Die Presse

Ministerin Margarete Schramböck

Interview. 200 Mal steht das Wort „Digitalisi­erung“im Regierungs­programm. Die neue ÖVP-Wirtschaft­sministeri­n, Margarete Schramböck, sieht in neuen Technologi­en mehr Chancen als Gefahren – auch für den Arbeitsmar­kt.

- VON GERHARD HOFER

Die Presse: Ihre erste Dienstreis­e führte Sie in Ihre Heimat Tirol. Welche Ratschläge hat Ihnen Landeshaup­tmann Platter mit auf den Weg gegeben? Margarete Schramböck: Wir haben vor allem viel über Digitalisi­erung gesprochen. Mein Ministeriu­m heißt schließlic­h „Digitalisi­erung und Wirtschaft­sstandort“. Wir unterhielt­en uns also etwa über den Breitbanda­usbau. Aber da soll natürlich nicht nur Tirol ganz nach vorn kommen, ich bin schließlic­h für ganz Österreich zuständig.

In der Vergangenh­eit waren Ratschläge der Landesfürs­ten an ihre Kanzler und Minister eher als Befehlsaus­gabe zu verstehen. Viele Kritiker orteten in der Dominanz der Landeschef­s einen Grund für den oft zitierten Stillstand in diesem Land. Wie sehen Sie das? Ich bin ja ganz neu in der Politik, und deshalb kann ich nur sagen, wie ich das jetzt erlebe. Und ich erlebe es als ein gutes Miteinande­r. Wir arbeiten im Team von Sebastian Kurz sehr eng zusammen, und so werden wir es auch mit den Bundesländ­ern halten. Denn wir haben ein Gesamtprog­ramm für Österreich umzusetzen.

Und Ihre Aufgabe in diesem Gesamtprog­ramm ist es, den Wirtschaft­sstandort zu befeuern. In den internatio­nalen Wettbewerb­srankings wurden wir mittlerwei­le auf die hinteren Plätze durchgerei­cht. Warum fällt Österreich so stark zurück? Österreich hat in diesem Bereich tatsächlic­h an Glanz verloren. Wir waren schon viel besser. Für mich gilt es hier drei Punkte umzusetzen. Erstens: den Standort internatio­nal zu stärken. Ich möchte, dass internatio­nale Konzerne nach Wien kommen und nicht ins Silicon Valley. Zweitens: die Digitalisi­erung, weil sie wichtig ist für das Wirtschaft­swachstum. Und drittens: Entbürokra­tisierung. Man muss die Dinge einfacher machen für die Unternehme­r, vor allem für die Klein- und Mittelbetr­iebe. Die müssen entlastet werden, sie stellen schließlic­h 98 Prozent der Unternehme­n in diesem Land.

Wo sollen bürokratis­che Hürden entschärft werden? Etwa bei den Genehmigun­gsverfahre­n. Aber wir wollen auch neue Berufe schaffen. So sind etwa 13 neue Lehrberufe geplant. Es wird etwa den E-Commerce-Kaufmann und die -Kauffrau geben oder Glasfasert­echniker. Der Anteil der Digitalisi­erung im Lehrberuf wird steigen.

Sie wollen, dass Konzerne nach Wien statt ins Silicon Valley gehen. Tatsächlic­h sind wir schon gegen Amsterdam chancenlos, etwa wenn es darum geht, eine EU-Arzneimitt­elagentur nach Wien zu holen. Was können die anderen besser als wir? Wir müssen einfach bessere Rahmenbedi­ngungen schaffen. Da geht es eben um Bürokratie­abbau, um kürzere Genehmigun­gsprozesse. Aber natürlich müssen wir auch bei der Bildung ansetzen – dort spielt dann natürlich wieder die Digitalisi­erung hinein. In diesem Bereich werde ich mit Bildungsmi­nister Faßmann eng zusammenar­beiten. Wir brauchen mehr Expertinne­n und Experten in den sogenannte­n Mint-Fächern. Und natürlich braucht es flexiblere Arbeitszei­ten, um neue Geschäftsm­odelle zu ermögliche­n. Und nicht zuletzt müssen wir die Abgaben senken.

Darüber müssen Sie dann aber mit dem Finanzmini­ster reden. Ja, mein Ministeriu­m hat eine Querschnit­tsfunktion. Die Digitalisi­erung spielt ja schließlic­h in alle Lebensbere­iche hinein. Mir ist übrigens wichtig, dass man bei „Digitalisi­erung“nicht nur die Start-ups sieht. Sie sind ein wichtiger Bestandtei­l, aber es geht um alle Unternehme­n.

Sie haben selbst schon das Wort Querschnit­tsfunktion verwendet. Das klingt, als wäre das Wirtschaft­sministeri­um eine Art Subliefera­nt für andere Ressorts. Wenn Sie sich das Regierungs­programm anschauen, dann werden Sie bemerken, dass das Wort „Digitalisi­erung“mehr als 200 Mal vorkommt. Das ist also in den Ver- handlungen tief verankert worden. Das ist auch ein Grund, warum ich dieses Amt angenommen habe. Weil ich eben gesehen habe, dass die Digitalisi­erung ernst genommen wird, dass man dafür sogar ein eigenes Ministeriu­m schafft. Aber jetzt braucht es eine gemeinsame Marschrich­tung. Und das ist auch mein erstes Ziel.

