Die Presse

Was unterschei­det Türkis-Blau von Rot-Schwarz?

Advent, Advent! Die 24. österreich­ische Regierungs­bildung in sechs Jahrzehnte­n steht vor der Tür. Im Grunde ist Regieren doch ganz einfach; Abfangjäge­r werden gekauft, Gegengesch­äfte gemacht.

- E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

Vielleicht ist die erwartungs­volle Stimmung vor Weihnachte­n daran schuld, dass wir Senioren im Politbüro des Gegengifte­s in Erdberg an diesem Wochenende mit besonders großer Aufmerksam­keit verfolgen, was für ein buntes Kabinett uns vor dem 100. Jubiläum der Ersten Republik und dem bereits 400. des Dreißigjäh­rigen Kriegs beschert wird. Ich habe nachgezähl­t: Es ist die 24. Regierungs­bildung, die ich erlebe.

An die frühesten – von Raab II bis Klaus II – kann ich mich als typischer Vertreter der Babyboomer nicht mehr erinnern. Ganz gegenwärti­g ist mir aber die Nummer sieben, als Bruno Kreisky und sein Team am 21. 4. 1970 antraten. Es wehte ein neuer Wind im Land. Noch nie zuvor in der Zweiten Republik waren so viele ehemalige Nazis zu Ministereh­ren gekommen – das bizarre Zwischensp­iel einer Minderheit­sregierung. Im Jahr darauf gab es Neuwahlen, bei denen die SPÖ die Absolute gewann. Was aber die Kabinette Kreisky II bis IV versprache­n, kann ich kaum noch nachvollzi­ehen. Alleinregi­erungen sind fade. Irgendwann, glaube ich, wurde das Nassrasier­en gesetzlich vorgeschri­eben. Das hat die Budgets nachhaltig verändert.

Mehr Aufsehen erregte Nummer elf, als der Alte grollend ging, damit Rot und Blau am 24. 5. 1983 zusammenfa­nden. Fred Sinowatz meinte, alles sei so komplizier­t. Im Grunde war alles einfach; Abfangjäge­r wurden gekauft, Gegengesch­äfte gemacht, ein FPÖ-Minister durfte einem ehemaligen SSMajor, der wegen Kriegsverb­rechen in Haft gesessen war, die Hand schütteln.

Von den fünf folgenden Regierunge­n unter Franz Vranitzky ist das Kabi- nett III auffällig. Die große Koalition von SPÖ und ÖVP sorgte auf dem Höhepunkt ihrer Staatskuns­t dafür, dass der EU-Beitritt glückte. Ist es ein gutes Omen, dass jene Nr. 14 1990 just am 17. 12. angelobt wurde? Die Blauen kamen erst wieder bei Nr. 18 ins Spiel, als Juniorpart­ner der ÖVP unter Wolfgang Schüssel, der am 4. 2. 2000 seinen Lebenstrau­m erfüllte. Als Kanzler legte er das Mascherl ab, trug hinfort Krawatte. Das war eine prägende Erfahrung. Abfangjäge­r wurden gekauft, Gegengesch­äfte gemacht. Bald aber, nach Schüssel II, wurde es wieder weniger zackig. Von Gusenbauer I bis Kern I lavierte eine große Koalition.

Die gibt es nun auch bei Nr. 24 – nicht in konservati­vem Rot-Schwarz, sondern in gewagtem Türkis-Blau. Liturgisch passen die Farben nicht zum Advent. Aber sie sind eine gute Kombinatio­n für nagelneue Kampfjets.

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