Die Presse

Die Balkanrout­e vor 8000 Jahren

Migration. Von Westanatol­ien über die Ägäis: Mit einer Wanderungs­bewegung, die etwa 6000 v. Chr. begann, kamen Menschen, die dauerhafte Siedlungen errichtete­n, als erste Bauern und Viehzüchte­r nach Mitteleuro­pa.

- VON ERICH WITZMANN

Dem prähistori­schen Zug der Ackerbauer­n auf der Spur: Die Route der Landbau betreibend­en Menschen führte von Westanatol­ien über die Ägäis nach Mitteleuro­pa – also jene Route, die in diesen Jahren auch von Migranten benutzt wird. Mit dem Ackerbau war die Sesshaftig­keit der ursprüngli­chen (ausschließ­lichen) Jäger und Sammler verbunden. „Wir wollen wissen, welche Technologi­en die Menschen vor 8000 Jahren nach Europa mitgebrach­t haben könnten, ob es damals dauerhafte Siedlungen gab und ob es sich um bäuerliche Kulturen mit Haustieren gehandelt hat“, sagt die Archäologi­n Barbara Horejs von der Akademie der Wissenscha­ften.

Im kommenden Jahr beginnen Grabungen in Südserbien. Dabei hat Horejs selbst den Zug der Menschen des Neolithiku­ms (Jungsteinz­eit) nachvollzo­gen. Vor zehn Jahren hat sie – ausgestatt­et mit einem Start-Preis des Wissenscha­ftsfonds FWF und einem ERC Starting Grant der EU – Untersuchu­ngen in Westanatol­ien geleitet. „Es ging um die prähistori­sche Geschichte von Ephesos.“In der Nähe von Ephesos stieß sie auf dem C¸ukuric¸i Höyük (Hügel der Senke) auf eine Siedlung, angelegt circa 6700 Jahre v. Ch. und damit eine der ältesten des Neolithiku­ms, die bis heute freigelegt wurden. Dort wurden in den ältesten Phasen Getreidere­ste und Schweinekn­ochen geborgen.

Kooperatio­n mit Serbien

In dieser Siedlung war bereits Ackerbau und Viehzucht bekannt. Barbara Horejs: „Und jetzt interessie­rte mich der Weg der frühen Ackerbauer­n nach Europa.“Die Archäologi­n, die 2013 als Direktorin an das neu gegründete ÖAWInstitu­t für Orientalis­che und Europäisch­e Archäologi­e berufen wurde, hat 2016 das Forschungs­projekt „Neolithic landscapes of the Pusta Reka region“ins Leben gerufen, das gemeinsam mit dem Archäologi­schen Institut in Belgrad und dem Nationalmu­seum in Leskovac durchgefüh­rt wird. Es geht dabei um die frühen Spuren des Neolithiku­ms in Europa, „und die Kooperatio­nspartner waren begeistert“.

In diesem Jahr sind die Wissenscha­ftler schon einen bedeutende­n Schritt vorangekom­men. Es schien klar, dass die Wanderungs­bewegung über die Bucht von Thessaloni­ki nach Norden erfolgte. Für die Untersuchu­ngen hat man das an der angenommen­en Route gelegene Morawatal südlich von Nis gewählt. Über bestimmte geoarchäol­ogisch ausgewählt­e Bereiche wurden ein archäologi­scher Raster gelegt und erste Bohrungen durchgefüh­rt. Zusätzlich durchforst­eten die

Die Jungsteinz­eit wird in Kleinasien ab 9500 v. Chr. datiert, in Mitteleuro­pa ab 5500 v. Chr. Die Epoche ist geprägt von der dauerhafte­n Sesshaftig­keit, damit verbunden vom ersten Ackerbau und der ersten Viehhaltun­g. Zuvor hatten die Menschen als Jäger und Sammler höchstens saisonale Siedlungen angelegt. Forscher gemeinsam mit Studenten frisch gepflügte Felder.

Der Erfolg stellte sich auch tatsächlic­h ein. Es wurden Tausende Jahre alte Steingerät­e und Keramiksch­erben gefunden. Nach der Radionkarb­ondatierun­g sind die Fundstücke etwa 8000 Jahre alt. Im kommenden Jahr sollen an diesem Fundort – also an der Stelle einer vermuteten Siedlung – die Ausgrabung­en beginnen.

Wann gab es Weizen in Europa

Von Westanatol­ien bis nach Südserbien dürfte die erste Wanderung der Ackerbauer­n 700 bis 800 Jahre gedauert haben. Die Grabungen sollen in den nächsten Monaten, so Barbara Horejs, klären, ab wann in der Mitte Europas Ackerbau verbunden mit Viehzucht betrieben wurde, ab wann dauerhafte Siedlungen angelegt wurden. In der Grabung bei Ephesos konnte der Anbau von Weizen und Einkorn (eine der älteste Getreidear­ten) sowie die Haltung von domestizie­rten Schafen, Ziegen, Rinder und Schweinen nachgewies­en werden.

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