Neuzugänge im falschen Wiener Jahrhundert
Staatsoper. Interessante Sängerdebüts in der fälschlich in den 1930er-Jahren angesiedelten „Arabella“-Produktion.
Etliche Debüts machten „Arabella“im Rahmen der Richard-Strauss-Tage der Staatsoper spannend: Die 46. Aufführung von Sven-Eric Bechtolfs grob verfälschender Inszenierung brachte eine Wiederbegegnung mit Kurt Rydl in einer Partie, die dieser Wiener Opern-Haudegen noch nie an „seinem“Haus verkörpert hatte. Den verarmten Grafen Waldner gab Rydl an der Seite der bewährten Gräfin Zoryana Kushplers so recht griesgrämig, desillusioniert, aber inwendig doch voller Warmherzigkeit.
Verschmitzt kam auch Komödiantik ins Spiel – wahrscheinlich hat seinerzeit nicht einmal Oskar Czerwenka dem reichen Bräutigam Eberhard Waechters so viele Tausender aus dem Portemonnaie gestibitzt wie Rydl dem für Wien gleichfalls neuen Mandryka Christopher Maltman. Der war stimmlich das Ereignis des Abends, kraftvoll, kernig und mit der von Hofmannsthal vorgesehenen Mischung aus provinzieller Ungeschlachtheit und immer wieder hervorquellender Sensibilität: „Das ist ein Fall von andrer Art“singt er mit größter baritonaler Behutsamkeit.
Melancholie orchestraler Zwischentöne
Dass die Arabella der Haus-Debütantin Anna Gabler vor diesem fremden „Walachen, oder was er ist“eher indigniert als fasziniert zu sein scheint, fügt sich ins insgesamt sehr distanzierte, auch vokal eher zurückhaltende Bild, das die junge Sopranistin von der Titelfigur zeichnet. Ihr melancholischer Schlussmonolog im ersten Akt klingt eher nach einem – wohltönend musizierten – Bratschenkonzert mit Sopranbegleitung.
Chen Reiss als kleine Schwester bringt mehr Farbe und Stimmglanz ein und spielt vor allem zauberhaft den Buben Zdenko, der zum Vertrauten des verzweifelt in Arabella verliebten Jägeroffiziers Matteo wird.
Benjamin Bruns hat sich mit diesem in kurzer Frist seine zweite heikle Strauss-Partie erobert und reüssiert nach dem Leukippos in der „Daphne“nun auch in „Arabella“glänzend: Die vielen Höhen, die der Komponist seinem patscherten Liebhaber zumutet, strömen ihm mühelos über die Lippen.
Auch die Fiakermilli zwitscherte ihre Koloraturen zum ersten Mal: Maria Nazarova bewältigt die kuriosen Vokalgirlanden dieser Un-Rolle tadellos und führt das gesamte Halbwelt-Ensemble, das der Regisseur im Mittelakt auf die Bühne holt, augenzwinkernd an, drei Grafen von rechtschaffen possenhaftem Format (Thomas Ebenstein, Gabriel Bermudez und Sorin Coliban) inmitten, die – wenn auch einer seinen Auftritt verpasst – die insgesamt auch darstellerisch exzellente Ensembleleistung abrunden.
Dass der Abend durchwegs in Schwung bleibt, ist dem Mann am Dirigentenpult zu danken. Patrick Lange scheint die vertrackt kleinteilige Partitur perfekt zu beherrschen. Obwohl er alle Hände voll zu tun hat, die vielen Klanginseln, mit denen Strauss jedes Detail von Text und Handlung illustriert, präzis abzuwickeln, sorgt er nicht nur dafür, dass das Orchester seine Ton-Konfetti jeweils pünktlich in die Lüfte wirft, sondern trachtet auch danach, dass das entsprechend wenig lautstark geschieht. Es gibt nicht viele Werke, in denen der Kapellmeister dermaßen viel zu tun hat. Die Singstimmen sind diesmal, dem reich geflochtenen Klangteppich zum Trotz, fast durchwegs zu vernehmen – etliche Pointen von Hofmannsthals filigranem Komödientext sind zu verstehen. Das kommt auch hierzulande nicht alle Strauss-Repertoiretage vor . . .