Quergeschrieben Anneliese Rohrer
Bilanz der schwarz-blauen Verhandlungen: Die Schmeichelei der FPÖ gegenüber kommt einer Selbstbeschädigung von Kurz gleich und enttäuscht seine Wähler.
So war’s ja eigentlich nicht gedacht, vor allem nicht in der „Neigungsgruppe Sebastian Kurz“unter den Wählern des 15. Oktober: Dass eine Partei mit 5,5 Prozentpunkten weniger an Stimmen seit Wochen als treibende Kraft in den schwarz-blauen Regierungsverhandlungen dasteht und am Ende als professioneller; dass die FPÖ den Wettlauf um das bessere Image gewinnt. In der ÖVP heißt es, das sei alles nur Taktik und ab Regierungsantritt werde man schon sehen, wer der Herr im (Koalitions-)Haus ist.
Völlig gleichgültig, was ab diesem Wochenende am Koalitionstisch liegen wird und wer um diesen herum gruppiert sein wird, der Befund der vergangenen sieben Wochen zeigt – ohne Spekulation – folgende Fakten:
Heinz-Christian Strache hat über Wochen den Verhandlungsführer gegeben. Wenn die ÖVP nun ausstreut, das sei alles Absicht gewesen, um Strache „leben“zu lassen, kann es mit dem angeblich genialen Marketing von Kurz & Friends nicht so weit her sein. Der Eindruck hat sich verfestigt, man höre sich nur unter KurzFans in der Wählerschaft um.
Eine spätere Korrektur würde dem Koalitionspartner bedeuten: Wir haben euch hinters Licht geführt! Keine besonders gedeihliche Basis für die Zusammenarbeit. Oder man lässt ihn so stehen, dann haben die starken Ansagen im Wahlkampf die Wähler getäuscht.
Die FPÖ hat ihre Verhandlungserfolge frühzeitig und dauerhaft medial vermarktet. Alles Taktik der Kurz-Crew, nicht wahr? Es waren aber jene Themen – von der Wiedereinführung der Schulnoten bis zum Aus fürs Raucherverbot –, die ob ihrer leichten Verständlichkeit die meiste Aufmerksamkeit erhalten haben.
Weshalb sich der Eindruck, die Blauen hätten bei Weitem mehr Energie als die Schwarzen, weiter verstärkt hat. Dazu kommt noch, dass von den versprochenen Leuchttürmen weit und breit nichts zu sehen war. Das schadet naturgemäß dem angeblich Ersten mit starkem Führungsanspruch mehr als dem Juniorpartner. Schließlich trommelte die FPÖ schlauerweise seit Wochen ihre ganz konkreten personellen Vorstellungen. In der ÖVP änderten sich die personellen Konstellationen noch in den letzten Tagen beinahe stündlich. Sollte das alles Taktik sein, dann eine ungeschickte.
Es verfestigte sich auch hier das Image der Ratlosigkeit. Mit der Alleinentscheidungskraft von Kurz kann es offenkundig nicht so weit her sein wie immer propagiert; die Anziehungskraft zur Mitarbeit in seiner Koalition mit der FPÖ hielt sich offenbar in ganz engen Grenzen. Da passt es ins Bild, dass Kurz mit den EU-Agenden des Außenministeriums im Bundeskanzleramt eine Kehrtwendung in Richtung FPÖ bei der Flüchtlingspolitik der EU vollziehen will.
Auf der Basis des bekannten Verhandlungsverlaufs der vergangenen Wochen lassen sich mit freiem – und keinesfalls von Kritik getrübtem – Auge einige schwere Fehler des Wahlsiegers vom Oktober ausmachen. Er wird sie im Laufe der Regierungsarbeit ausmerzen müssen, oder die Punze „Fehlstart“wird bleiben.
Diese Fehler können in einer Kombination von Unerfahrenheit, Überheblichkeit und Unkenntnis entstanden sein. Der erste passierte bei der personellen Zusammensetzung des Verhandlungsteams, bei dem auf erfahrene Verhandler in den ÖVP-Reihen verzichtet wurde. Ob man nun den oppositionsgestählten blauen Verhandlern nicht gewachsen war oder nicht, ist gleich. Das Signal war falsch.
Der zweite bezieht sich auf das Wahlversprechen schlechthin: Zeit für Neues. In keiner Phase der Gespräche wurde die Neugier darauf geweckt. Es überwog der alte Kuhhandel. Der dritte Fehler war, den FPÖ-Begriff von Heimatschutz zu tolerieren. Unkenntnis der Geschichte wäre schlimm, noch ärger aber absichtliche Duldung. Die Bilanz besteht also aus einer Summe von falschen Signalen pro FPÖ. Das ist wirklich neu. Nur, ÖVPWähler haben das so kaum gemeint.