Wach bleiben am Kontrollmonitor
Schichtarbeit ermüdet. Forscher untersuchten die Wachheit von Fahrdienstleitern und entwickelten ein Programm, das schläfrige Mitarbeiter munter und aufmerksam macht.
Die Testung zeigt, dass Sie erschöpft sind, auch wenn Sie sich möglicherweise noch wach fühlen. Wir empfehlen Ihnen, innerhalb der nächsten 15 Minuten in den Übungsraum zu gehen und die Körperübung durchzuführen.“Dieses Pop-up erschien z. B. auf dem Bildschirm von Mitarbeitern in der Wiener Betriebsführungszentrale der ÖBB. Sie nahmen an einer Studie der TU Wien teil, die mit der FH St. Pölten und der Arbeitspsychologin Petra Lengger durchgeführt wurde. „Alertness Control“heißt das Projekt – gefördert vom Technologieministerium –, das zum Ziel hatte, die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter in Fahrdienstleitungen zu erhöhen.
In diesen Zentralen wird in Zwölf-Stunden-Schichten gearbeitet – auch in Nachtschichten: Durchgehend ist eine hohe Aufmerksamkeit gefordert, um die Sicherheit auf den Schienen zu gewährleisten. Doch Schichtarbeit ermüdet die Mitarbeiter und macht sie anfällig für Fehler. „Obwohl Schläfrigkeit und Müdigkeit andere Ursachen haben, sind ihre Symptome gleich“, sagt Petra Lengger von Preventconsult. Benommenheit, verminderte Aufmerksamkeit, geringere Gedächtnis- und Beurteilungsleistung sowie erhöhtes Risikoverhalten sind Symptome von müden oder schläfrigen Personen. „Müdigkeit ist das, was wir als Erschöpfung verstehen. Sie tritt nach Anstrengung ein, wenn zu wenig Zeit für Erholung ist“, erklärt Lengger. Müden Leuten helfen Pausen und körperliche Aktivität wie Sport.
Schläfrigkeit hingegen kann durch Bewegung nicht gut bekämpft werden, denn sie beruht auf Schlafmangel oder einer Störung im biologischen Tag-NachtRhythmus, also etwa bei Nachtschichtarbeit. „Gegen Schläfrigkeit hilft nur Schlaf: Man soll sich für ein Powernapping hinlegen oder zumindest für einige Zeit dösen.“
Das Forscherteam suchte ÖBB-Mitarbeiter in Wien und Linz zwischen 18 und 60 Jahren als Probanden. Diese bekamen während der Arbeitszeit alle ein bis zwei Stunden ein Pop-up-Fenster im Bildschirm für einen Reaktionstest eingeblendet, bei dem sie so schnell wie möglich eine bestimmte Taste drücken mussten. „Der standardisierte Test zeigt objektiv, wie hoch die Aufmerksamkeit ist“, so Lengger. Zudem stellte das Computerprogramm Fragen: „Wie fühlen Sie sich, wie lang sind Sie schon wach, wie viel Arbeitslast hatten Sie in der letzten Stunde, und wie viel erwarten Sie für die nächste Stunde etc.?“
Eigene Einschätzung oft falsch
„Die subjektive Einschätzung der Mitarbeiter unterscheidet sich oft von der objektiven Messung: Viele halten sich für wacher und aufmerksamer, als der Reaktionstest zeigt“, bestätigt Lengger. Auch die aufwendige Methode des Pupillografen, der die Veränderung der Pupillengröße misst, wurde eingesetzt, um objektive Ergebnisse des Wachheitsgrads zu bekommen.
Der Mitarbeiter wurde sofort über die Übereinstimmung des objektiven Tests mit seinen sub- jektiven Angaben in Kenntnis gesetzt und erhielt eine Empfehlung, was er tun kann, um seinen Zustand zu verbessern. Je nach Situation konnte der Proband bei Müdigkeit im Übungsraum Bewegung machen oder sich bei Schläfrigkeit in den Ruheraum legen. Die räumlichen Möglichkeiten wurden in der Studie eigens eingerichtet, Physiotherapeuten der FH St. Pölten stellten ein Kinect-System zur Verfügung: Das gibt über einen Bildschirm Turnübungen vor und kontrolliert über Kameras, ob der Proband die Übung korrekt ausführt. Auch Empfehlungen wie „Trinken Sie Kaffee“oder „Machen Sie Streck- und Dehnungsbewegungen“wurden gegeben.
Vorausschauend Pause machen
Die Tests wurden von den Mitarbeitern gut angenommen. Doch im Berufsalltag ist die Umsetzung der Empfehlungen nicht leicht, denn es braucht mehr Personal, wenn sich ein Mitarbeiter der Betriebsführungszentrale für 15 Minuten in einem Ruheraum hinlegt und dabei die Kontrollmonitore aus den Augen lässt.
„Wenn die Empfehlungen wirklich gemacht wurden, zeigten sie gute Wirkung: Schläfrigkeit und Müdigkeit wurden verringert.“Die Forscher plädieren für ein „adäquates Pausensystem“, das Mitarbeiter schon vorausschauend in Ruhe- oder Übungseinheiten schickt, bevor sie sich erschöpft und schläfrig fühlen. „Ein adäquates Pausenmanagement ist auch für die langfristige Erhaltung der Arbeitskraft wichtig“, sagt Lengger.