Asyl dank Recht auf Bildung?
Junge Afghaninnen. Verfassungsgerichtshof hebt negative Asylentscheidungen über Familie aus Afghanistan auf: Gericht habe fehlende Bildungsmöglichkeiten für die Töchter außer Acht gelassen.
Der Verfassungsgerichtshof hebt negative Asylentscheidungen über Familie aus Afghanistan auf: Das Gericht habe fehlende Bildungsmöglichkeiten für die Töchter außer Acht gelassen.
Wien. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) verlangt größere Sorgfalt beim Umgang mit Asylanträgen von Afghanen. Das Höchstgericht hat fünf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben, mit denen einer afghanischen Familie mit drei Töchtern der Asylstatus verweigert worden war. Der Gerichtshof bemängelt daran, dass sich das Gericht nicht mit der fehlenden Bildungsmöglichkeit für die Kinder in ihrer Heimatprovinz auseinandergesetzt habe. Ob gleichsam ein Recht auf Bildung der Familie zum Asyl verhelfen wird, ist allerdings noch offen.
Die Eltern kamen mit den Mädchen im Alter von sechs bis zwölf Jahren nach Österreich und suchten um Asyl an. Sie gaben an, in ihrer Heimat von den Taliban bedroht worden zu sein; außerdem wolle ein Cousin des Vaters die Töchter verheiraten oder für andere Zwecke verkaufen. Vor allem aber hätten sie das Land deshalb verlassen, weil ihre Töchter dort nicht in die Schule gehen könnten. „Meine Töchter haben in Afghanistan keine Zukunft“, sagte die Mutter bei der Erstbefragung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Nur „subsidiärer Schutz“
Das Amt lehnte jedoch Asyl für alle fünf ab. Statt dessen gestand es ihnen „subsidiären Schutz“zu; er kommt Flüchtlingen zugute, die wegen einer allgemein gefährlichen Lage in ihrer Heimat (z. B. Bürgerkrieg) nicht dorthin zurückkehren können. Anders als der Asylstatus, der nach drei Jahren überprüft und dann unbefristet zuerkannt wird, gibt es den subsidiären Schutz nur befristet zunächst für ein Jahr und dann für jeweils zwei Jahre. Ein Unterschied besteht auch beim Familiennachzug: Bei Asylberechtigten ist er sofort möglich, bei subsidiär Schutz- berechtigten erst nach drei Jahren. – Zurück zur Familie aus Afghanistan: Die fünf beschwerten sich beim Bundesverwaltungsgericht. Auch dieses hielt die Asylanträge für unberechtigt: Der Vater hätte die Bedrohungen nicht nachvollziehbar beschrieben, die Mutter lege keine derart „westlich orientierte“Lebensweise an den Tag, dass sie sich von Frauen unterscheide, die in Afghanistan lebten, und dort deshalb gefährdet wäre. Und die Kinder hätten gar keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Für den VfGH hat das Gericht damit den konkreten Sachverhalt und den Akteninhalt außer Acht gelassen und damit willkürlich – also verfassungswidrig – entschieden. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Eltern übereinstimmend und in allen Befragungen darüber geklagt hätten, dass die Töchter in ihrer Herkunftsregion einen Zugang zu schulischer Bildung hätten. Wenn das Gericht sich darauf stützte, dass laut Staatendokumentation Afghanistan „eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung – auch für Mädchen“sei, dann übersehe es, dass nach Angaben des Flüchtlingshochkommissariats der UNO Mädchen beim Schulzugang in einzelnen Regionen noch immer massiv benachteiligt wären.
Der VfGH sieht darin sehr wohl mögliche eigene und asylrelevante Fluchtgründe der Kinder. Dass sich das Verwaltungsgericht nicht damit auseinandergesetzt hat, belastet die abschlägigen Entscheidungen über die Asylanträge der Mädchen mit Willkür (E 2528–2532/2017). Dieser Mangel schlägt kraft Gesetzes auf die Entscheidungen über die Eltern durch, weshalb auch diese aufzuheben waren. Das Gericht muss jetzt nochmals entscheiden – und sich wohl mit der Frage auseinandersetzen, wie es um einen Schulbesuch der Mädchen in ihrer Heimatprovinz stünde.