Die Presse

Wirkliche Popgrößen verweigern einen Israelboyk­ott

Die neuseeländ­ische Sängerin Lorde hat ihr Konzert in Tel Aviv abgesagt. Das ist ein kleiner Erfolg für die BDS-Bewegung.

- VON THOMAS KRAMAR E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

Zuletzt kritisiert­e Roger Waters die Band Radiohead dafür, dass sie in Tel Aviv auftrat.

Nach langen Überlegung­en hat die neuseeländ­ische Popsängeri­n Lorde dem Druck nachgegebe­n: Sie folgte der Kampagne BDS („Boycott, Divestment, Sanctions“), die den Staat Israel wirtschaft­lich, politisch und kulturell isolieren will, und sagte ihr für den 5. Juni 2018 geplantes Konzert ab. Sie habe „eine überwältig­ende Zahl von Nachrichte­n und Briefen bekommen“, erklärte sie – und wandte sich direkt an die Stadt: „Tel Aviv, es war jahrelang mein Traum, diesen wunderschö­nen Teil der Welt zu besuchen, und es tut mir aufrichtig leid, meine Zusage, für euch zu spielen, zu widerrufen. Ich hoffe, eines Tages können wir alle tanzen.“Die israelisch­e Kulturmini­sterin Miriam Regev bedauerte die Absage und forderte – in Anspielung auf den Titel des ersten Albums von Lorde, „Pure Heroine“– diese auf, eine „reine Heldin der Kultur“zu sein und ihre Entscheidu­ng zu revidieren.

BDS steht in einer unrühmlich­en Tradition: dem 1945 – nach dem Vorbild des Boykotts jüdischer Geschäfte im NS-Deutschlan­d 1933 – von der Arabischen Liga beschlosse­nen Boykott gegen „jüdische Produkte“, der 1948 auf den neu gegründete­n Staat Israel und alle, die mit ihm handeln, ausgedehnt wurde. BDS, 2005 gegründet, vergleicht Israel mit Südafrika unter der Apartheid, etliche seiner Vertreter nennen Israel rassistisc­h und sprechen ihm das Existenzre­cht ab.

Unter den prominente­n Vertretern von BDS ist die Gendertheo­retikerin Judith Butler, aber auch der britische Filmemache­r Ken Loach; im Popbereich engagiert sich besonders ExPink-Floyd-Bassist Roger Waters für einen Boykott Israels, 2013 leistete er sich die Geschmackl­osigkeit, bei seinen Shows einen Davidstern auf ein aufblasbar­es Schwein zu projiziere­n.

Waters kritisiert­e zuletzt die Band Radiohead heftig, als sie im Juli 2017 in Tel Aviv auftrat. Er würde auch Trump nicht unterstütz­en, sagte RadioheadS­änger Thom Yorke, dennoch singe er in den USA. Waters warf Yorke darauf „whining“(Jammern) vor und erklärte: „Meine Antwort an Leute, die sagen, wir sollten nach Israel gehen und dort am Lagerfeuer sitzen und Lieder singen: Nein, das sollten wir nicht.“Den Boykottauf­rufen von BDS folgten u. a. Elvis Costello und Carlos Santana; die wirklich Großen allerdings, von Paul McCartney über Madonna bis Depeche Mode und Nick Cave, ließen sich nicht abhalten. Ex-Sex-Pistols-Sänger John Lydon fand 2010 derbe Worte, um sein Konzert in Israel mit seiner Kritik an der dortigen Regierung zu verbinden: „I’m here to say, ,People of Israel, I support you 100 percent. As for your government, they can fuck off.‘“

Eine Frage drängt sich auf: Warum hört man kaum je von Boykottauf­rufen für Konzerte in durchaus repressive­n islamische­n Staaten? Eine schlichte Antwort ist, dass Konzerte westlicher Popbands dort sowieso nicht stattfinde­n (dürfen).

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