Subtiler Witz mit Tiefgang
Das Aphoristische, das eine kleine Form oft nahelegt, fehlt im Unterton von Davis’ Arbeiten. Da will uns niemand amüsieren, mit Pointen überrumpeln oder mit launigen Gleichnissen vom Richtigen überzeugen. Manche Texte der akklamierten amerikanischen Autorin haben subtilen Witz bis philosophischen Gehalt. Lebensweise schöpfen sie aus einem Mittelschichtsalltag, sofern es ihn noch gibt, wahr ist vieles, worauf sich Davis bezieht. Viele ihrer Geschichten ankern in einer Lebenswelt, die durchaus die unsere sein kann: das Aufschieben von Antworten so lange, bis es den Empfänger nicht mehr gibt; die Sorge um die Schilddrüse; Besuche beim Zahnarzt; Handwerker, die ins Haus kommen. Der Blick wechselt von innen nach außen, vom Ich zum Wir zur Außenwelt. Und retour.
Scharf gespannt ist der Bogen zwischen einem „Das Land ist sehr angenehm“bis zu einem „Am liebsten würde sie den Hund vergiften“. Davis braucht ein paar lockere Sätze, und ein ganzer Roman tut sich auf. Dieses Vermögen der Man-Booker-Preisträgerin, in einer Kleinform sprachlich Großes zu leisten, ringt der erzählenden Kollegenschaft (Jonathan Franzen, Dave Eggers) geradezu Verehrung ab. Zeitgenossen nennen sie stilbildend. Man kommt nicht umhin, diese Texte, nicht Lyrik, nicht klassische Prosa, als eigene Kategorie zu lesen. Darauf hat wohl auch Einfluss, dass Davis sich ebenso als hervorragende Übersetzerin einen Namen gemacht hat.
Die Beschäftigung mit Flauberts „Madame Bovary“und Prousts „Swanns Welt“war zugleich ein Ringen mit dem eigenen Schreiben, bekannte Davis, die länger in Paris gelebt hat (und heute bei New York wohnt). Nun ist ihr Übersetzer selbst ein Sprachmächtiger, Klaus Hoffer, der Autor des herausragenden Romans „Bei den Bieresch“. Ein Versierter im Übertragen (Kurt Vonnegut, Joseph Conrad), ein Ringender um den Text, den Satz, das Wort, den Laut.
Lydia Davis Samuel Johnson ist ungehalten Stories. 216 S., geb., € 22 (Droschl Verlag, Graz)
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