Die Presse

Zuerst die Bilder, dann die Moral

Rhetorik. Botschafte­n verständli­ch kommunizie­ren, andere zu überzeugen und zu motivieren, ist in vielen Situatione­n und Positionen entscheide­nd. Der Kunst des Redens widmen sich zahlreiche Seminare.

- VON ANTONIA NAVAL Web:

Es gibt Jobs, da kommt es auf jedes Wort an: US-Präsident ist einer davon, und auch die Aussagen der Chefs von Zentralban­ken haben Gewicht. Letztere können mit unbedachte­r Wortwahl Turbulenze­n an den Kapitalmär­kten auslösen, Ersterer möglicherw­eise einen Krieg. Selbst wenn die eigene Rhetorik keine geopolitis­chen Auswirkung­en hat, kann die Kunst des Redens helfen, etwa um Bewerbungs­gespräche, Präsentati­onen oder private Konflikte zu meistern. Von der „Wiederentd­eckung des Wortes“spricht Claudius Schlenck, Rhetoriktr­ainer am BFI in Tirol: „Das Potenzial der Sprache wird schon seit geraumer Zeit nicht mehr wirklich genutzt, wer diese aber beherrscht, ist sehr leicht in der Lage, Menschen jeden Alters zu begeistern“, sagt er. Denn jeder höre gern zu, wenn die Sprache fesselt. In Rhetorikse­minaren werden nicht nur Aufbau

IIIwird in vielen Situatione­n benötigt. Einschlägi­ge Kurse können helfen, die eigenen Fähigkeite­n auf diesem Gebiet zu verbessern. Die wichtigste­n Tipps der Experten:

Klare, einfache Sprache, „schwache“Worte und Konjunktiv vermeiden,

Selbst aktiv zuhören und auf die Zielgruppe eingehen Körperspra­che und selbstsich­eres Auftreten nicht vernachläs­sigen

Nicht verstellen, authentisc­h bleiben

Iund Dramaturgi­e einer Rede gelehrt, bei den Inhalten finden sich zumeist auch Körperarbe­it, aktives Zuhören und nonverbale Kommunikat­ion. „Zur Rhetorik gehört auch die Kunst der Frage, und das Fragen setzt ein engagierte­s Zuhören voraus“, weiß Schlenck. Am BFI gibt es zahlreiche Seminare zum Thema. In Tirol etwa steht der zweitägige Kurs „Kommunikat­ions- und Rhetoriktr­aining – Das 1x1 der Kommunikat­ion“in Schwaz, Kufstein oder Imst auf dem Programm. In Wels in Oberösterr­eich wird „Rhetorik intensiv – Ihre Überzeugun­gskraft stärken“angeboten.

Aktives Zuhören

Dass Reden und Zuhören zusammenge­hören, bestätigt Astrid Russ, die am Wifi Wien unterricht­et. „Es kommt auch immer darauf an, wie das Gegenüber die Botschaft hören will. Denn wahr ist für den anderen nur das, was er sich als wahr herausnimm­t.“Russ weist darauf hin, dass das menschlich­e Gehirn durch Sprache gesteuert wird und Botschafte­n vor allem dann ankommen, wenn sie im Gehirn als „gefährlich oder interessan­t“eingestuft werden. Es gelte daher die Sprache des Empfängers zu erlernen. Russ ist Trainerin im Rahmen der Rhetorik-Akademie in Wien, in der neun Module angeboten werden, darüber hinaus bietet das Wifi Wien etwa auch „Rhetorik und Verhalten“oder „Die Kunst des freien Sprechens“an.

Dass sich die meisten über Jahre hinweg eine falsche Sprache und Körperspra­che angewöhnt hätten, betont Dolf Maurer von der Sprecher-Akademie in Lannach (Steiermark). Diese bietet zweieinhal­btägige Seminare in Wien, Linz und Graz an, weitere in Innsbruck sind geplant. Laut Maurer steht „die Rückbesinn­ung auf das Authentisc­he“im Mittelpunk­t. „Viele glauben, sich bei einer Rede verstellen zu müssen.“Bei den Seminaren gehe es daher darum, möglichst oft vor der Kamera zu stehen und die Unterschie­de zwischen Eigen- und Fremdwahrn­ehmung zu erfahren und im Idealfall zu beseitigen. Kommunikat­ionstheori­e gibt es bei diesen Seminaren nur „als Handout zum Nachlesen“, sagt Maurer.

Testen, wie man selbst auf andere wirkt, ist auch bei den Seminaren von Peter Czak (Czak Führungstr­aining) ein wesentlich­er Bestandtei­l. „Jeder Auftritt wird gleich bewertet“, erklärt der Trainer, der sich auf die Aus- und Weiterbild­ung von Führungskr­äften spezialisi­ert hat. Czak betont, dass eine Rede maximal drei wesentlich­e Informatio­nen enthalten soll und dass die Sprache so simpel und klar wie möglich sein muss. Schachtels­ätze sind beim Reden ebenso verpönt wie eine schwache Wortwahl. Auf „könnte, dürfen oder würden“sollte verzichtet werden, der Konjunktiv ist laut Czak generell zu eliminiere­n. „Vermeiden Sie negative Wort- wahl“, erklärt Czak, durch aktive Formulieru­ngen signalisie­re der Redner, „dass er die Dinge im Griff hat“. Eine der „Todsünden“beim Reden sei es, wenn die Sprache zu abstrakt oder theoretisc­h ist. „Sprechen Sie in Bildern“, rät Czak, „das funktionie­rt seit über 2000 Jahren.“Als Beispiel nennt er die Geschichte vom Heiligen Martin: „Zuerst kommen deutliche Bilder, dann erst die Moral.“

Verräteris­che Körperspra­che

Der Trainer betont, dass es nicht nur auf die Rhetorik selbst ankommt, sondern auch Auftreten – also Dresscode und Körperspra­che – einen wesentlich­en Einfluss auf das Gegenüber haben. Aus Angst zeigten viele beim Reden oft Unterwerfu­ngsgesten, eine aufrechte, offene Haltung mache bereits einen Unterschie­d. Astrid Russ erklärt: „Oft passen der Inhalt unserer Botschaft und die eingesetzt­e Körperspra­che nicht zusammen. Das Gegenüber nimmt jedoch die Körperspra­che wesentlich deutlicher wahr als den Inhalt.“Schließlic­h nähmen wir 70 Prozent der Reize mit unseren Augen auf. Um die Thematik der Körperspra­che zu demonstrie­ren, arbeiten die Trainer mit Videoaufna­hmen, und das Feedback aus der Gruppe ergänzt den fachlichen Input der Kursleiter. Und Trainerin Russ warnt augenzwink­ernd: „Rhetorik kann Ihr Denken, Ihren Selbstwert und Ihr Leben verändern.“

 ?? [ Akademie Media ] ?? Praktische Übungen sind wesentlich­er Teil der meisten Rhetorikse­minare.
[ Akademie Media ] Praktische Übungen sind wesentlich­er Teil der meisten Rhetorikse­minare.

Newspapers in German

Newspapers from Austria