartphone im Plauderton auf dem Laufenden. Sie erinnern an den Check-in, entschuldi­gen sich für Verspätung­en und lotsen zum richtigen Gate.

Aber sogar Juristen könnten sich zum Teil ersetzen lassen, auch wenn sie es (noch) nicht gern hören. Wie viele Monatsmiet­en Kaution sind zulässig? Für solche Standardfr­agen braucht es keine versierten Anwälte oder Konsumente­nschützer. In den USA setzt man dafür schon Chatbots ein.

Freilich gibt es Grenzen: überall dort, wo man neue, kreative Lösungen braucht. Und im Kontakt: „Irgendwann hat der Kunde den Wunsch, mit einem Menschen zu reden“, weiß Haider. Vor allem dann, wenn für ihn große Entscheidu­ngen und Investitio­nen anstehen: „Da geht es ums Vertrauen“– das uns beim Roboter fehlt, so fehlerfrei er sein mag.

 ?? [ Reuters ] ?? Hier arbeiten noch Menschen. Hinter wie vielen Fenstern sitzen bald Roboter?
[ Reuters ] Hier arbeiten noch Menschen. Hinter wie vielen Fenstern sitzen bald Roboter?

Newspapers in German

Newspapers from Austria