Was unterscheidet Türkis-Blau von Rot-Schwarz?
Advent, Advent! Die 24. österreichische Regierungsbildung in sechs Jahrzehnten steht vor der Tür. Im Grunde ist Regieren doch ganz einfach; Abfangjäger werden gekauft, Gegengeschäfte gemacht.
Vielleicht ist die erwartungsvolle Stimmung vor Weihnachten daran schuld, dass wir Senioren im Politbüro des Gegengiftes in Erdberg an diesem Wochenende mit besonders großer Aufmerksamkeit verfolgen, was für ein buntes Kabinett uns vor dem 100. Jubiläum der Ersten Republik und dem bereits 400. des Dreißigjährigen Kriegs beschert wird. Ich habe nachgezählt: Es ist die 24. Regierungsbildung, die ich erlebe.
An die frühesten – von Raab II bis Klaus II – kann ich mich als typischer Vertreter der Babyboomer nicht mehr erinnern. Ganz gegenwärtig ist mir aber die Nummer sieben, als Bruno Kreisky und sein Team am 21. 4. 1970 antraten. Es wehte ein neuer Wind im Land. Noch nie zuvor in der Zweiten Republik waren so viele ehemalige Nazis zu Ministerehren gekommen – das bizarre Zwischenspiel einer Minderheitsregierung. Im Jahr darauf gab es Neuwahlen, bei denen die SPÖ die Absolute gewann. Was aber die Kabinette Kreisky II bis IV versprachen, kann ich kaum noch nachvollziehen. Alleinregierungen sind fade. Irgendwann, glaube ich, wurde das Nassrasieren gesetzlich vorgeschrieben. Das hat die Budgets nachhaltig verändert.
Mehr Aufsehen erregte Nummer elf, als der Alte grollend ging, damit Rot und Blau am 24. 5. 1983 zusammenfanden. Fred Sinowatz meinte, alles sei so kompliziert. Im Grunde war alles einfach; Abfangjäger wurden gekauft, Gegengeschäfte gemacht, ein FPÖ-Minister durfte einem ehemaligen SSMajor, der wegen Kriegsverbrechen in Haft gesessen war, die Hand schütteln.
Von den fünf folgenden Regierungen unter Franz Vranitzky ist das Kabi- nett III auffällig. Die große Koalition von SPÖ und ÖVP sorgte auf dem Höhepunkt ihrer Staatskunst dafür, dass der EU-Beitritt glückte. Ist es ein gutes Omen, dass jene Nr. 14 1990 just am 17. 12. angelobt wurde? Die Blauen kamen erst wieder bei Nr. 18 ins Spiel, als Juniorpartner der ÖVP unter Wolfgang Schüssel, der am 4. 2. 2000 seinen Lebenstraum erfüllte. Als Kanzler legte er das Mascherl ab, trug hinfort Krawatte. Das war eine prägende Erfahrung. Abfangjäger wurden gekauft, Gegengeschäfte gemacht. Bald aber, nach Schüssel II, wurde es wieder weniger zackig. Von Gusenbauer I bis Kern I lavierte eine große Koalition.
Die gibt es nun auch bei Nr. 24 – nicht in konservativem Rot-Schwarz, sondern in gewagtem Türkis-Blau. Liturgisch passen die Farben nicht zum Advent. Aber sie sind eine gute Kombination für nagelneue Kampfjets.