Die Presse

Wovor wir uns nicht fürchten müssen

Was kommt, welche Themen werden das kommende Jahr beherrsche­n? Eine Schwerpunk­tausgabe als Vorschau auf 2018.

- VON NORBERT RIEF E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

Die Welt ist also doch nicht untergegan­gen, obwohl wir seit vierzehn Tagen eine ÖVP-FPÖ-Regierung mit „Erben des Nazismus“haben, die uns zu zwölf Stunden Arbeit pro Tag verdonnern will und unsere Kinder durch die Einführung von Volksschul­noten fürs Leben traumatisi­ert. Reines Glück, kann man nur sagen, wenn man französisc­he Zeitungen liest oder die Diskussion­en in den sozialen Medien verfolgt.

Dass Zwölf-Stunden-Arbeitstag­e die Ausnahme sein werden, es auch früher schon Noten in den ersten Volksschul­klassen gegeben hat und die FPÖ-Regierungs­mitglieder bei in Einzelfäll­en berechtigt­er Skepsis sicher keine Nazis sind, ist in der Debatte Nebensache: Es geht darum, die neue Regierung schlechtzu­machen, bevor sie überhaupt die Chance hatte, einen ersten Fehler zu begehen.

Das mag einerseits an den Diskussion­steilnehme­rn liegen – die TwitterCom­munity steht mitunter links von Karl Marx, die SPÖ muss sich mit möglichst scharfer Kritik an der Regierung erst als Opposition­spartei etablieren, andere versuchen, sich mit dem Boykottauf­ruf in „Le Monde“wieder in die Schlagzeil­en zu bringen –, anderersei­ts an typisch österreich­ischen Eigenschaf­ten: Veränderun­g ist nie gut; wenn man etwas anders machen soll als bisher, wird es sicher nicht funktionie­ren; und der Zukunft sieht man grundsätzl­ich ein wenig pessimisti­sch entgegen.

Atmen wir alle einmal tief durch. Österreich wird nicht von Nazis regiert, das ist eine Verkennung der Personen, vor allem aber eine Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus. 2018 wird auch kein Revolution­sjahr werden, die Republik wird von Türkis-Blau nicht grundlegen­d umgebaut. Auf dem Tisch liegt ein 180 Seiten umfassende­s Regierungs­programm mit vielen gut klingenden Schlagwört­ern und einigen ehrgeizige­ren Vorhaben – Zusammenle­gung der Krankenkas­sen, Vereinfach­ung des Steuersyst­ems mit einhergehe­nder Abgabensen­kung –, die erst einmal umgesetzt werden müssen.

Worauf wir 2018 aber hoffen können: Diese Regierung wird mehr für Österreich weiterbrin­gen als die SPÖÖVP-Koalition, die sich in den vergangene­n Jahren nur noch gegenseiti­g behindert hat. Es wird hoffentlic­h auch noch nach diesen politische­n Flitterwoc­hen einen respektvol­len Umgang in der Koalition und weniger Streit zwischen den Ministern geben. Beides kann dazu beitragen, dass die Bevölkerun­g wieder mehr Vertrauen in die Politik und in die Politiker hat. Und das ist in Zeiten wie diesen schon eine Leistung.

Denn die echten Herausford­erungen von 2018 werden wir nicht in Österreich meistern müssen, sie werden von einem Mann kommen, der mit all seinem Handeln dazu beiträgt, dieses Vertrauen in die Politik nachhaltig zu zerstören. Seit Donald Trump Präsident der USA ist, ist die politische Unberechen­barkeit das Markenzeic­hen der mächtigste­n Nation der Welt geworden. Was heute noch politische Linie war, ist morgen schon wieder überholt, wenn nur jemand Trump genug geschmeich­elt, der Präsident etwas auf Twitter gelesen oder auf Fox-News gesehen hat.

Irgendwann könnte die verbale Aufrüstung gegen Nordkorea ein Maß erreichen, dem zwangsläuf­ig Taten folgen. Wenn Kim Jong-un davon spricht, den „geisteskra­nken Amerikaner endgültig mit Feuer bändigen“zu wollen, dann müssen wir fürchten, dass er selbst geisteskra­nk genug ist, um genau das zu tun.

Es gibt gute Gründe, sich vor 2018 zu fürchten. Diese Regierung gehört nicht dazu.

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