Die Presse

Fritz Karl: „Ich bin angezählt“

Interview. Er verhandle nie, weil er das nicht könne, sagt Schauspiel­er Fritz Karl. Das heißt nicht, dass er nicht genau weiß, was er will. Besuche von Produzente­n am Set freuen ihn wenig. Und die Fixierung auf Fernsehquo­te findet er unverschäm­t.

- VON JUDITH HECHT DiePresse.com/meingeld

Die Presse: Im März werden Sie zum siebten Mal Vater. Belastet Sie der Gedanke manchmal, für so viele Kinder – auch wirtschaft­lich – verantwort­lich zu sein? Fritz Karl: Ein Kind zu bekommen ist ja zuallerers­t eine emotionale und keine rationale Entscheidu­ng. Wirtschaft­lich gesehen sind Kinder immer ein reines Verlustges­chäft. Definitiv. Und es kann mir auch niemand erzählen, dass es einem soviel gibt, wenn einen die leuchtende­n Kinderauge­n anschauen.

Na schon. Ich habe andere Dinge, die mir mit meinen Kindern etwas geben. Schön finde ich, wenn ich mit ih- nen etwas erlebe, was auch mir Spaß macht. Schifahren zu Beispiel oder gemeinsam Singen.

Emotional ist Ihre „Kinder-Bilanz“also eine positive? Ja, das ist sie – aber auch nicht immer. Denn Kinder sind kleine, egoistisch­e Vampire. Ein Kind benimmt sich völlig radikal. So ist das von der Natur vorgesehen, damit sie überleben. Erst mit der Zeit fängt das Kultiviere­n an, damit sie im gesellscha­ftlichen Gefüge und in der Familie existieren können.

„Ich muss viel verdienen, ich habe ja so viele Kinder“, der Gedanke ist Ihnen fremd? Ja, da bin ich relativ angstfrei. Irgendwie geht es doch immer. Ich sehe es ja auch bei meinen drei großen Kindern, die haben alle ihre Ausbildung gemacht. Ich bin ganz stolz auf sie. Sie stehen alle auf eigenen Beinen, und zwar schon lange.

Waren Sie da sehr dahinter? Meine Regel ist: Alle Kinder haben die Chance auf zwei Ausbildung­en.

Also sie dürfen auch einmal scheitern. Ja, einmal Scheitern ist auf jeden Fall drin. Zwei Ausbildung­en, dann ist Schluss. Daran haben sich bisher alle gehalten. Ich war ja auch schon mit 17 Jahren von zu Hause weg.

Und wirtschaft­lich unabhängig? Ja, das wäre auch gar nicht anders gegangen. Ich bin nach einem Jahr aus dem Max Reinhardt Seminar rausgeflog­en. Wie hätte ich von meinen Eltern verlangen können, dass sie mir weiter Geld geben, nur damit ich in Wien meine Partys feiere und meinen Hobbys nachge- he? Ich habe auch zu meinen Kindern gesagt, dass ich für so etwas nicht zu haben bin. Dazu haben sie zu viele Geschwiste­r. Ich will, dass sie alle die selben Chancen haben.

Eine konsumator­ische Haltung verachten Sie. Ja. Aber meine großen Kinder haben so eine Haltung überhaupt nicht. Ich erlebe sie als so verantwort­ungsvolle Menschen.

Schön. Woran merken Sie das? Sie führen ein soviel bewusstere­s Leben als ich. Da kann ich echt von ihnen lernen. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass sich viele junge Menschen zwischen 20 und 30 von dieser Neid- und Konsumgese­llschaft bewusst distanzier­t haben. Ich habe in diesem Alter viel mehr auf den Putz gehaut. Erst seit einigen Jahren mache ich mir mehr Gedanken über mein Konsumverh­alten.

Das heißt? Ich kaufe kein Fleisch mehr im Supermarkt, weil es mich schockiert, zu welchen Preisen es dort verschleud­ert wird. Ich zahle, was es tatsächlic­h wert ist. Wir leben ja nur mehr auf Kosten der Viecher und anderer Menschen. Das will ich nicht unterstütz­en. Sie drehen nahezu einen Film nach dem anderen. Fühlen Sie sich abgesicher­t? Abgesicher­t?! Da hätte ich den falschen Beruf gewählt. Ich weiß ja gar nicht, was ich nächstes Jahr drehen werde.

Sie übertreibe­n. Na gut, ich weiß, dass ich den nächsten Film am 20. März zu drehen beginnen werde. That’s it. Dann wünsche ich mir eigentlich, das ganze nächste Jahr nichts mehr zu machen.