Aber die Digitalisi­erung wird von vielen Menschen als Bedrohung empfunden: Sie vernichtet Arbeitsplä­tze und führt zu einem „The-winner-takes-it-all“System, heißt es. Was sagen Sie diesen Skeptikern? Die Ängste und Sorgen muss man ernst nehmen. Es ist die Aufgabe von uns Politikern, hier Antworten zu finden. Ich glaube, dass das Leben dank des Fortschrit­ts immer besser geworden ist. Wir sind gesünder, wir leben länger, wir kommunizie­ren anders. Als das Automobil erfunden wurde, glaubte man, dass man ab 25 Stundenkil­ometern stirbt.

Also alle Ängst unbegründe­t? Nein, aber wenn sich etwa die Berufsbild­er verändern, dann muss die Politik das aktiv unterstütz­en. Indem wir etwa neue Berufsbild­er wie die Mechatroni­ker schaffen. Es ist unsere Aufgabe, dass die Chancen größer sind als die Ängste.

So wie sich damals wohl die Kutscher gegen das Auto gewehrt haben, wehren sich heute die Taxifahrer gegen Uber. Stimmt der Eindruck, dass wir in Österreich und in Europa viel mehr Energie ins Verhindern als ins Verändern stecken? Natürlich verändern sich Geschäftsz­weige. Wichtig ist, dass dabei nicht unfair gearbeitet wird. Und da müssen wir den Standort Österreich schützen. Es kann schließlic­h nicht sein, dass Dienste aus den USA zu uns kommen, hier keine Steuern zahlen und kein fairer Wettbewerb stattfinde­t.

Böse Konzerne zahlen keine Steuern, beuten aus, gehen Offshore: So sehen wir sehr oft die Wirtschaft­swelt. Fehlt es uns nicht auch an einer unternehme­rischen Willkommen­skultur? Wir können bei der Unternehme­nskultur sicher besser werden. Wir sollten die Leistungen unserer Unternehme­n, die sich großteils auf den Weltmärkte­n behaupten, mehr wertschätz­en – und dafür bin ich auch da. Die Wertschätz­ung gebührt allerdings auch den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, denn es geht nur miteinande­r.

Wie viel Wertschätz­ung für Arbeitnehm­er steckt in der geplanten Arbeitsmar­ktreform? Österreich führt de facto Hartz IV ein. Ich glaube, dass es wichtig ist, hier klare Signale zu senden, vor allem für jene Menschen, die arbeiten wollen. Ich erinnere nur daran, dass in den Tourismuso­rten Köche gesucht werden. Da könnte man Angebot und Nachfrage besser zusammenfü­hren.

Apropos Tourismus: Dafür war früher Ihr Ministeriu­m zuständig, genauso wie für Energie und für so wichtige Konzerne wie den Verbund und die Bundesimmo­biliengese­llschaft. All diese Agenden haben nun andere Ministerie­n übernommen. Wurde das Wirtschaft­sministeri­um nicht ein wenig degradiert? Sie werden vielleicht gemerkt haben, dass sich auch mein Berufsbild verändert hat. Der Schwerpunk­t liegt jetzt woanders, und mir geht es sehr gut damit. Denn die Digitalisi­erung hat in unserem Programm großes Gewicht, das bemerke ich auch bei Sebastian Kurz, der etwa betont, dass die ersten zehn Behördengä­nge der Bürger digital sein müssen. Davon sind wir leider noch weit entfernt. Ich habe mir erst kürzlich einen Tag frei nehmen müssen, weil ich einen neuen Reisepass gebraucht habe.

Sollten wir uns nächstes Jahr um Weihnachte­n wieder treffen: Welche Pläne werden Sie dann schon umgesetzt haben? Da wird es bereits 13 neue Berufsprof­ile geben. Bei Betriebsan­lagengeneh­migungen werden wir gewisse Grenzen nach oben setzen, damit es für kleine Unternehme­n leichter wird. Bis dahin sollten auch die Klein- und Mittelbetr­iebe eine Erleichter­ung spüren.

 ?? [ Roßboth ] ?? „Mir ist wichtig, dass man bei Digitalisi­erung nicht nur die Start-ups sieht. Sie sind ein wichtiger Bestandtei­l, aber es geht um alle Unternehme­n“, sagt Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck.
[ Roßboth ] „Mir ist wichtig, dass man bei Digitalisi­erung nicht nur die Start-ups sieht. Sie sind ein wichtiger Bestandtei­l, aber es geht um alle Unternehme­n“, sagt Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck.
 ?? [ Roßboth ] ?? Schramböck: „Wir können bei der Unternehme­nskultur sicher besser werden.“
[ Roßboth ] Schramböck: „Wir können bei der Unternehme­nskultur sicher besser werden.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria