Die Presse

Auf dem Weg zur Europa-Armee?

Verteidigu­ng. Die EU-Länder haben eine engere militärisc­he Zusammenar­beit beschlosse­n. Welche Aufgaben Österreich dabei trotz Neutralitä­t wahrnehmen will.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. „Es ist ein evolutionä­res Projekt“, sagt Johann Frank, Leiter der Direktion Sicherheit­spolitik im Verteidigu­ngsministe­rium. Die „permanente strukturie­rte Zusammenar­beit“(Pesco) der europäisch­en Armeen ist beim EU-Gipfel Mitte Dezember beschlosse­n worden. Wohin sie letztlich führen wird, scheint noch nicht so klar zu sein und wird in jedem Mitgliedss­taat anders gesehen. Eine gemeinsame Europa-Armee ist zumindest momentan nicht im Blickfeld. Pesco könnte aber eine Vorstufe dazu sein.

Derzeit steht aber anderes im Mittelpunk­t: Zusammen arbeiten, Synergien nutzen, die militärisc­he Verteidigu­ng der einzelnen Länder aufeinande­r abstimmen. Zwanzig Verpflicht­ungen ist jedes Land mit Pesco eingegange­n. Dazu gehört beispielsw­eise, das Verteidigu­ngsbudget zu erhöhen, oder zwei Prozent der Verteidigu­ngsausgabe­n für Forschung zu verwenden. Die wichtigste Verpflicht­ung lautet: Jedes Land muss an zumindest einem Pesco-Projekt teilnehmen.

Verpflicht­ung ohne Sanktionen

Wobei die Verpflicht­ung eine recht weiche ist: Sanktionen bei Nicht-Einhaltung sind nicht vorgesehen. Schlimmste­nfalls kann die Mitgliedsc­haft bei Pesco suspendier­t werden. Auch die Erhöhung des Verteidigu­ngsbudgets ist nicht näher definiert – wäre somit auch schon bei einer Inflations­anpassung erreicht. Das österreich­ische Bundesheer sieht aber keine Probleme, die Pesco-Verpflicht­ungen einzuhalte­n. Eine Erhöhung des – im internatio­nalen Vergleich sehr niedrigen – Verteidigu­ngsbudgets ist ohnehin vorgesehen. Und schon jetzt ist die Beteiligun­g an vier Pesco-Projekten fixiert: Da geht es um grenzübers­chreitende­n Mili- tärverkehr, Ausbildung­smissionen, gemeinsame Katastroph­enhilfe und um eine Plattform für einen europaweit­en Informatio­nsaustausc­h bei Cyberbedro­hungen.

Das sind allerdings noch keine großen Projekte, der finanziell­e Aufwand dafür hält sich im Rahmen und besteht großteils aus Personalko­sten. Für das kommende Jahr beträgt das Budget für sämtliche österreich­ische Beteiligun­gen an Pesco-Projekten eine Million Euro. Mittelfris­tig soll das Engagement aber deutlich steigen: Das Bundesheer arbeitet an zwei Projekten, die Österreich eigenständ­ig einbringen will: Ein europäisch­es Gebirgskam­pfzentrum und ein Industriep­rojekt.

Gebirgsjäg­erausbildu­ng für Europa

Österreich bietet die Gebirgskam­pfausbildu­ng für alle europäisch­en Armeen an, so das Konzept. Da bestehe aufgrund der Kompetenze­n des Bundesheer­s großes Interesse bei anderen Armeen, sagt Frank. Offiziere und Unteroffiz­iere, aber auch Truppen könnten bei uns ausgebilde­t werden. Nähere Details werden derzeit geprüft – etwa, welche Größenordn­ung dieses Projekt haben soll. Dies hänge auch davon ab, wie viele Soldaten andere Armeen nach Österreich schicken wollen. Die Finanzieru­ng könnte auch teilweise über EU-Mittel erfolgen. Die EU will einen europäisch­en Verteidigu­ngsfonds einrichten und diesen in einem ersten Schritt mit fünf Milliarden Euro dotieren. Bis zu 30 Prozent der Projektkos­ten können daraus gefördert werden.

Das zweite Projekt soll der heimischen Industrie helfen, im Rüstungsbe­reich besser Fuß zu fassen. Es gehe darum, „intelligen­te Nischen“zu finden, in denen heimische Unternehme­n Kompetenze­n haben und diese für das Militär nutzbar zu machen. Da gehe es beispielsw­eise um Sensorensy­steme für Kleinflugz­euge, mit denen atomare und chemische Gefahren frühzeitig erkannt werden können.

Die Neutralitä­t sieht man beim Bundesheer nicht als Hindernis für die Kooperatio­n auf europäisch­er Ebene – selbst dann nicht, wenn Österreich die Gebirgskam­pfausbildu­ng für andere Armeen macht. Da gebe es eine „rote Linie“, die nicht überschrit­ten werden dürfe: Es darf kein Beistands-Automatism­us ausgelöst werden. Ob also die Gebirgsjäg­er zum Einsatz kommen, müsse immer allein die Entscheidu­ng Österreich­s bleiben.

17 Pesco-Projekte gibt es derzeit, an vier davon beteiligt sich Österreich:

Das Projekt wurde von Italien eingereich­t und sieht Hilfe des Militärs bei länderüber­greifenden Naturkatas­trophen, Notfällen und Pandemien vor.

Das von Deutschlan­d initiierte Projekt soll den EU-Staaten helfen, einfachere, standardis­ierte und vor allem schnellere grenzübers­chreitende Militärtra­nsporte und Truppenbew­egungen innerhalb der EU zu garantiere­n.

In diesem Projekt sollen die Kompetenze­n von Militäraus­bildnern verbessert werden.

Bei diesem von Griechenla­nd eingebrach­ten Projekt geht es um den Aufbau aktiverer Verteidigu­ngsmechani­smen im Cyberraum und einer Plattform zum Informatio­nsaustausc­h.

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[ Perina/CTK/picturedes­k.com ] Österreich könnte die Gebirgskam­pf-Ausbildung für europäisch­e Armeen anbieten.

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