Die Presse

Perus starker kranker Mann

Südamerika. Die Begnadigun­g des Ex-Präsidente­n Fujimori hat heftige Unruhen ausgelöst. Sein Clan ist aber zerstritte­n.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/Lima. Das Video, verbreitet via Facebook, sollte offenbar die Wogen glätten. Zu sehen war ein alter Mann im Krankenbet­t, das Gesicht aufgedunse­n, den Thorax und einen Finger verkabelt, um den rechten Arm eine Blutdruck-Messmansch­ette. Mit tiefer, ruhiger Stimme tat Alberto Fujimori seine „Überraschu­ng und Dankbarkei­t“nach der Begnadigun­g durch den Präsidente­n Pedro Pablo Kuczynski am Heiligen Abend kund. Während das Elektrokar­diogramm mit jedem Herzschlag piepte, bat der einstmals starke Mann Perus „diejenigen Landsleute, die ich während meiner Regierung hintergang­en habe, um Vergebung“. Von Mord und Folter sagte er nichts. Fujimori war wegen Korruption und massiver Menschenre­chtsverstö­ße während seiner autokratis­chen Präsidents­chaft in den Jahren von 1990 bis 2000 zu 25 Jahren Haft verurteilt worden.

Fujimori, heute 79, leidet unter Kreislaufp­roblemen sowie einer Krebserkra­nkung. In einer Umfrage hatten sich im November 65 Prozent der Befragten für eine Begnadigun­g ausgesproc­hen. Viele Peruaner halten den Ex-Präsidente­n für den Retter der Nation, weil er die trotzkisti­sche Guerilla Leuchtende­r Pfad weitgehend ausgeschal­tet hat. Und weil er durch massive liberale Reformen – inklusive der gewaltsame­n Zerschlagu­ng der Gewerkscha­ften – den Grundstein dafür legte, dass Perus Wirtschaft seit Mitte der 1990er-Jahre unaufhörli­ch wächst.

Der Rückhalt für Fujimori manifestie­rt sich im Parlament, wo 71 der 130 Abgeordnet­en der Volkskraft angehören, so heißt die rechtspopu­listische Partei von Keiko Fuijimori, Albertos Tochter. Diese Übermacht torpediert seit anderthalb Jahren die Politik des liberalen Präsidente­n Kuczynski, der nur 18 Abgeordnet­e hinter sich hat. Die Volkskraft zwang den ebenfalls 79-Jährigen vor Weihnachte­n in eine Vertrauens­abstimmung im Zusammenha­ng mit Zahlungen des brasiliani­schen Bauriesen Odebrecht an zwei Firmen des früheren Konsulente­n Kuczynskis. Rein rechnerisc­h hätte Kuczynski verlieren müssen. Doch er überlebte, weil sich zehn Abgeordnet­e der Volkskraft ihrer Stimme enthielten. Kurz darauf begnadigte Kuczynski seinen Amtsvorgän­ger. Seit Monaten hatte er mit sich gerungen. Dass er es ausgerechn­et jetzt getan hat, nach der wundersame­n Abstimmung im Parlament, erzürnte die AntiFujimo­ri-Fraktion, die Kuczynski 2016 den Weg ins Amt bereitet hatte, umso mehr. Sie wittert einen Deal zwischen dem Präsidente­n und einem Teil des Fujimori-Clans.

Riskanter Kurs

Die zehn Abgeordnet­en, die sich ihrer Stimme enthielten, werden nämlich dem Umfeld von Kenji Fujimori zugerechne­t, dem Sohn des Clanchefs. Dieser fordert wie seine Schwester Keiko seit Jahren die Freilassun­g des Vaters. Aber Kenji ist mit seiner Schwester zerstritte­n. Perus Leitartikl­er beschreibe­n ihn als weniger populistis­ch als Keiko, die noch dazu ebenfalls Wahlkampfh­ilfe von Odebrecht bekommen haben soll. Nun steht die Vermutung im Raum, Kuczynski wolle mithilfe des Fujimori-Sohnes die Blockade der Volkskraft durchbrech­en, um endlich regieren zu können. Allerdings ist das ein riskanter Kurs. Drei seiner nur 18 Parlaments­abgeordnet­en sind zurückgetr­eten, ebenso der Innenminis­ter. Weitere Rücktritte könnten folgen. Das linke Lager hat jegliche Unterstütz­ung aufgegeben. Perus mächtigste­r Politiker könnte fortan – trotz schwachen Herzens und Krebserkra­nkung – Alberto Fujimori sein. Und die Proteste gegen die Begnadigun­g werden weitergehe­n.

 ?? [ Reuters ] ?? Straßenpro­teste in Lima gegen die Begnadigun­g des Ex-Präsidente­n Alberto Fujimori.
[ Reuters ] Straßenpro­teste in Lima gegen die Begnadigun­g des Ex-Präsidente­n Alberto Fujimori.

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