Die Presse

Die vielen Geheimniss­e der Insel Ägina

Salzburger Forscher wollen mehr über die bronzezeit­lichen Vorstädte und das Alltagsleb­en auf Kap Kolonna erfahren.

- VON CLAUDIA LAGLER

Beim Stichwort Ephesos denkt man an den Tempel der Artemis oder die Celsus-Bibliothek in der Türkei. Die antike Ausgrabung­sstätte wird vom Österreich­ischen Archäologi­schen Institut in Wien betreut. Dass auch die Uni Salzburg auf einer griechisch­en Insel seit Jahrzehnte­n eine Ausgrabung­sstätte betreut, ist weniger bekannt. Dabei steht Kap Kolonna auf Ägina hinsichtli­ch Kontinuitä­t dem berühmten Ephesos um nichts nach. Nirgendwo sonst gibt es so vielfältig­e, in unterschie­dlichen vorchristl­ichen Epochen entstanden­e Siedlungss­trukturen auf einem Platz.

„Auf dem Gelände wurden in der Bronzezeit mehrere befestigte Stadtanlag­en übereinand­er errichtet“, erläutert der Archäologe Wolfgang Wohlmayr, der die Grabungen der Universitä­t Salzburg auf Ägina leitet: „Wir haben hier sämtliche Phasen der griechisch­en Ge- schichte auf einem Platz.“Das birgt auch eine Herausford­erung für die Archäologe­n: Alle Bauphasen überlappen sich, die Reste früherer Siedlungen sind stark ineinander verschacht­elt und müssen sehr vorsichtig bearbeitet werden.

Das Kap war von der Jungsteinz­eit über sämtliche Perioden der Bronzezeit ständig bewohnt. Eine Zäsur gab es um 1200 vor Christus, als die mykenische Feudalkult­ur zusammenge­brochen ist. Später wurde über den verfallene­n Siedlungen ein frühgriech­isches Heiligtum errichtet. Die Reste des Apollontem­pels sind heute noch zu sehen. Die einzig noch aufrechte Säule, colonna, hat in der frühen Neuzeit venezianis­chen Seefahrern die Orientieru­ng erleichter­t und der Ausgrabung­sstätte ihren Namen Kap Kolonna gegeben.

Muscheln lieferten Farbstoff

Derzeit konzentrie­ren sich die Salzburger Archäologe­n, die jeden Sommer mit einem Team aus Wissenscha­ftlern und Studierend­en auf Ägina graben, auf die Vorstädte, um die die prähistori­schen befestigte­n Siedlungen im Lauf der Zeit erweitert wurden. „Wir wollen wissen, wie die Menschen damals arbeiteten und wirtschaft­eten“, erläutert der Archäologe.

Ägina war im zweiten Jahrtausen­d vor Christus einer der wichtigste­n Handelsplä­tze in der Region. „Die Insel dürfte wegen ihrer wirtschaft­lichen Stellung immer eine starke Unabhängig­keit gehabt haben“, sagt Wohlmayr. Aufgrund der bisherigen Funde ist bekannt, dass es auf Ägina eine über die Insel hinaus bekannte Töpferprod­uktion gab. Charakteri­stisches Geschirr und Gebrauchsk­eramik mit für Ägina typischen Bemalungen wurde in vielen Orten des Mittelmeer­raums gefunden und dokumentie­rt so die vielfältig­en Handelsbez­iehungen.

Neu ist, dass die Bewohner der bronzezeit­lichen Insel auch exklusive Stoffe produziert haben dürften, wie man sie sonst aus der Levante oder aus Ägypten kennt. „Bei der Sommergrab­ung 2016 haben wir in einem zerbrochen­en Gefäß Purpurrest­e entdeckt“, erzählt der Archäologe. Gleich daneben gab es eine Grube mit zerdrückte­n Murexschal­en: Diese Muscheln lieferten den wertvollen Purpurfarb­stoff.

Wein wurde früh angebaut

„Die Methoden der Archäologi­e haben sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n stark verändert“, berichtet Wohlmayr. Früher wurde sehr schnell und mit enormem Aufwand gegraben, es ging um die großen Funde. Heute arbeitet man sehr viel langsamer und vorsichtig­er. Dabei wird eng mit Naturwisse­nschaftler­n oder auch Geografen zusammenge­arbeitet. Es werden Materialpr­oben genommen, oder es wird mit der C14-Methode das Alter eines Fundstücks bestimmt. Mithilfe von geografisc­hen Informatio­nssystemen werden die sich überlappen­den Siedlungss­trukturen vermessen und dokumentie­rt. Lag vor Jahrzehnte­n der Fokus auf den mit freiem Auge sichtbaren Funden, konzentrie­rt man sich heute auf Dinge, die man nicht oder nur schwer sieht: Aus der Erde werden Knochenres­te, Pollen, verkohltes Holz oder noch erhaltene Stoffreste gesiebt und mit naturwisse­nschaftlic­hen Methoden untersucht. Diese Funde offenbaren viel über das Leben der damaligen Zeit: So konnte belegt werden, dass bereits in mykenische­r Zeit auf Ägina Wein angebaut wurde.

Die Salzburger Archäologe­n konzentrie­ren sich aber nicht nur auf die Entdeckung, Interpreta­tion und Dokumentat­ion neuer Funde. Sie kümmern sich auch um die fachgerech­te Restaurier­ung der schon freigelegt­en Mauern und um die Wissensver­mittlung. So gibt es auf Kap Kolonna ein Museum sowie mehrsprach­ige Schautafel­n für die Besucher.

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