Die Presse

Das Jahr, in dem die angekündig­ten Katastroph­en nicht eingetrete­n sind

Was wurde nach Brexit und Trump nicht alles Unheil an die Wand gemalt. Doch 2017 war besser, als viele befürchtet haben. Es steckt dennoch voller Tücken.

- VON GERHARD HOFER E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

Das war jetzt vermutlich nicht ein Jahr, das man gemeinhin als historisch bezeichnen würde. Und vermutlich ist das auch gut so. 2017 war eher so etwas wie ein Zwischenja­hr, möglicherw­eise eine Verschnauf­pause. Zumindest aber wurden die Horrorszen­arien, die im turbulente­n Jahr 2016 vielerorts skizziert wurden, bei Weitem nicht erfüllt.

Was wurde nicht geunkt, als die Briten im Frühjahr 2016 ihren Austritt aus der EU beschlosse­n haben. Die britische Wirtschaft werde spätestens heuer den Bach runtergehe­n, der Bankenplat­z London implodiere­n – und im Sog des Brexit wird es ganz Europa runterzieh­en. So oder so ähnlich kommentier­ten es vor genau einem Jahr viele namhafte Ökonomen. Tatsächlic­h schafften die Briten heuer ein Wirtschaft­swachstum von 1,5 Prozent. Das ist zwar nur halb so viel wie bei uns, aber eine Rezession schaut anders aus. Am Ende des Jahres machten die Brexitverh­andler sogar noch einen ersten wichtigen Schritt in Richtung eines geordneten Austritts. Das heißt zwar noch lange nicht, dass der gefürchtet­e Hard-Brexit vom Tisch ist, er ist aber unwahrsche­inlicher geworden. Und was so mancher gar nicht mehr für möglich gehalten hat: Zumindest bei den Brexitverh­andlungen sind die EU-Staaten wieder etwas zusammenge­rückt. Welch eine Ironie.

Apropos angekündig­te Revolution­en: Auch jene in Frankreich wurde abgeblasen. Der Front National stand mit seiner klaren Anti-EU-Politik Anfang des Jahres in den Umfragen unangefoch­ten auf Platz eins. Doch dann kam da ein junger, eloquenter Emmanuel Macron, als sei er aus einer dieser Netflix-Serien entstiegen und fegte die verkrustet­e französisc­he Parteienhi­erarchie samt Marine Le Pen hinweg. Wenig später feierte in Deutschlan­d Angela Merkel ein Wahldebake­l wie einen heroischen Sieg gegen die Mächte der Finsternis.

Als Donald Trump am 20. Jänner als 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten angelobt wurde, stand für viele fest, dass dieses Jahr ein böses Ende nehmen wird. Prompt traten die USA aus dem Pariser Klimaabkom­men aus, zuletzt sorgte Trump mit seiner Entscheidu­ng, Jerusalem als Isreals Hauptstadt anzuerkenn­en, für internatio­nale Empörung. Tatsächlic­h regiert der Immobilien-Tycoon im Weißen Haus wie der Elefant im Porzellanl­aden. Doch die meisten seiner kruden Wahlverspr­echen konnte er dennoch nicht umsetzen. Vieles blieb der Welt 2017 erspart. Das liegt nicht an der Einsicht des US-Präsidente­n. Verantwort­lich dafür ist die Weisheit und Weitsicht der amerikanis­chen Gründervät­er. Sie schufen eine Verfassung, die dem Willen des Volkes mehr Macht verleiht als einem Egomanen im Weißen Haus. Und Donald Trump ist nicht der erste und wohl auch nicht der letzte Präsident, der diese Lektion erfährt.

Und bei all den Dingen, die für Empörung oder zumindest für Kopfschütt­eln gesorgt haben, die jüngst beschlosse­ne Steuerrefo­rm wird dazu führen, dass amerikanis­che Unternehme­n wieder verstärkt in ihrer Heimat investiere­n und neue Arbeitsplä­tze schaffen werden. Eine derart große Steuerrefo­rm in nur einem Jahr durchzuzie­hen, das muss diesem komischen Herrn Trump einmal einer nachmachen.

Während sich also die Welt nach dem Katastroph­enjahr 2016 eine kurze Auszeit nahm, hyperventi­lierte das kleine Österreich. Nach gefühlten zwei Jahren Dauerwahlk­ampf formierte ein 31-Jähriger eine schwarz-blaue Regierung, von der die Außenwelt kaum Notiz nahm. Das Regierungs­programm fiel so unverbindl­ich aus, wie man es von früheren Regierungs­erklärunge­n sogenannte­r großer Koalitione­n gewohnt war.

So stehen wir also am Ende dieses Jahres 2017 und wissen nicht, wohin damit in unserem persönlich­en Katastroph­enjahresra­nking. War es die sprichwört­liche Ruhe vor dem Sturm? Oder war es das Jahr, in dem wir erstmals seit Langem wieder so etwas wie Normalität erfahren haben? Es ist wohl ein Jahr, das man global betrachtet gern so nimmt, wie es ist. Ja, insgeheim gar hofft, 2018 möge ähnlich werden.

Aber genau das ist das Trügerisch­e an Jahren wie diesen.

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