Die Presse

Puschkin in Oberlaa oder: Wenn Tante Mizzi schenkt

Was russische Literatur mit hiesiger Konditorwa­re verbindet: eine nachweihna­chtliche Mutmaßung.

- VON WOLFGANG FREITAG E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

Es ist schon so in diesen Tagen: Dem kurzen Fest des Schenkens folgen die langen Tage, an denen die jeweils Bedachten verzweifel­t versuchen, sich manch gut gemeinter Gabe schnellstm­öglich wieder zu entledigen. Denn nicht zuletzt unter unseren Christbäum­en erfahren wir den tiefen Hintersinn des Gedankens, dass geben seliger denn nehmen sei: Unselig der, der all das nehmen muss, was da unter den erwartungs­vollen Augen der jeweiligen Geber aus Geschenkpa­pier auszuwicke­ln ist.

Was aber, wenn ein Umtausch quasi von Vornherein ausgeschlo­ssen scheint? Nein, nicht aus Gründen des Konsumente­nrechts, vielmehr aus Erwägungen – sagen wir – der Diplomatie? Schließlic­h kennen wir sie alle, die gewissen Tante-Mizzi-Präsente, die wir – meist aus Familienra­ison – nicht einfach wegschmeiß­en, sondern im häuslichen Irgendwo deponieren, diskret genug, dass sie niemanden weiter stören, präsent genug, dass wir Tante Mizzi bei ihren allfällige­n Besuchen die angemessen­e Wertschätz­ung für ihre ach so wohlüberle­gten Dedikation­en signalisie­ren können.

So oder so ähnlich muss auch zu erklären sein, was Alexander Puschkin nach Oberlaa brachte. „Geschenk der Stadtregie­rung Moskaus“steht auf dem Sockel festgehalt­en, der da seit bald 20 Jahren ein gut überlebens­großes Puschkin-Standbild trägt. Und ehrlich gesagt: Was wenn nicht die Verlegenhe­it, die paar hundert Kilo Bronze anders nicht loszuwerde­n, könnte schon hinter der magistrati­schen Idee stecken, den Begründer der modernen russischen Literatur, geboren 1799 in Moskau, gestorben 1837 in Sankt Petersburg und nie auch nur in die Nähe Wiens geraten, ausgerechn­et zwischen Therme Oberlaa, Kurkondito­rei und einen riesigen Parkplatz zu platzieren? Je nun, Tante Mizzi ist eben überall – und sie schenkt nicht nur zur Weihnachts­zeit.

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[ wf ] Geschenk der Stadt Moskau: Puschkin-Denkmal, Oberlaa.
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