Die vielen Geheimnisse der Insel Ägina
Salzburger Forscher wollen mehr über die bronzezeitlichen Vorstädte und das Alltagsleben auf Kap Kolonna erfahren.
Beim Stichwort Ephesos denkt man an den Tempel der Artemis oder die Celsus-Bibliothek in der Türkei. Die antike Ausgrabungsstätte wird vom Österreichischen Archäologischen Institut in Wien betreut. Dass auch die Uni Salzburg auf einer griechischen Insel seit Jahrzehnten eine Ausgrabungsstätte betreut, ist weniger bekannt. Dabei steht Kap Kolonna auf Ägina hinsichtlich Kontinuität dem berühmten Ephesos um nichts nach. Nirgendwo sonst gibt es so vielfältige, in unterschiedlichen vorchristlichen Epochen entstandene Siedlungsstrukturen auf einem Platz.
„Auf dem Gelände wurden in der Bronzezeit mehrere befestigte Stadtanlagen übereinander errichtet“, erläutert der Archäologe Wolfgang Wohlmayr, der die Grabungen der Universität Salzburg auf Ägina leitet: „Wir haben hier sämtliche Phasen der griechischen Ge- schichte auf einem Platz.“Das birgt auch eine Herausforderung für die Archäologen: Alle Bauphasen überlappen sich, die Reste früherer Siedlungen sind stark ineinander verschachtelt und müssen sehr vorsichtig bearbeitet werden.
Das Kap war von der Jungsteinzeit über sämtliche Perioden der Bronzezeit ständig bewohnt. Eine Zäsur gab es um 1200 vor Christus, als die mykenische Feudalkultur zusammengebrochen ist. Später wurde über den verfallenen Siedlungen ein frühgriechisches Heiligtum errichtet. Die Reste des Apollontempels sind heute noch zu sehen. Die einzig noch aufrechte Säule, colonna, hat in der frühen Neuzeit venezianischen Seefahrern die Orientierung erleichtert und der Ausgrabungsstätte ihren Namen Kap Kolonna gegeben.
Muscheln lieferten Farbstoff
Derzeit konzentrieren sich die Salzburger Archäologen, die jeden Sommer mit einem Team aus Wissenschaftlern und Studierenden auf Ägina graben, auf die Vorstädte, um die die prähistorischen befestigten Siedlungen im Lauf der Zeit erweitert wurden. „Wir wollen wissen, wie die Menschen damals arbeiteten und wirtschafteten“, erläutert der Archäologe.
Ägina war im zweiten Jahrtausend vor Christus einer der wichtigsten Handelsplätze in der Region. „Die Insel dürfte wegen ihrer wirtschaftlichen Stellung immer eine starke Unabhängigkeit gehabt haben“, sagt Wohlmayr. Aufgrund der bisherigen Funde ist bekannt, dass es auf Ägina eine über die Insel hinaus bekannte Töpferproduktion gab. Charakteristisches Geschirr und Gebrauchskeramik mit für Ägina typischen Bemalungen wurde in vielen Orten des Mittelmeerraums gefunden und dokumentiert so die vielfältigen Handelsbeziehungen.
Neu ist, dass die Bewohner der bronzezeitlichen Insel auch exklusive Stoffe produziert haben dürften, wie man sie sonst aus der Levante oder aus Ägypten kennt. „Bei der Sommergrabung 2016 haben wir in einem zerbrochenen Gefäß Purpurreste entdeckt“, erzählt der Archäologe. Gleich daneben gab es eine Grube mit zerdrückten Murexschalen: Diese Muscheln lieferten den wertvollen Purpurfarbstoff.
Wein wurde früh angebaut
„Die Methoden der Archäologie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert“, berichtet Wohlmayr. Früher wurde sehr schnell und mit enormem Aufwand gegraben, es ging um die großen Funde. Heute arbeitet man sehr viel langsamer und vorsichtiger. Dabei wird eng mit Naturwissenschaftlern oder auch Geografen zusammengearbeitet. Es werden Materialproben genommen, oder es wird mit der C14-Methode das Alter eines Fundstücks bestimmt. Mithilfe von geografischen Informationssystemen werden die sich überlappenden Siedlungsstrukturen vermessen und dokumentiert. Lag vor Jahrzehnten der Fokus auf den mit freiem Auge sichtbaren Funden, konzentriert man sich heute auf Dinge, die man nicht oder nur schwer sieht: Aus der Erde werden Knochenreste, Pollen, verkohltes Holz oder noch erhaltene Stoffreste gesiebt und mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht. Diese Funde offenbaren viel über das Leben der damaligen Zeit: So konnte belegt werden, dass bereits in mykenischer Zeit auf Ägina Wein angebaut wurde.
Die Salzburger Archäologen konzentrieren sich aber nicht nur auf die Entdeckung, Interpretation und Dokumentation neuer Funde. Sie kümmern sich auch um die fachgerechte Restaurierung der schon freigelegten Mauern und um die Wissensvermittlung. So gibt es auf Kap Kolonna ein Museum sowie mehrsprachige Schautafeln für die Besucher.