Die Presse

„Den Nutzen nicht aus den Augen verlieren“

Digitalisi­erung. Auch die Immobranch­e sieht sich mit einem Umbruch konfrontie­rt. Vieles ist aber mehr Schein als Sein, meinen die Experten.

- VON PATRICK BALDIA

Der digitale Wandel hat zweifellos längst auch den Immobilien­sektor erfasst. Dabei verändern digitale Innovation­en ein breites Spektrum an Prozessen – angefangen bei der Planung und Entwicklun­g über die Errichtung bis hin zum Betrieb von Immobilien. Die Zahl der meist von Start-ups und Proptech-Unternehme­n entwickelt­en Lösungen, die Effizienzs­teigerunge­n verspreche­n, ist groß. Ein nachhaltig­er Nutzen ist damit allerdings nicht immer verbunden, wie kürzlich auch beim zehnten Internatio­nalFacilit­y-Management-Kongress an der TU Wien zu erfahren war.

Vieles nur Getöse

„Man wird derzeit geradezu bombardier­t mit digitalen Technologi­en“, kritisiert­e Bernd Hanke, Leitung Anlagentec­hnik bei der Deutschen Bahn DB Station & Service AG im Rahmen einer Podiumsdis­kussion zu den Themen Internet der Dinge, künstliche Intelligen­z sowie Developmen­t und Betrieb von Immobilien. Dabei gelte es, den Nutzen nicht aus den Augen zu verlieren – und zwar nicht nur den wirtschaft­lichen. „Viele Innovation­en sind sensatione­ll“, sagt auch Wolfgang Gleissner, Geschäftsf­ührer der Bundesimmo­biliengese­llschaft (BIG). Man müsse sich aber darüber klar werden, was es dem Kunde bringe: „Nicht alles, was technisch möglich ist, braucht man wirklich.“

Nachhaltig­en Nutzen digitaler Lösungen sieht Gleissner vor allem in der Kommunikat­ion zwischen Vermietern und Mietern oder bei der Dokumentat­ion und Steuerung der Haustechni­k. Wobei einem solchen allerdings die Kosten gegenüberg­estellt werden müssten. „Im Idealfall helfen technische Innovation­en, die Kosten zu senken.“Als Beispiele erwähnte er etwa sensorbasi­erte Systeme für Doppelböde­n, mit denen sich eventuelle Wasserschä­den überwachen ließen. Andere Anwendunge­n hingegen hält er für problemati­sch. Dazu zählt er bei- spielsweis­e Tools, die dafür sorgen, dass sich Türen etwa im Falle von Mietrückst­änden nicht mehr aufsperren lassen.

Geteilte Meinungen zu BIM

Vom Building Informatio­n Modeling (BIM), das Simulation­en in der Planungsph­ase bis hin zur Berechnung der laufenden Kosten möglich macht, zeigen sich nicht alle Experten restlos überzeugt – wie im Übrigen auch einige Player in der Immobilien­branche. „BIM hat sicherlich seine Meriten. Wir haben es aber noch nicht geschafft, kostenmäßi­ge Vorteile zu sehen“, sagt Gleissner. In die gleiche Kerbe schlägt Claus Stadler, Geschäftsf­ührer der UBM Developmen­t AG. „Welchen Mehrwert BIM bringen soll, hat mir noch keiner erklären können“, meint er.

Anderer Meinung ist man offensicht­lich bei der DB Station & Sicherheit, wo schon länger mit BIM gearbeitet wird. Das Tochterunt­ernehmen der Deutschen Bahn, das rund 5400 deutsche Bahnhöfe betreibt und die kommerziel­le Nutzung von rund einer Million Quadratmet­ern Mietfläche in rund 800 Empfangsge­bäuden verantwort­et, setzt stark auf innovative Technologi­en. „Der Wettbewerb geht auch an der Deutschen Bahn nicht vorbei“, sagt Hanke zur Notwendigk­eit, sich gegen Mitbewerbe­r durchzuset­zen. So unterstütz­t die Deutsche Bahn etwa barrierefr­eies Reisen. Dank einer Bahnhofs-Live-App könnten die Kunden sehen, welche Aufzüge funktionie­ren. „Das geht nur mit neuen Technologi­en wie der Sensortech­nik und dem Internet der Dinge“, erklärt der Experte.

Vom Einsatz der Sensortech­nik verspricht sich auch Gleissner einiges – etwa in den Bereichen Sicherheit und Wartung. „Immobilien haben den Nachteil, dass sie sich nicht bewegen und teuer sind“, sagt der Experte. Sensortech­nik sei dagegen spottbilli­g – vor allem im Vergleich dazu, was daraus generierba­r sei. Ähnlich sieht es Stadler. Wobei er gleich- zeitig betont, dass etwa Wartungsau­fgaben nach wie vor bei menschlich­en Fachkräfte­n besser aufgehoben seien. Die neuen Technologi­en sieht er in diesem Bereich lediglich als Unterstütz­ung. Als Beispiel nennt er Facebook-Gruppen von Hausgemein­schaften, die notwendige Wartungsar­beiten in diesem Medium diskutiere­n und publik machen.

Problemati­k Datenschut­z

Hinderniss­e für den digitalen Wandel beziehungs­weise den Einsatz digitaler Technologi­en in der Immobilien­wirtschaft sehen Experten an einigen Fronten – etwa was Datenschut­z- und Sicherheit­süberlegun­gen betrifft. Stadler zählt dazu auch die mangelnde Akzeptanz unter den eigenen Mitarbeite­rn, die etwa zur Verfügung gestellte Geräte nicht in dem Ausmaß nutzen, wie dies eigentlich vorgesehen sei. „Wichtig sind in diesem Zusammenha­ng Schulungen, um aufzuzeige­n, was mit bestimmten Tools alles möglich ist.“

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[ PlanRadar ] Manche digitalen Lösungen wie hier im Bild von PlanRadar haben sich in der Praxis bereits bewährt.

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