Perus starker kranker Mann
Südamerika. Die Begnadigung des Ex-Präsidenten Fujimori hat heftige Unruhen ausgelöst. Sein Clan ist aber zerstritten.
Buenos Aires/Lima. Das Video, verbreitet via Facebook, sollte offenbar die Wogen glätten. Zu sehen war ein alter Mann im Krankenbett, das Gesicht aufgedunsen, den Thorax und einen Finger verkabelt, um den rechten Arm eine Blutdruck-Messmanschette. Mit tiefer, ruhiger Stimme tat Alberto Fujimori seine „Überraschung und Dankbarkeit“nach der Begnadigung durch den Präsidenten Pedro Pablo Kuczynski am Heiligen Abend kund. Während das Elektrokardiogramm mit jedem Herzschlag piepte, bat der einstmals starke Mann Perus „diejenigen Landsleute, die ich während meiner Regierung hintergangen habe, um Vergebung“. Von Mord und Folter sagte er nichts. Fujimori war wegen Korruption und massiver Menschenrechtsverstöße während seiner autokratischen Präsidentschaft in den Jahren von 1990 bis 2000 zu 25 Jahren Haft verurteilt worden.
Fujimori, heute 79, leidet unter Kreislaufproblemen sowie einer Krebserkrankung. In einer Umfrage hatten sich im November 65 Prozent der Befragten für eine Begnadigung ausgesprochen. Viele Peruaner halten den Ex-Präsidenten für den Retter der Nation, weil er die trotzkistische Guerilla Leuchtender Pfad weitgehend ausgeschaltet hat. Und weil er durch massive liberale Reformen – inklusive der gewaltsamen Zerschlagung der Gewerkschaften – den Grundstein dafür legte, dass Perus Wirtschaft seit Mitte der 1990er-Jahre unaufhörlich wächst.
Der Rückhalt für Fujimori manifestiert sich im Parlament, wo 71 der 130 Abgeordneten der Volkskraft angehören, so heißt die rechtspopulistische Partei von Keiko Fuijimori, Albertos Tochter. Diese Übermacht torpediert seit anderthalb Jahren die Politik des liberalen Präsidenten Kuczynski, der nur 18 Abgeordnete hinter sich hat. Die Volkskraft zwang den ebenfalls 79-Jährigen vor Weihnachten in eine Vertrauensabstimmung im Zusammenhang mit Zahlungen des brasilianischen Bauriesen Odebrecht an zwei Firmen des früheren Konsulenten Kuczynskis. Rein rechnerisch hätte Kuczynski verlieren müssen. Doch er überlebte, weil sich zehn Abgeordnete der Volkskraft ihrer Stimme enthielten. Kurz darauf begnadigte Kuczynski seinen Amtsvorgänger. Seit Monaten hatte er mit sich gerungen. Dass er es ausgerechnet jetzt getan hat, nach der wundersamen Abstimmung im Parlament, erzürnte die AntiFujimori-Fraktion, die Kuczynski 2016 den Weg ins Amt bereitet hatte, umso mehr. Sie wittert einen Deal zwischen dem Präsidenten und einem Teil des Fujimori-Clans.
Riskanter Kurs
Die zehn Abgeordneten, die sich ihrer Stimme enthielten, werden nämlich dem Umfeld von Kenji Fujimori zugerechnet, dem Sohn des Clanchefs. Dieser fordert wie seine Schwester Keiko seit Jahren die Freilassung des Vaters. Aber Kenji ist mit seiner Schwester zerstritten. Perus Leitartikler beschreiben ihn als weniger populistisch als Keiko, die noch dazu ebenfalls Wahlkampfhilfe von Odebrecht bekommen haben soll. Nun steht die Vermutung im Raum, Kuczynski wolle mithilfe des Fujimori-Sohnes die Blockade der Volkskraft durchbrechen, um endlich regieren zu können. Allerdings ist das ein riskanter Kurs. Drei seiner nur 18 Parlamentsabgeordneten sind zurückgetreten, ebenso der Innenminister. Weitere Rücktritte könnten folgen. Das linke Lager hat jegliche Unterstützung aufgegeben. Perus mächtigster Politiker könnte fortan – trotz schwachen Herzens und Krebserkrankung – Alberto Fujimori sein. Und die Proteste gegen die Begnadigung werden weitergehen.