Es weihnachtet sehr, so lasst uns doch ein paar Christen töten . . .
Warum die sexuelle Behelligung von Frauen die Welt zu Recht empört, die Verfolgung von Millionen Christen hingegen auf kühle Empathielosigkeit stößt.
Immer, wenn Weihnachten dräut, erinnern sich Medien, Kirchenleute und der eine oder andere Politiker daran, dass weltweit die Christen eine stark verfolgte Minderheit darstellen. Ein Hinweis, der stimmungsmäßig irgendwie gut zu den christlichen Festtagen zu passen scheint, keinerlei Konsequenzen in der Wirklichkeit hat und spätestens mit dem Beginn des neuen Jahres verweht ist wie die guten Vorsätze der Silvesternacht. Bis zum nächsten Jahr dann.
Das wird auch heuer wieder so sein. Als aktueller Anknüpfungspunkt empfiehlt sich etwa jenes kleine Selbstmordattentat fanatischer Muslime in einer Kirche der pakistanischen Stadt Quetta bei einem Gottesdienst eine Woche vor Weihnachten, mit fünf Toten und 21 zum Teil schwer Verletzten, darunter vor allem Frauen und Kinder. Den meisten westlichen Medien war das höchstens eine Notiz wert – Pakistan ist eben weit weg, und fünf Tote definieren in Zeiten wie diesen halt einen eher überschaubaren Terroranschlag.
Trotzdem ist immer wieder verblüffend, wie sehr die Öffentlichkeit jener Gegenden des Planeten, wo Kirchen und Weihnachtsmetten Teil der Mehrheitskultur sind, den globalen Krieg gegen die Christen nonchalant ignoriert, wenn nicht gar verdrängt. Das wahre Ausmaß der Katastrophe hat jüngst der neue österreichische Bundeskanzler, Sebastian Kurz, auf Twitter beschrieben: „Über 100 Millionen Christen werden weltweit diskriminiert, bedroht und verfolgt. Wir müssen entschieden gegen Christenverfolgung vorgehen, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten.“
Das Leid reicht von schweren Diskriminierungen im Alltag bis zum gewaltsamen Tod, wie ihn etwa 25 Kopten jüngst in Kairo während eines Gottesdienstes erleiden mussten. Warum aber beschäftigt dieses gewaltige Gebirge an Leid von Christen das noch immer irgendwie christlich geprägte Europa so wenig?
Während die völlig zu Recht anzuprangernde sexuelle Behelligung von Frauen zu einer weltweiten Empörungskampagne geführt hat oder die Verfol- gung der muslimischen Rohynga in Burma in den westlichen Medien für fette Schlagzeilen gesorgt hat und sorgt, wird das Elend von hundert Millionen Christen mit kühler Empathielosigkeit referiert. Keine herzerweichenden Fotos verzweifelter Mütter, die ihre Kinder in die Kameras halten, keine anklagenden Toten, die es irgendwo angespült hat, keine jener emotionalen Bilder, die bei Ausbruch der Migrationskrise tagtäglich für willkommenkulturelle Stimmung sorgten.
Vielleicht verdrängt der Westen das Leid der Christen nicht, obwohl es um verfolgte Christen geht, sondern, weil es um Christen geht. Das klingt unlogisch, ist es aber bei näherer Betrachtung gar nicht.
„Es handelt sich mehrheitlich um Muslime, die Christen verfolgen“, hat jüngst der Publizist Alexander Kissler im Berliner Magazin „Cicero“diagnostiziert. Das ist ein Faktum, das angesichts der Zuwanderungswelle aus der muslimischen Welt nach Europa, vor allem natürlich nach Deutschland, Österreich und Schweden, einigermaßen heikel ist.
Wer diesen evidenten Kausalzusammenhang öffentlich erörtert und Konsequenzen daraus fordert, sieht sich rasch dem Vorwurf ausgesetzt, islamophob oder gar ein Rassist zu sein. Denn das von den politischen und medialen Betreibern der Grenzöffnung für Menschen aus der islamischen Welt lang verteidigte Narrativ von der „Religion des Friedens“, von der keinerlei Gefahr ausgehe, wird natürlich etwas fragwürdig, wenn die Herkunftsländer dieser Migrationswelle gleichzeitig Epizentren der Christenverfolgung sind.
Irgendwie spießt sich das, und zwar ganz ordentlich. Gerade in jenem Milieu, das nicht müde wird, die Folgen der Massenzuwanderung aus der muslimischen Welt in einem eher günstigen Licht zu sehen, ist die schlichte Verdrängung dieser Zusammenhänge eine verständliche, aber nicht sehr redliche Reaktion. In diesem Sinne: Frohes Fest!