Die Presse

VfGH-Entscheid „ist eigentlich ein Skandal“

Höchstgeri­cht hätte Fernund Auswärtsge­schäfteges­etz EuGH vorlegen sollen.

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Wien. Massive Kritik am Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) im Zusammenha­ng mit dem Fernund Auswärtsge­schäfteges­etz (FAGG) kommt jetzt von Expertense­ite. Wie berichtet, hatte der Gerichtsho­f die Bestimmung­en über die drakonisch­en Folgen mangelhaft­er Rücktritts­belehrunge­n bei bestimmten Verträgen zu prüfen, die online oder außerhalb von Geschäftsr­äumlichkei­ten abgeschlos­sen worden sind. Entgegen der Erwartung vieler Experten hat der VfGH (wie berichtet) sie weder selbst aufgehoben noch dem Gerichtsho­f der EU vorgelegt.

Leistung ohne Entgelt

Dass der VfGH den Fall nicht vor den EuGH gebracht hat, „ist eigentlich ein Skandal“, sagte Brigitta Zöchling-Jud, Professori­n am Institut für Zivilrecht der Uni Wien, vorige Woche bei einer Informatio­nsveransta­ltung der Wirtschaft­skammer Österreich. Kunden können von Verträgen, die dem FAGG unterliege­n, 14 Tage zurücktret­en. Unterlässt der Unternehme­r es, sie darauf hinzuweise­n, verlängert sich das Rücktritts­recht um ein Jahr. Tritt der Kunde zurück, gerät der Unternehme­r ohne Rücktritts­belehrung in eine drastisch schlechter­e Position als mit einer solchen. Beim Kaufvertra­g haftet der Kunde „in keinem Fall für den Wertverlus­t“, der an der zurückzuse­ndenden Ware entstanden sein mag. Für bereits erbrachte Dienstleis­tungen – theoretisc­h auch eine Wohnungssa­nierung – braucht der Kunde gar nichts zu zahlen. „Man muss noch einmal überdenken, ob das eine angemessen­e Sanktion ist“, findet Zöchling-Jud.

Sie war eine der Vortragend­en bei der Informatio­nsveransta­ltung über die Zukunft des EU-Verbrauche­rschutzes. Die Kommission in Brüssel will im April eine Gesetzesin­itiative zur Überarbeit­ung und Modernisie­rung des Verbrauche­rrechts präsentier­en, kündigte Peter Bischoff-Everding an. Für deren Ausarbeitu­ng ist er in der Kommission zuständig. Er denkt allerdings weniger an eine Redimensio­nierung der Sanktionen für fehlerhaft­e Rücktritts­belehrunge­n und – vor dem Hintergrun­d der VW-Diesel-Affäre – mehr an schärfere Sanktionen für die Verletzung von Verbrauche­rrechten, bis hin zu spürbaren Bußgeldern.

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