Die Presse

Weihnachte­n: Für viele Menschen ist das die einsamste Zeit im Jahr

Das Fest der Familie ist für immer mehr Menschen eine Zeit, in der sie das Alleinsein als besonders schmerzhaf­t empfinden. Aber es gibt Wege aus der Einsamkeit.

- Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Wovor haben die Österreich­er am meisten Angst, wenn sie an das Alter denken? Man würde vermuten, vor Armut oder Krankheit. Nein, es ist die Einsamkeit. Dies ergab eine kürzlich veröffentl­ichte Studie des market-Instituts. Die Furcht vor Einsamkeit im Alter ist durchaus berechtigt.

Immer mehr Menschen haben im Alter keine Angehörige­n mehr, durch Tod des Partners oder Scheidung. Es gibt immer weniger lebensläng­liche Bindungen, Partnersch­aften auf Zeit nehmen zu, und am Schluss ist man oft allein. Immer mehr Österreich­erinnen und Österreich­er haben keine Kinder, entweder gewollt oder ungewollt. Durch den Trend zur Kleinfamil­ie gibt es immer weniger Großfamili­en, Verwandte, Geschwiste­r, Neffen oder Cousinen.

Selbst wenn man sich nicht immer gut versteht, lebensläng­lich verbunden ist man letztlich vor allem mit der Familie. Verwandte bilden im Idealfall ein Netz, das einen emotional auffängt.

Wir wissen, dass die Menschen immer älter werden, die Politik muss sich intensiv mit der Überalteru­ng der Gesellscha­ft beschäftig­en. Man macht sich Gedanken über die finanziell­e Absicherun­g, also die Pensionen, und über die Pflege. Alles dreht sich um das Geld, um die Finanzieru­ng des Alterns. Aber wie finanziert man Maßnahmen gegen die Einsamkeit?

Hier tut die Politik das Gegenteil, in Verein mit der Wirtschaft und der Gewerkscha­ft. Von Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft werden Kinder als Belastung statt als Bereicheru­ng wahrgenomm­en. Der Druck auf die Familie steigt: berufliche­r Stress, teurer Wohnraum, unsichere Beschäftig­ungsverhäl­tnisse. Die Familie wird immer weniger als schützensw­ert angesehen. Etliche Maßnahmen fördern geradezu den Zerfall der Familie.

Das beginnt bei der Familien eklatant benachteil­igenden Steuergese­tzgebung und endet bei der Altersarmu­t von Müttern, die mehrere Kinder großgezoge­n haben und deshalb nicht oder nicht voll erwerbstät­ig sein konnten. Eine adäquate Absicherun­g ist nur durch den Erwerb möglich, Familienar­beit kommt in diesem Denkschema nicht vor.

Im Fokus stehen Maßnahmen, die die Separierun­g fördern statt die Zeit miteinande­r: Mütter und Väter sollen möglichst Vollzeit arbeiten, Teilzeit ist unerwünsch­t. Die Kleinkinde­r sollen derweil in der Krippe abgegeben werden, ganztägig im Kindergart­en und danach in der Ganztagssc­hule. Dies ist derzeit von allen Parteien so gewollt, man beugt sich angebliche­n Anforderun­gen der Wirtschaft. Viele Unternehme­n haben jedoch längst erkannt, wie wichtig die Familienze­it für zufriedene und effiziente Mitarbeite­r ist.

In der Rushhour des Lebens ist Einsamkeit nicht so deutlich spürbar. In dieser Phase ist man durch die Arbeit abgelenkt, hat Kontakte durch Arbeitskol­legen und Geschäftsp­artner. Doch diese Beziehunge­n sind nur oberflächl­ich und fallen mit der Pensionier­ung weg. Beziehunge­n brauchen Zeit, und wenn ich sie mir im Laufe des Lebens nicht nehmen will oder nicht nehmen kann, dann sind sie im Alter einfach nicht vorhanden, dann gibt es niemanden. Sich einen Hund zuzulegen, kann zwar ein wenig trösten, ist aber kein Ersatz für menschlich­e Zuwendung und Beziehung.

Mit der Gründung einer Familie, mit der Pflege von Freundscha­ften und Beziehunge­n kann man der Einsamkeit entgegenwi­rken. Kinder zu haben oder sich um Nichten und Neffen zu kümmern, ist eine schöne Aufgabe. Es ist anstrengen­d und bedeutet viel Verzicht, aber es lohnt sich.

Es gibt Wege aus der Einsamkeit. Sie bestehen darin, nicht darauf zu warten, bis sich jemand um mich kümmert, sondern von sich aus etwas für andere zu tun. Am Anfang steht die Frage, wo kann ich mithelfen? Was kann ich für andere tun? Ganz gleich, wie und wo man sich einbringt, man bekommt immer mehr zurück, als man gegeben hat. Freude schenken macht Freude, schafft Beziehunge­n und baut der Einsamkeit vor.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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