Katalonien bleibt gespalten
Regionalwahl. Das Votum sollte über die Unabhängigkeitsbestrebungen entscheiden. Es zeichnete sich ein Kopfan-Kopf-Rennen ab.
Madrid. Spaniens Konfliktregion Katalonien hat ein neues Parlament gewählt. Es ging um mehr als die Zusammensetzung der Regionalregierung, das Votum entschied auch über die Zukunft der Unabhängigkeitsbestrebungen. Die Prognosen gingen am Donnerstagabend von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den separatistischen und den prospanischen Kräften aus. Allerdings müssen die Separatisten, die bis Oktober in der Region regiert haben und die Unabhängigkeit Kataloniens durchsetzen wollen, mit leichten Stimmverlusten rechnen. Das spanienfreundliche Lager durfte dagegen mit Zugewinnen rechnen.
Nach den Wahlprognosen und ersten Trends zu schließen, bleibt Katalonien in zwei große politische Lager gespalten. Die Unabhängigkeitsbefürworter und die Gegner einer Abtrennung von Spanien stehen sich weiterhin verfeindet gegenüber. Der Wahlkampf war mit harten Bandagen geführt wor- den, und das vergiftete Klima macht eine Lösung im Autonomiekonflikt nicht leichter.
Die Separatisten können wohl nicht für sich in Anspruch nehmen, für die große Mehrheit der Katalanen zu sprechen, wie sie dies bisher unverblümt getan haben. Die Wahlprognosen deuten darauf hin, dass die Unterstützung für die Sezessionisten eher sinkt. Und dass sie vermutlich weniger als die Hälfte des katalanischen Volkes hinter sich haben. Ihr Plan, von der gezielten Konfrontation mit dem spanischen Staat zu profitieren, scheint somit nicht aufzugehen.
Schwierige Regierungsbildung
Eine Regierungsbildung im zerrissenen Katalonien dürfte schwierig werden. Zumal sowohl der separatistische als auch der prospanische Parteienblock keineswegs geeint, sondern über den künftigen Kurs zerstritten sind. Ein langes Ringen um einen neuen mehrheitsfähigen Ministerpräsidenten zeichnet sich ab. Ein Tauziehen, bei dem auch die kleine linksalternative Protestpartei Catalunya en Comu´ (Katalonien gemeinsam), die zwischen beiden Lagern steht und für eine blockübergreifende Regierung eintritt, das Zünglein an der Waage sein könnte.
Selbst wenn die Separatisten, wie sich abzeichnet, mehr Parlamentssitze als die Prospanier erobern sollten, werden sie nicht so rasch eine neue Regierung formieren können. Denn ihre ins Parlament gewählten Anführer, die wegen der Separatismuspolitik mit der Justiz in Konflikt geraten sind, werden ihr Mandat vorerst nicht ausüben können: Der Chef von Esquerra Republicana (Republikanische Linke), Oriol Junqueras, befindet sich in U-Haft. Ex-Ministerpräsident Carles Puigdemont, Kopf von Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien), ist auf der Flucht und wartet im Brüsseler Exil das weitere Procedere ab.
Ein Wunder darf sich von dieser Neuwahl niemand erwarten: Die Katalonien-Krise wird sich nicht plötzlich in Luft auflösen. Egal, wer künftig regiert, alle Seiten werden versuchen müssen, Brücken zu schlagen, wenn sie den bisherigen Grabenkrieg überwinden wollen. Angesichts der Bedeutung dieser Wahl, die von der Unabhängigkeitsbe- wegung als indirektes Referendum über die Abspaltung der Region angesehen wurde, war die Wahlbeteiligung außergewöhnlich hoch. Vor vielen Wahllokalen hatten sich bereits am Donnerstagmorgen lange Schlangen gebildet. Eine Rekordbeteiligung von rund 80 Prozent zeichnete sich ab. Weitere Infos: www.diepresse.com/Katalonien-Wahl