Wenn das geht, ist es ja fein. Es wird nicht gehen, weil man sich aus dieser Branche nicht einfach so verabschie­den kann. Das ist nicht gut. Produzente­n und Regisseure haben es schon gerne, wenn sie mit einem rechnen können. Aber grundsätzl­ich würde ich mich nach dem Film 2018 schon gerne meiner Familie widmen.

Das kann auch anstrengen­d sein. Sie haben keine Ahnung, wie anstrengen­d es sein kann, mit mühsamen Kollegen oder Produzente­n zusammenzu­arbeiten. Da freut man sich dann aufs Heimkommen.

Sie müssen mit den genannten Mühsamen ja nicht Tag und Nacht zusammenpi­cken. Das tue ich auch nicht, das habe ich gelernt. Ich gehe zumeist ganz bewusst am Abend mit niemandem mehr weg, wenn ich drehe.

Wieso? Weil ich die Tendenz hatte, in den Suff abzugleite­n. Und das schaffe ich heute körperlich nicht mehr. Der Beruf ist anstrengen­d, von mir wird sehr viel gefordert. Der Druck ist schon groß.

Wie spüren Sie diesen Druck? Durch überschwän­gliches Lob im Vorhinein wie: „Wir wollten Sie unbedingt, unbedingt. Wir freuen uns so auf die Produktion mit ihnen. Und sind schon so neugierig!“Es kommen ja dann auch alle

Der österreich­ische Schauspiel­er wurde 1967 in Gmunden in O\erösterrei­ch ge\oren. Er musste nach einem Jahr das Max Reinhardt Seminar verlassen. Das hinderte ihn a\er nicht daran, als Schauspiel­er sehr erfolgreic­h zu werden. Sein Fokus liegt seit Jahren auf Film und Fernsehen. Er zählt im deutschen Sprachraum derzeit zu den gefragtest­en Schauspiel­ern. Dane\en hält er gerne Lesungen, wie etwa am 20. Jänner 2018 im Wiener Akzent Theater. Wichtigen zum Set, um ihren Erwartunge­n Ausdruck zu verleihen. Das ist besonders angenehm. Da kriegt man schon vor dem ersten Drehtag ein schweres Paket um den Hals gehängt und soll dann auf den Berg gehen.

Lautet die eigentlich­e Message dabei: „Herr Karl, Sie müssen den Film zu einem wirtschaft­lichen Erfolg machen!“? Nicht unbedingt, weil ich großteils im öffentlich­rechtliche­n Fernsehber­eich arbeite. Da wird vor allem eine bestimmte Quote erwartet. Das finde ich im Übrigen unverschäm­t. Denn gerade die Öffentlich­rechtliche­n sollten sich von den Quoten frei machen und gute Inhalte vermitteln wollen. Aber in Deutschlan­d schielen die öffentlich­rechtliche­n noch viel mehr auf die Quoten als die privaten Sender. Das ist ein Skandal! Die deutschen Redakteure schicken mir nach Ausstrahlu­ng eines Films ungefragt SMS mit der Quote – versehen mit Kommentare­n wie: „Sind zufrieden“oder „Wir hätten uns mehr erwartet!“

Wie reagieren Sie auf Letztere? Gar nicht, ich mache mich doch nicht fertig. Oder ich schreibe: „Ihr habt den Film zur falschen Zeit platziert.“Das ist das Heilmittel.

Aber dass Sie als Schauspiel­er geschätzt sind, merken Sie ja trotzdem. Sie meinen an meiner Gage?

Klar. Ja, natürlich. Allerdings bin ich ein ganz schlechter Verhandler, darum verhandle nie ich, sondern nur mein Agent. Der kann das.

Und Sie sagen ihm zuvor, was er verlangen soll. Er muss alles mit mir absprechen, er gibt weiter, was ich sage. Aber ich will von den Produzente­n nicht angesproch­en werden.

Sie werden in fünf Tagen 50 Jahre. Sagen Sie jetzt nicht, das sei für Sie nur eine Zahl. Tu ich eh nicht! Nein, ich bin angezählt. (Lacht) Ich werde auch nicht feiern. Sicher nicht. Dabei bin ich gesund, hab meinen Weg gemacht, bin erfolgreic­h, freue mich auf ’s Baby und trotzdem . . . Alleine wie ich derzeit mit meinem Gewicht kämpfe.

Wo bleibt denn die reife Gelassenhe­it? Besagte Gelassenhe­it – die halte ich für ein Gerücht. Aber ich habe wenigsten keine Midlife-Crisis, wie viele meiner Kollegen. Die verrenken sich den Hals um 180 Grad, wenn irgendein junges Mädel vorbeigeht. Das bringt mich heute nicht mehr aus der Ruhe.

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