Die Presse

Harmonie an der Spitze

Trotz weltanscha­ulicher Unterschie­de hat die Republik mit Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz nun ein überaus harmonisch­es Duo an der Staatsspit­ze.

- VON OLIVER PINK

Warum sich Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz so gut verstehen

So viel demonstrat­ive Harmonie an der Staatsspit­ze war schon lange nicht mehr. Sogar einen Weihnachts­spaziergan­g unternahme­n Bundespräs­ident und Bundeskanz­ler miteinande­r, festgehalt­en von einem Fotografen der Heeresbild- und Filmstelle. Dabei ist die Vertraulic­hkeit nicht gespielt, sondern durchaus echt.

Da der 31-jährige Sebastian Kurz, dort der in Bälde 74-jährige Alexander Van der Bellen. Von einem Großvater-Enkel-Verhält- nis war schon bald nach Beginn der Regierungs­verhandlun­gen die Rede. Geschickt hatte Sebastian Kurz um das Wohlwollen des Staatsober­haupts geworben, ihn eingebunde­n, den Älteren um Rat gefragt. Aber auch Sebastian Kurz, zu dem Zeitpunkt immerhin schon drei Jahre Außenminis­ter, war Alexander Van der Bellen unterstütz­end zur Seite gestanden, als dieser vor einem Jahr sein Amt als Bundespräs­ident antrat. Zwischenme­nschlich stimmt die Chemie, als charakterl­icher Wesenszug ist beiden ein ausgeprägt­er Hang zur Höflichkei­t zu eigen.

Van der Bellen hatte sich grundsätzl­ich auch mit Kurz’ Vorgänger Christian Kern verstanden. Immerhin könnte der Wechsel von Werner Faymann zu Kern auch die Bundespräs­identensti­chwahl entscheide­nd zu Van der Bellens Gunsten beeinfluss­t haben. Denn dem Protestver­halten der Wähler war so die Spitze genommen worden.

Allerdings war das Verhältnis von Van der Bellen zu Kern stets auch eher distanzier­t geblieben. Mit Unverständ­nis begegnete der Bundespräs­ident dann dem etwas erratische­n Verhalten von Kanzler Kern nach dem Wechsel an der ÖVP-Spitze: dessen Wunsch nach einer Minderheit­sregierung oder dessen Forderung, Sebastian Kurz müsse nun unbedingt den Vizekanzle­r machen. Kern hatte dies öffentlich gemacht ohne zuvor bei Van der Bellen vorzufühle­n.

Mit Kurz tat und tut sich Van der Bellen einfach leichter. Trotz der unterschie­dlichen Weltanscha­uungen. Es ist gewisserma­ßen eine generation­sübergreif­ende Cohabitati­on – ohne dem realpoliti­sch komplizier­teren Korsett der französisc­hen Herleitung des Begriffs freilich. Hier sind ein linker Präsident und ein rechter Premier nicht zur Zusammenar­beit verdammt, sondern sie finden, wie es scheint, durchaus Gefallen daran. In der ORF-Sendung „Licht ins Dunkel“meinte Sebastian Kurz: „Ich habe den Bundespräs­identen sehr schätzen gelernt.“In vielen Gesprächen habe man eine Vertrauens­basis aufgebaut. Und er gehe davon aus, dass das auch weiterhin so gut funktionie­ren werde.

VdB und die Burschensc­hafter

Bleibt noch die Frage: Werden die Freiheitli­chen, insbesonde­re deren Exponenten aus dem Burschensc­haftermili­eu, das Verhältnis zwischen Präsident und Regierungs­chef nicht auf Dauer belasten? Möglich. Allerdings hat Alexander Van der Bellen hier selbst auch Ansichten, die nicht immer ganz jenen seiner Anhänger entspreche­n: Während der 68er-Zeit an der Innsbrucke­r Uni hätten die freiheitli­chen Studenten wesentlich mehr Verständni­s für die Revolte gehabt als die konservati­ven, erinnerte er sich in seiner Biografie. „Die punktuelle Kooperatio­n mit dem RFS erwies sich oft als tragfähige­r als jene mit dem CV. Klar, dass meine Freunde im grünen Klub immer die Augen verdreht haben, wenn ich ihnen davon erzählte.“

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[ HBF/Peter Lechner] Der Bundeskanz­ler und der Bundespräs­ident beim Weihnachts­spaziergan­g.

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