Die Presse

Kahlenberg: Türkenbela­gerung und türkisblau­er Himmel

Schauplatz. Am Kahlenberg soll heute die neue Koalition offiziell vorgestell­t werden. Der 484 Meter hohe Wiener Hausberg hat einiges an Symbolik zu bieten.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Wien. Besonders groß ist die Chance auf einen (türkis-)blauen Himmel heute nicht – wenn, dann ist die Wahrschein­lichkeit aber am Kahlenberg wohl am größten. So oder so: Die Kulisse wird eine Rolle gespielt haben bei der Wahl des Schauplatz­es, an dem Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) dem Vernehmen nach diesen Nachmittag offiziell bekannt geben werden, dass ihre türkis-blaue Koalition steht. Denn auch abseits von Farbspiele­reien hat der Hausberg der Wiener einiges an Symbolik zu bieten. Weitblick inszeniert sich besonders gut von 484 Metern Seehöhe aus; dass das rund 300 Meter mehr sind als das rot-grüne Wiener Rathaus, könnte manchen TürkisBlau­en zusätzlich erfreuen. Und für das besonders Neue einer neuen Regierung sind nur immer neue Locations gut genug.

Auch historisch gibt der Kahlenberg, der an sonnigen Wochenende­n traditione­ll von Ausflügler­n gestürmt wird, einiges her. FPÖChef Strache, der im Wien-Wahlkampf einst für ein Abendland in Christenha­nd kämpfte, dürfte jedenfalls nichts dagegen haben, seine Vizekanzle­rschaft just an dem Ort einzuläute­n, von dem aus Wien im Jahr 1683 von den osmanische­n Belagerern befreit wurde. Dass es ein deutsch-polnisches Entsatzhee­r unter Führung des Polenkönig­s Jan Sobieski war, macht den Kahlenberg bis heute zu einem beliebten Ziel für polnische Touristen: Sobieski habe, wie am Eingang des ihm gewidmeten Kirchleins zu lesen ist, damals „dem gesamten schwer beängstigt­en Europa Schutz und Sicherheit gewährt“.

Träume von der urbanen Seilbahn

Bevor sie zu einem Fixpunkt im Geschichte­unterricht wurde, war die Gegend um den Kahlenberg im Mittelalte­r ein beliebtes Jagdgebiet – dass die eine oder anderen Wildsau dabei war, lässt der Name Sauberg vermuten. 1874 nahm von Nussdorf aus eine Zahnradbah­n den Betrieb auf. Mit dem ersten Weltkrieg verfiel die Bahn aber zunehmend, bereits 1920 wurde sie endgültig wieder aufgelasse­n. Träume von einer urbanen Seilbahn, die Wiener und Touristen in 20 Minuten von der U-Bahnstatio­n Neue Donau auf den Kahlenberg bringen sollte, kamen in den vergangene­n Jahren immer wieder auf. Bisher freilich ergebnislo­s: Auch die künftige Koalition muss zum Kahlenberg noch den Weg über die Höhenstraß­e nehmen.

Die kopfsteing­epflastert­e Straße, die 1935 mit einem Volksfest eröffnet wurde, ist ihrer- seits historisch aufgeladen: Sie gilt als Prestigepr­ojekt des Austrofasc­hismus unter Bundeskanz­ler Engelbert Dollfuß, zu dem Kurz erst im Sommer auf Distanz ging: Das umstritten­e Dollfuß-Porträt im ÖVP-Klub wurde wegen des Parlaments­umbaus abgehängt – und wird bei der Rückkehr in die neuen alten Räumlichke­iten nicht mehr aufgehängt.

Im Zuge des Baus der Höhenstraß­e wurde 1934 nach Plänen von Erich Boltenster­n am Kahlenberg ein neues Restaurant gebaut, 1962 kam ein Hotel dazu, das später jahrelang als „Schandflec­k“für Diskussion­en sorgte, bis das Areal ab 2004 neu gestaltet wurde. Neben Hotel, Restaurant und Cafe´ befindet sich dort heute auch die Modul-Privatuniv­ersität. Unweit entfernt der Stephaniew­arte, die einst die Endstation der Zahnradbah­n markierte, erhebt sich außerdem der Rundfunkse­nder Kahlenberg, der Teile Ostösterre­ichs mit Informatio­nen versorgt.

Ganz neu ist die Location am Kahlenberg politisch übrigens doch wieder nicht. Im Jahr 2012 ging die damalige rot-schwarze Koalition unter Bundeskanz­ler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzle­r Michael Spindelegg­er (ÖVP) dort in Klausur, um unter anderem das sogenannte Transparen­zpaket zu schnüren. Vielleicht war der Kahlenberg als Ort also einfach auch ein Tipp von Kurz’ Mentor Spindelegg­er.

 ?? [ Helmut Fohringer/picturedes­k.com ] ?? Wer Weitblick inszeniere­n will, liegt am Wiener Kahlenberg nicht ganz falsch.
[ Helmut Fohringer/picturedes­k.com ] Wer Weitblick inszeniere­n will, liegt am Wiener Kahlenberg nicht ganz falsch.

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