Hyggelig wohnen in der Kaserne
Wohngeschichte. Wie leben Architekten? Anna Obwegeser und Alexander Diem wohnen mit ihren Kindern seit drei Jahren im Arsenal im 3. Bezirk – und lassen sich davon auch beruflich inspirieren.
An die Raumhöhe muss man sich gewöhnen“, meint Obwegeser mit Blick hinauf auf rund 4,20 Meter. „Dabei ist das nur die abgehängte Decke“, ergänzt Diem. „Was da noch ist, wissen wir ja gar nicht.“Vor drei Jahren zogen die beiden Architekten von einer verwinkelten Altbauwohnung im sechsten ins Arsenal in den dritten Bezirk, „weil wir für die Kinder eine grünere Umgebung suchten“. Diese haben sie gefunden. Das 1848–56 erbaute Arsenal – es sollte mit anderen „Defensivkasernen“die Staatsmacht im Fall revolutionärer Erhebungen absichern – liegt, nahe dem Schweizer Garten, als weitere Grünoase zwischen Hauptbahnhof, Südosttangente und Ghegastraße.
Vom „Pentagon“. . .
Die ursprünglich 72 Backsteingebäude wurden, aus Wettbewerbsideen von Architekten wie Theophil Hansen, August Sicard von Sicardsburg oder Eduard van der Nüll, im romantischen Historismus gebaut. Neuere Gebäude und Nutzungen (etwa Dekorationswerkstätten der Bundestheater, Post- und Richtfunkturm) sorgen für das spezielle Flair im ehemaligen „Pentagon“.
Wie kleine italienische Festungen wirken die alten Objekte heute noch, durch ein großes Tor betritt man den begrünten Innenhof. Von dort erschließt sich das Haus über Stiege und Lift, die Gänge sind breit und zu beiden Seiten – auch zu den Wohnungen hin – mit großen halbrunden Fenster ausgestattet. In der Wohnung fällt der Blick sofort auf die andere Seite, auf die (noch) wienuntypisch höchst moderne Skyline aus Hauptbahnhof, Sonnwendviertel und Quartier Belvedere – ein toller Gegensatz aus Alt und Neu, „der natürlich auch auf die Arbeit inspirierend wirkt“, so Diem.
Eine Kleinkindschaukel aus Filz hängt im Türrahmen zwischen Diele und Wohnzimmer, es folgen Schlafzimmer mit kleinem „Skriptorium“– „an dem Tischchen be- schäftige ich mich kalligrafisch mit Schopenhauer, das ist wie Meditation“, so Diem, am Ende des kleinen Gangs liegt das Reich von Matilda, fünf, und Carl, zweieinhalb Jahre alt. Die Küche mit Fenster zum Gang, Bad und WC vervollständigen den L-förmigen Grundriss der 120-m2-Mietwohnung.
. . . zur Schutzburg
„Es ist einfach, aber wenn man von einem Bauprojekt kommt, fühlt man sich nicht fehl am Platz. Es ist für mich einer der wenigen Orte, an denen man Luft zum Atmen hat und dennoch Geborgenheit spürt“, so Diem. Fürchten sich die Kinder einmal, „sagen wir ihnen, wir wohnen in einer Burg, und um neun sperrt Hans, der Hausmeister, das Tor zu“. Trotzdem könnte die Zeit für eine selbst geplante Wohnung oder ein Haus auch einmal kommen – „weil wir als Vorarlberger und Architekten ja quasi doppelt vorbelastet sind“. An Projekten, in die zu ziehen man durchaus Lust bekommt, mangelt es nicht, etwa die Villa am See oder das Beachhouse in den Wiener Weinbergen. An Vorarlberg erinnern die Friseursessel aus dem Salon Gisinger in Götzis, den Obwegesers Großvater betrieben hat, und die nun restauriert am Wohnzimmertisch stehen. Dieser ehemalige Bürotisch stammt aus einer Zeit, als für Bildschirme noch eine gewisse Tiefe einkalkuliert werden musste – er ist fast quadratisch. Die Vertiefungen auf der Seite waren für CD-Hüllen gedacht. Eine kleine (Fach-)Bibliothek, ein Kindertischchen, Sitzecke, Hängesessel und viel Platz finden sich ebenfalls im Wohnraum, an
– 688 Meter lang, 480 Meter breit mit turmartigen Kasernen und niedrigen Depottrakten, einer Militärvolksschule, Artilleriezeugfabrik, der Kirche Maria vom Siege und Wiens erstem Museumsbau (Heeresgeschichtliches Museum) – wurde 1848 von Franz Joseph I. in Auftrag gegeben, um gegen künftige Aufstände der Arbeiter gerüstet zu sein.
sind in Wien als Architekten tätig. www.alexdiem.com, www.und-ob.at den Wänden Bilder und zahlreiche Kinderzeichnungen. „Wir mussten uns daran gewöhnen, Bilder nicht nur auf Augenhöhe anzubringen“, erzählt Obwegeser. „Das hat lang gedauert, bis wir sie schön verteilt haben.“
Nachteile hat der Wohnort auch – kleine. Denn obwohl der neue Hauptbahnhof quasi vor der Tür liegt – Carl weiß schon ganz genau, wie ICE, Railjet oder City Shuttle aussehen –, sind Anbindung und Infrastruktur „so eine Sache: Der kleine Greißler in Objekt 1 kann gar nicht so viel anbieten, wie wir brauchen“, scherzt Obwegeser. Zum Einkaufen geht es daher mit dem Rad zu einem der nicht ganz fußläufigen Supermärkte. Schließlich ist Zeit – mit Familie und Job – ein hohes Gut, von dem es meist zu wenig gibt. „Man muss auf das reagieren, was es gerade zu tun gibt, flexibel bleiben“, meint Obwegeser zur beruflichen Situation mit kleinen Kindern. Aber es lohne sich. „Wenn man merkt, die Leute bleiben gern in ihrem neuen Zuhause, kann man davon ausgehen, dass es gut geworden ist.“