Wie zieht man einen Schlussstrich?
Reflektieren. Viele tun es. Oder würde es gern tun: Bilanz ziehen, wenn sich das Jahr seinem Ende zuneigt. Und dann den Resetknopf drücken. Bloß: So einfach funktioniert das nicht.
Mitte Dezember wird es ruhig in Österreichs Büros. Die Umsätze sind eingefahren, das Geschäftsjahr abgehakt. Und das Karrierejahr?
Jetzt ist Reflektieren angesagt. Was lief gut, was schlecht? Was nagt noch? Und was will man im nächsten Jahr besser machen?
Wer auf einer Kreuzung steht, hat obendrein Entscheidungen zu treffen: Welchen Weg nimmt man in Zukunft?
Mit solchen Fragen hat Management-Coach Gabriele Riedl nicht nur im Dezember zu tun. Sie empfiehlt, die Themen zu versachlichen und zu relativieren. Vergleichsweise einfach ist die Ist-Erhebung: Was lief gut, was nicht? Sie ist auch allein und im stillen Kämmerlein zu schaffen.
Der nächste Schritt ist schon kniffliger. Was beschäftigt mich? Und was will ich wirklich? Glücklich, wer sich hier dem Partner oder guten Freunden anvertrauen kann. Allen anderen empfiehlt Riedl den Gang zum Coach.
Sind die wahren Wünsche geklärt (die sich nicht jeder allein eingestehen kann), fragt die Coachin nach den Optionen: Welche gibt es überhaupt (neue Abteilung, neue Firma, neuer Beruf ), was bedeutet jede einzelne? Hier lässt sie Viermal war sie „Trainer of the Year“, heute leitet die Wirtschaftstrainerin, systemische Coachin und Organisationsentwicklerin die von ihr gegründete Unternehmensberatung Trilog, die 2015 ihre Zentrale von Wien nach Graz übersiedelte. nicht theoretisch rationalisieren, sondern alle Optionen im Kopf durchspielen: „Manchmal tun sich dabei neue auf, an die man noch gar nicht gedacht hat. Und diese sind noch viel spannender.“
Zucker fürs Gehirn
Nicht alle müssen am Jahresende große Entscheidungen fällen. Viele wollen bloß eines: Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Beim Reflektieren stellen sie fest, dass sie immer wieder in dieselben Fallen tappen. Sich neues Verhalten vornehmen, ist eine Sache, es durchziehen eine andere.
Hier kommt die Gehirnforschung ins Spiel. Je unvertrauter eine Handlung ist, desto mehr Energie – in Form von Zucker – benötigt das Gehirn dafür. Deswegen liebt es Gewohnheiten und bewährte Rituale so. 80 bis 90 Prozent unseres täglichen Tuns beständen aus solchen Gewohnheiten, sagt Riedl. Das Gehirn sträube sich, Neues zu tun, weil das anstrengend ist und viel Energie frisst.
Es gibt Abhilfe: Neues Verhalten gedanklich schon so fest einzuüben, dass es in der Realsituation kein Aufwand mehr ist. Das erklärt, warum der frühere Ansatz – nur das Zielbild vor dem geistigen Auge auszumalen – nicht viel brachte: Im Realfall kostete seine erstmalige Umsetzung zu viel Energie. Da blieb man doch lieber beim alten Verhalten.
Das ist der Grund, warum Marcel Hirscher mit geschlossenen Augen am Start steht und im Geist die ganze Strecke abfährt. Oder warum ein Flugkapitän am Simulator jede mögliche Situation Dutzende Male durchspielt: Damit sie im Echtfall automatisch abläuft. Übersetzt auf schlechte Gewohnheiten: Wer sie loswerden will, muss gute so lange üben, bis sie sitzen.
Seelenhygiene
Bleibt noch das Bewältigen jener Dinge aus dem alten Jahr, die so richtig schiefliefen. Nach außen überspielt sie der gewiefte Managementprofi, nach innen nagen sie – und blockieren. Auch hier weiß Riedl Rat: „Lektion lernen, auf einen Zettel schreiben und buchstäblich abhaken. Einen dicken Haken daruntersetzen. Oder den Zettel in den Kamin werfen.“
Solche Rundumreflexion hat noch einen Vorteil. In den meisten Firmen finden zu Beginn des neuen Jahres Mitarbeitergespräche statt. Hat man seine High- und Lowlights, seine Wünsche und Ziele schon durchgedacht, ist man bestens darauf vorbereitet.