„Den Nutzen nicht aus den Augen verlieren“
Digitalisierung. Auch die Immobranche sieht sich mit einem Umbruch konfrontiert. Vieles ist aber mehr Schein als Sein, meinen die Experten.
Der digitale Wandel hat zweifellos längst auch den Immobiliensektor erfasst. Dabei verändern digitale Innovationen ein breites Spektrum an Prozessen – angefangen bei der Planung und Entwicklung über die Errichtung bis hin zum Betrieb von Immobilien. Die Zahl der meist von Start-ups und Proptech-Unternehmen entwickelten Lösungen, die Effizienzsteigerungen versprechen, ist groß. Ein nachhaltiger Nutzen ist damit allerdings nicht immer verbunden, wie kürzlich auch beim zehnten InternationalFacility-Management-Kongress an der TU Wien zu erfahren war.
Vieles nur Getöse
„Man wird derzeit geradezu bombardiert mit digitalen Technologien“, kritisierte Bernd Hanke, Leitung Anlagentechnik bei der Deutschen Bahn DB Station & Service AG im Rahmen einer Podiumsdiskussion zu den Themen Internet der Dinge, künstliche Intelligenz sowie Development und Betrieb von Immobilien. Dabei gelte es, den Nutzen nicht aus den Augen zu verlieren – und zwar nicht nur den wirtschaftlichen. „Viele Innovationen sind sensationell“, sagt auch Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Man müsse sich aber darüber klar werden, was es dem Kunde bringe: „Nicht alles, was technisch möglich ist, braucht man wirklich.“
Nachhaltigen Nutzen digitaler Lösungen sieht Gleissner vor allem in der Kommunikation zwischen Vermietern und Mietern oder bei der Dokumentation und Steuerung der Haustechnik. Wobei einem solchen allerdings die Kosten gegenübergestellt werden müssten. „Im Idealfall helfen technische Innovationen, die Kosten zu senken.“Als Beispiele erwähnte er etwa sensorbasierte Systeme für Doppelböden, mit denen sich eventuelle Wasserschäden überwachen ließen. Andere Anwendungen hingegen hält er für problematisch. Dazu zählt er bei- spielsweise Tools, die dafür sorgen, dass sich Türen etwa im Falle von Mietrückständen nicht mehr aufsperren lassen.
Geteilte Meinungen zu BIM
Vom Building Information Modeling (BIM), das Simulationen in der Planungsphase bis hin zur Berechnung der laufenden Kosten möglich macht, zeigen sich nicht alle Experten restlos überzeugt – wie im Übrigen auch einige Player in der Immobilienbranche. „BIM hat sicherlich seine Meriten. Wir haben es aber noch nicht geschafft, kostenmäßige Vorteile zu sehen“, sagt Gleissner. In die gleiche Kerbe schlägt Claus Stadler, Geschäftsführer der UBM Development AG. „Welchen Mehrwert BIM bringen soll, hat mir noch keiner erklären können“, meint er.
Anderer Meinung ist man offensichtlich bei der DB Station & Sicherheit, wo schon länger mit BIM gearbeitet wird. Das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, das rund 5400 deutsche Bahnhöfe betreibt und die kommerzielle Nutzung von rund einer Million Quadratmetern Mietfläche in rund 800 Empfangsgebäuden verantwortet, setzt stark auf innovative Technologien. „Der Wettbewerb geht auch an der Deutschen Bahn nicht vorbei“, sagt Hanke zur Notwendigkeit, sich gegen Mitbewerber durchzusetzen. So unterstützt die Deutsche Bahn etwa barrierefreies Reisen. Dank einer Bahnhofs-Live-App könnten die Kunden sehen, welche Aufzüge funktionieren. „Das geht nur mit neuen Technologien wie der Sensortechnik und dem Internet der Dinge“, erklärt der Experte.
Vom Einsatz der Sensortechnik verspricht sich auch Gleissner einiges – etwa in den Bereichen Sicherheit und Wartung. „Immobilien haben den Nachteil, dass sie sich nicht bewegen und teuer sind“, sagt der Experte. Sensortechnik sei dagegen spottbillig – vor allem im Vergleich dazu, was daraus generierbar sei. Ähnlich sieht es Stadler. Wobei er gleich- zeitig betont, dass etwa Wartungsaufgaben nach wie vor bei menschlichen Fachkräften besser aufgehoben seien. Die neuen Technologien sieht er in diesem Bereich lediglich als Unterstützung. Als Beispiel nennt er Facebook-Gruppen von Hausgemeinschaften, die notwendige Wartungsarbeiten in diesem Medium diskutieren und publik machen.
Problematik Datenschutz
Hindernisse für den digitalen Wandel beziehungsweise den Einsatz digitaler Technologien in der Immobilienwirtschaft sehen Experten an einigen Fronten – etwa was Datenschutz- und Sicherheitsüberlegungen betrifft. Stadler zählt dazu auch die mangelnde Akzeptanz unter den eigenen Mitarbeitern, die etwa zur Verfügung gestellte Geräte nicht in dem Ausmaß nutzen, wie dies eigentlich vorgesehen sei. „Wichtig sind in diesem Zusammenhang Schulungen, um aufzuzeigen, was mit bestimmten Tools alles möglich ist.“