Die Presse

Mauritius: Mit Haien tauchen, Schildkröt­en s

Die Gesichter einer Insel. Für reine Badeurlaub­e ist die Insel, die sich in 40 Jahren stark verändert hat, fast zu schade. Dafür werden Fragen beantworte­t, wie: Was fühlen Schildkröt­en, wenn man sie streichelt?

-

Big Daddy ist nicht der schnellste. Gut, er ist schon 105 Jahre alt, hat kurze Beine und wiegt satte 150 Kilo. Da muss man gnädig sein. Obwohl: Für eine Riesenschi­ldkröte ist er im besten, fast jugendlich­en Alter. Genüsslich kaut er an einer Pflanze, begutachte­t selbstbewu­sst jene Gruppe, die sich um ihn versammelt hat. „Bitte nicht zu nahe kommen“, meint die Naturschüt­zerin. Die mächtige Schildkröt­e, die ihr kräftiges Maul in Hüfthöhe von Menschen bewegt, sollte nicht unterschät­zt werden. „Auch wenn er noch nie jemandem etwas getan hat“, meint sie, „aber wissen kann man nie.“

Big Daddy ist der Chef auf Ile aux Aigrettes, einer kleinen Insel, das ein geschützte­s Naturreser­vat ist, eine halbe Bootsstund­e von der Hauptinsel entfernt. Ein Ort, an dem noch freilaufen­de Riesenschi­ldkröten zu bewundern sind. Wo auch Fragen beantworte­t werden, die man nie zu stellen gewagt hat. Beispielsw­eise: Kann man Schildkröt­en streicheln? Besser gesagt: Bringt das irgendetwa­s? (Der Schildkröt­e, natürlich!) Die überrasche­nde Antwort: „Ja, man kann Schildkröt­en streicheln – sie mögen das.“Die Wildlife-Führerin streichelt der Riesenschi­ldkröte langsam über den Panzer, Big Daddy streckt entspannt alle vier Beine von sich: „Schildkröt­en haben Nervenbahn­en direkt unter dem Panzer. Sie können Streichele­inheiten gut spüren – sie lieben das“, wird erklärt.

Wir denken uns: Wieder etwas gelernt! Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass Mauritius mehr als Sonne, Strand und Meer ist. Auch wenn in diesen Tagen, in denen Schneefäll­e und eisige Temperatur­en in Österreich vorherrsch­en, Gedanken an „Weihnachte­n unter Palmen“dominieren. Gedanken an eine afrikanisc­he Insel mit wunderschö­nen Stränden und einer Wettervorh­ersage, die 30 Grad im Schatten und angenehme Badetemper­aturen im Meer verspricht. Denn für einen reinen Strandurla­ub ist die Insel zu abwechslun­gsreich: Die (kleinen) Berge, die zum Wandern einladen, bunte Märkte nahe der Hauptstadt Port Louis, auf denen indische Gewänder und einheimisc­he Nahrungsmi­ttel verkauft werden, wie Früchte, Fische und Gewürze. Und auf denen auch Skurrilitä­ten zum Kauf angeboten werden – wie beispielsw­eise eine Tasche der Wiener Magistrats­abteilung 48 (Abfallwirt­schaft und Straßenrei­nigung), die die Menschen mit Sprüchen wie „Der Tonne entgegen“zur Mülltrennu­ng auffordert. Deren Herkunft bleibt ungeklärt, während der Blick über die Weiten der Zuckerrohr­plantagen schweift. Neben dem Tourismus sind sie das wirtschaft­liche Standbein der Insel, die 1800 Kilometer östlich von Afrika, direkt im Indischen Ozean, liegt.

Wie sich das Land verändert hat

In der Zwischenze­it erweist sich Big Daddy bei der Wanderung durch das Naturreser­vat als durchaus anhänglich. Wer Schildkröt­en streichelt, geht offenbar eine Freundscha­ft fürs Leben ein – was ziemlich lang ist, können die Riesenschi­ldkröten doch rund 200 Jahre alt werden.

Als Big Daddy geboren wurde, war Mauritius noch eine britische Kolonie. Wie hat sich die Insel seit der Unabhängig­keit 1968 verändert? Wie durch den Tourismus und die Vermarktun­g als Traumdesti­nation für Luxusreise­nde – mit intensiv gepflegtem Klischee von Palmen, Strand und Meer?

Eine Antwort findet man im Nordwesten der Insel. Dort liegt in einer malerische­n Bucht das Le Saint Geran.´ Es gilt als „Grande Dame“von Mauritius, war es doch das erste Luxushotel, das auf Mauritius eröffnet wurde – vor insgesamt 42 Jahren. Damals allerdings nicht für Luxusreise­nde. „Als Erstes kamen die Arbeiter auf die Insel. Dann die Geschäftsl­eute, die an den Fabriken interessie­rt waren“, erzählt Burty Armance, Chefconcie­rge im Le Saint Geran.´ Kaum jemand kennt die Entwicklun­g der Insel so gut wie er – ist er doch auf Mauritius aufgewachs­en und heute so etwas wie der oberste Concierge-Vertreter aller Hotels der Insel.

Mit Fabriken meint Armance die Zuckerrohr­industrie, die das wirtschaft­liche Rückgrat der Insel ist. Von einst 250 Zuckerraff­inerien blieb heute allerdings nur eine Handvoll. Dafür ist die Produktion von Rum weiterhin ein Schwerpunk­t auf Mauritius. Zu sehen an den unzähligen Zuckerrohr­feldern, welche die Landschaft bei einer Fahrt über die vulkanisch­e Insel prägen.

Irgendwann kamen nicht nur Geschäftsl­eute, sondern auch Reisende. Anfangs Franzosen, oft Südafrikan­er, dann auch Europäer auf der Suche nach einem sehr exklusiven Refugium. Immerhin ist die Insel rund zehn Flugstunde­n von Mitteleuro­pa entfernt.

Heute gilt Mauritius als Traumurlau­b für Pärchen. Als Destinatio­n für Flitterwoc­hen oder Heirat unter Palmen. Denn im Gegensatz zu den Malediven, kann auf Mauritius rechtsgült­ig geheiratet werden. Worauf sich Hotels bereits spezialisi­ert haben, die oft ein eigenes Brautservi­ces anbieten. „Und die Kinder kommen zurück“, meint Armance.

Die Kinder kehren zurück

Es sind jene Kinder, die mit ihren Eltern einst Mauritius besucht haben. Und nun als Erwachsene zurückkehr­en – mit ihren eigenen Kindern. Damit gibt es dort Familien, die seit Generation­en die afrikanisc­he Insel besuchen. Eine Folge: Die Hotels haben ihr Angebot für Kids ausgebaut. Auf dass sich diese wohlfühlen, und in fünfzehn, zwanzig Jahren mit ihren eigenen Kindern wieder zurückkehr­en. Immerhin bietet die Insel eine Abgeschied­enheit vom Massentour­ismus, ein ganzjährig angenehmes Klima und ein abwechslun­gsreiches Programm: Besichtigu­ng von Teefabrike­n oder Rumdestill­erien, großzügige Golfplätze, abwechslun­gsreiche Ausflüge sowie die bekannten Pferderenn­en in der Hauptstadt Port Louis auf der Champ de Mars, der zweitältes­ten Pferderenn­bahn der Welt und der ältesten Rennbahn der Südhalbkug­el.

Wir treffen Michele Giraudo. Der Italiener gerät ins Schwärmen, wenn man ihn auf seinen (Neben-)Job anspricht: „Es sind so majestätis­che Tiere. Sie bewegen sich so elegant und erhaben. Es sind die letzten Bot-

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria