Wo Roboter das Service übernehmen
Digitalisierung. Ob Plaudereien mit Kunden, Sortieren von Anfragen oder als Krücke für alte ITSysteme: Gerade in Dienstleistungskonzernen sind Roboter im Vormarsch, zeigt eine BCG-Studie.
Wien. Sogar das Smiley stand an der richtigen Stelle. Dennoch wusste Lukas Haider, wer sich da auf WhatsApp höflich mit Namen vorgestellt hatte: kein leibhaftiger Bankmitarbeiter, sondern eine Maschine. Nach einigen Auskünften stellte der Unternehmensberater die Gretchenfrage: „Sind Sie ein Mensch oder ein Roboter?“Auch mit solch existenziellen Themen, erklärt der Partner bei der BCG (Boston Consulting Group), muss eine Maschine umgehen können. Der virtuelle Gesprächspartner antwortete ehrlich und verwies auf Kollegen aus Fleisch und Blut: „Wenn Sie mit einem Menschen reden wollen, schreiben Sie Ja“.
Solche Chatbots sind nur eine besonders plakative Art, wie Dienstleister ihre Prozesse mit Robotern automatisieren. Und zwar schon heute, wie eine aktuelle BCG-Studie zeigt. Haider erklärt das Prinzip: „Sehr stupide Tätigkeiten“, die sich in großer Zahl wiederholen und einfachen Regeln folgen, sollen nicht mehr Sachbearbeiter ausführen. Dazu gehören auch immer gleiche Antworten auf immer gleiche Kundenanfragen.
Bei der französischen Axa-Versicherung muss niemand mehr eingehende E-Mails für den Kundendienst lesen, um sie richtig weiterleiten zu können. Der Computer analysiert sie semantisch. Er findet Namen und Polizzennummer des Kunden und erkennt, worum es geht, anhand von Schlüs- selwörtern aus der Datenbank. Die Maschinen der Münchner Allianz durchschauen sogar Ironie, wenn etwa ein Kunde, der einen Mitarbeiter lobt, sich in Wahrheit beschwert. Das schafft übrigens Watson, der Supercomputer von IBM.
Schema F ohne Menschen
Der Clou dabei ist, dass der Roboter dazulernt, womit er die Grenze zur künstlichen Intelligenz überschreitet. Da nur Übung den Meister macht, braucht er hohe Stückzahlen, um die Fehlerquote niedrig zu halten. Dennoch gibt es weiter nicht klassifizierte Anfragen. Sie auf null zu reduzieren, wäre zu teuer. Was noch bleibt, geht ein einziger Mitarbeiter täglich durch – und ist nach 15 Minuten fertig. Erfordern Roboter eine besonders aufwendige IT? Im Gegenteil, wie das Beispiel O2 zeigt. Der Telekomanbieter setzt sie zum Teil im Backoffice ein, wo Tausende Mitarbeiter Kundenanfragen fertig bearbeiten. Will jemand etwa seine SIM-Karte tauschen, ist die alte zu löschen, die Nummer der neuen einzutippen und auf die Rechnung zu setzen. Dazu braucht es zwei getrennte gewachsene IT-Systeme: Verwaltung und Abrechnung. Das Übertragen dauert, es passieren dabei Fehler. Die Systeme zu integrieren wäre eine riesige Investition. Da kommt der Roboter, der Schema-F-Tätigkeiten übernimmt, viel günstiger. „Er greift auf die bestehenden Systeme zu, ist also eine Schicht darüber“, sagt Haider.
Dennoch – oder gerade deshalb – sind die Einsparungspoten- ziale enorm. Bei der australischen ANZ-Bank etwa haben 1000 Roboter 235 Prozesse automatisiert und damit deren Kosten um 40 Prozent gesenkt. Bei Banken geht es auch um Betrugsbekämpfung. Um Insiderhandel zu unterbinden, müsste jemand Tausende Stunden Tonband mit den Telefongesprächen der Trader durchhören. Mit einer guten Spracherkennung schafft das ein Roboter in Windeseile.
Und schließlich die Chatbots, die auch in der Nacht mit uns reden, wenn sich der Arbeitsmensch erholt. Sobald die Kunden der holländischen Fluglinie KLM ein Ticket gekauft haben, halten Roboter sie am Smartphone im Plauderton auf dem Laufenden. Sie erinnern an den Check-in, entschuldigen sich für Verspätungen und lotsen zum richtigen Gate.
Aber sogar Juristen könnten sich zum Teil ersetzen lassen, auch wenn sie es (noch) nicht gern hören. Wie viele Monatsmieten Kaution sind zulässig? Für solche Standardfragen braucht es keine versierten Anwälte oder Konsumentenschützer. In den USA setzt man dafür schon Chatbots ein.
Freilich gibt es Grenzen: überall dort, wo man neue, kreative Lösungen braucht. Und im Kontakt: „Irgendwann hat der Kunde den Wunsch, mit einem Menschen zu reden“, weiß Haider. Vor allem dann, wenn für ihn große Entscheidungen und Investitionen anstehen: „Da geht es ums Vertrauen“– das uns beim Roboter fehlt, so fehlerfrei er sein mag.