Die Presse

Ehe für alle – oder: Ein Triumph der Verwirrung

Warum in Sachen Ehe der Ball nach dem jüngsten Judikat des Verfassung­sgerichtsh­ofs wieder beim Gesetzgebe­r liegt.

- VON STEPHANIE MERCKENS

Die Freude bei Vertretern der Lobby der Lesben und Schwulen war groß nach dem jüngsten Judikat des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) in Sachen Ehe. Das ist nachvollzi­ehbar. Denn glaubt man der Presseauss­endung des Höchstgeri­chts, so wird spätestens ab 2019 die Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare in Österreich möglich sein.

Aber stimmt das auch? Hat der Verfassung­sgerichtsh­of wirklich gesagt, dass es diskrimini­erend sei, wenn zwei Personen des gleichen Geschlecht­s keine Ehe eingehen können? Bei genauerer Betrachtun­g der Entscheidu­ng kommen da Zweifel. Der VfGH hat beschlosse­n, dass mit Ablauf des 31. Dezember 2018 die in Paragraf 44 des Allgemeine­n Bürgerlich­en Gesetzbuch­s (ABGB) enthaltene Definition von Ehe geändert werden soll, in dem es künftig heißt:

„In dem Ehevertrag­e erklären zwey Personen gesetzmäßi­g ihren Willen, in unzertrenn­licher Gemeinscha­ft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseiti­gen Beystand zu leisten.“Weiters hat der Gerichtsho­f jene Wortfolgen im Gesetz über die Eingetrage­ne Partnersch­aft aufgehoben, durch welche diese auf gleichgesc­hlechtlich­e Paare beschränkt wurde.

Zwei Interpreta­tionen

Folgt man dem verbleiben­den Wortlaut des § 44 ABGB, so bleibt die Ehe unter anderem eine Erklärung über die Absicht zweier Personen, Kinder zeugen zu wollen. Diese Wortfolge lässt zumindest zwei Interpreta­tionen zu.

Entweder hat sich an den Zugangsbes­timmungen zur Ehe auch nach dem Erkenntnis des VfGH nichts geändert, da zum Zeugen von Kindern weiterhin die Kombinatio­n aus Mann und Frau gefragt ist. Oder der VfGH möchte, dass ab 2019 Verwaltung­sbeamte die Erklärung gleichgesc­hlechtlich­er Paare, Kinder zeugen zu wollen, als rechtlich relevant bekunden. Was aber geradezu unmöglich ist, kann nicht Gegenstand eines gültigen Vertrags werden.

Nun kann man durchaus argumentie­ren, dass auch schon heute Männer und Frauen gemeinsam eine Ehe eingehen können, die aller Wahrschein­lichkeit nach nicht mehr zeugungsfä­hig sind.

Allerdings wäre im Umkehrschl­uss das staatlich verordnete Überprüfen der individuel­len Zeugungsfä­higkeit ein zu großer Eingriff in das Recht auf Privatlebe­n, weswegen es vorzuziehe­n ist, sich an äußerlich erkennbare­n und im Personenst­and festgehalt­en Merkmalen zu orientiere­n. Zudem zeigt uns die Reprodukti­onsmedizin, dass weiterhin Samen- und Eizelle notwendig sind, um Kinder zu zeugen, das Alter dabei aber eine immer geringere Bedeutung hat.

Allein aus dieser mindestens zweideutig verstehbar­en Wortfolge kann man daher entgegen vielen Meldungen nicht davon ausgehen, dass die causa finita sei.

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