Die Presse

„Zwischen zwei Leben“: Kuschelnd durch die Wildnis

Kate Winslet und Idris Elba überleben einen Flugzeugab­sturz allzu schadlos.

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Im klassische­n Abenteuerf­ilm sah sich der Held in der Wildnis niemals mit einer ernsthafte­n Gefahr konfrontie­rt. War er in der westlichen Zivilisati­on aufgewachs­en und zudem weiß, männlich, gebildet und kräftig, waren alle Hinderniss­e unverzügli­ch überwunden. In „Zwischen zwei Leben“erfüllt der Held diese Voraussetz­ungen – bis auf eine: Er ist dunkelhäut­ig. Dass ihm eine selbstbewu­sste Frau als gleichbere­chtigte Mitstreite­rin und Geliebte in spe zur Seite steht, markiert einen weiteren Bruch mit rassistisc­h-sexistisch­en Stereotype­n. Dafür gebührt dem Palästinen­ser Hany Abu-Assad („Paradise Now“), der mit „Zwischen zwei Leben“seinen ersten HollywoodF­ilm gedreht hat, durchaus Anerkennun­g. Darüber hinaus gibt sein Überlebens­drama aber nur wenig her.

Alex (exaltiert: Kate Winslet) und Ben (introverti­ert: Idris Elba) kennen sich erst flüchtig, als sie in den Jet eines lokalen Privatpilo­ten steigen, weil ihr Airline-Flug wegen Sturmwarnu­ng gestrichen wurde. Nachdem der Pilot inmitten von Turbulenze­n einen Herzinfark­t erlitten hat, finden sich die beiden Passagiere in einer schneebede­ckten Gebirgslan­dschaft wieder. Beim gemeinsame­n Stapfen durch das endlos anmutende Flockenmee­r schmelzen ihre Berührungs­ängste dahin, und sie entwickeln Gefühle füreinande­r – was sich ganz von selbst ergibt, wenn man kuscheln muss, um nicht zu erfrieren.

Die Botschaft, dass sich Menschen aufgrund von Hunger, Durst und Isolation nicht zwangsläuf­ig in Mörder oder Kannibalen verwandeln müssen, ist erfrischen­d philanthro­pisch. Allerdings schauen die beiden Hauptfigur­en niemals lädiert genug aus. Der physische Realismus fällt zu moderat aus. Dass die Charaktere nicht im Ansatz wahnsinnig oder apathisch werden, grenzt wiederum an Verbrämung. Im Rückblick könnte auch alles nur ein etwas rauerer Kennenlern-Survival-Trip gewesen sein. (m. t.)

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