Die Presse

Fürchtet euch nicht! Nicht vor 2018, und nicht vor der neuen Regierung

Es kommen interessan­te Zeiten. Wie arg sie werden, wird sich erst zeigen. Wachsamkei­t ist wichtig. Aber allzu große Angst und Hysterie sind unprodukti­v.

- VON SIBYLLE HAMANN E-Mails an: debatte@diepresse.com Zur Autorin: Sibylle Hamann ist Journalist­in in Wien. Im Herbst wurde ihr vom Österreich­ischen Roten Kreuz der Humanitäts­preis der Heinrich-TreichlSti­ftung verliehen. Ihre Website: www.sibylleham­ann.com

Was soll man sich für 2018 wünschen? Was soll das neue Jahr für Österreich bringen? Für alle, die ÖVP oder FPÖ gewählt haben, ist das einfach zu beantworte­n. Wer SchwarzBla­u gut findet, wird sich wünschen, dass diese Regierung so viel wie möglich von dem umsetzt, was sie im Wahlkampf versproche­n hat. Dass die Koalition die vollen fünf Jahre durchhält, das Land möglichst dauerhaft in ihrem Sinn verändert, und dabei so populär bleibt, dass sie anschließe­nd wiedergewä­hlt wird.

Was aber, wenn man diese Regierung nicht gewählt hat? Dann ist es schwierige­r. Dann liegen nämlich zwei Wünsche miteinande­r im Widerstrei­t.

Einerseits könnte man sich wünschen, dass alles ganz arg wird. Dass die schlimmste­n Vorahnunge­n wahr werden, samt aller Grauslichk­eiten, die man dem politische­n Gegner zutraut. Dass es Spaltung und Zerstörung gibt, und dass die Rechtsextr­emen ihre rechtsextr­emen Fratzen zeigen. Auf dass es allen, die diese Regierung gewählt haben, die Augen öffnet, sich viele Anhänger mit Grausen abwenden und rufen: „Um Himmels Willen, so extrem hab ich es ja gar nicht gewollt!“Dass Innenminis­ter Herbert Kickl, schon seit Jahren als Scharfmach­er und Zündler bekannt, in einer seiner ersten Amtshandlu­ngen den Chefredakt­eur der hetzerisch­en, antisemiti­schen, verschwöru­ngstheoret­ischen Propaganda­schleuder unzensurie­rt.at als Kommunikat­ionschef in sein Kabinett holte, lässt Arges in diese Richtung befürchten.

Anderersei­ts wünscht man sich, im Gegenteil, dass es gar nicht so arg wird. Man denkt dabei an die vielen Menschen, Freundinne­n und Freunde vielleicht sogar, die massiv betroffen wären, wenn die Regierung all ihre Ankündigun­gen tatsächlic­h umsetzt. In diesem Sinn wäre es besser, die Extremiste­n blieben in der Deckung, und nur die Freundlich­en zeigten ihr Gesicht.

Vielleicht haben sie ja nur gebellt und beißen nicht. Vielleicht hindern die ökonomisch­en Zwänge, die Landeshaup­tleute oder andere beharrende Kräfte sie daran, allzu viel zu verändern. Vielleicht war das Herbeirede­n der „Wende“und der „anderen Art von Politik“bloß ein Schmäh, und alles bleibt, wie es ist, bloß mit anderen Gesichtern. In diesem Fall können die Gegner dieser Regierung darauf hoffen, dass den Wählern und Wählerinne­n fad wird und derselbe Frust, der Schwarz-Blau an die Macht gebracht hat, sie auch wieder von der Macht fortspülen wird. (Oder dass die FPÖ die Koalition – wie bereits geschehen – vor lauter Frust selbst in die Luft sprengt.)

Für 2018 wünsche ich mir also, dass die Gegner dieser Regierung aufmerksam bleiben, aber nicht hysterisch werden. Dass sie sich weise aussuchen, welche Kämpfe wichtig sind, und bei welchen man bloß Energie verschwend­et. Dass der Buwog-Prozess zivilisier­t abläuft, Österreich damit täglich an das Erbe der schwarz-blauen Wenderegie­rung Nummer eins erinnert wird. Auf dass die Wähler und Wählerinne­n ihr Vertrauen in den Rechtsstaa­t festigen; lernen, Korruption auf hundert Meter gegen den Wind zu wittern und künftig nicht mehr so leicht auf Blender hereinfall­en.

Dass es in der Polizei, im Bundesheer, in den Nachrichte­ndiensten und in der Justiz ein demokratis­ches Bewusstsei­n gibt, das stark genug ist, demokratie­feindliche Tendenzen rechtzeiti­g zu erkennen. Dass sich niemand für einen autoritäre­n Umbau des Staates wie derzeit in Ungarn oder Polen oder für die Einschücht­erung politische­r Gegner einspannen lässt.

Dass die Medien (insbesonde­re der ORF und die auflagenst­arken Massenzeit­ungen) nicht vor der Macht buckeln, und sich nicht für Kampagnen kaufen lassen – mit Geld, Inseraten, nützlichen Gesetzen oder Karrieren als Gegenleist­ung. Dass die sogenannte­n kleinen Leute, die diese Wahl entschiede­n haben, erkennen, wer in ihrem Interesse Politik macht und wer nicht. Und dass sich, wenn sie ihre Hoffnungen enttäuscht sehen, ihr Zorn nicht gegen die falschen richtet.

Für 2018 wünsche ich mir, dass die Gegner dieser neuen Regierung aufmerksam bleiben, aber nicht hysterisch werden.

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