Ära Häupl geht zu Ende: Wiens Rote suchen neuen Kitt für den Zusammenhalt
Ablöse. Wiens SP muss versuchen, ein Auseinanderbrechen der Partei im Kampf um die Häupl-Nachfolge zu verhindern.
Wien. Stellt man sich Wiens SPÖ als ein tönernes Gefäß vor, hat man eine große rote Vase vor sich, in die die Zeit deutliche Risse gezeichnet hat. Der Kitt, der die einzelnen Teile noch zusammenhält – und damit verlassen wir wieder diese bildhafte Ebene –, hatte zuletzt einen Namen: Michael Häupl. Seit 1993 Landesparteivorsitzender, seit 1994 Bürgermeister, ist er die Figur, die die Partei noch annähernd in Fahrtrichtung gehalten hat. Mit dem Sonderlandesparteitag am 27. Jänner wird er einen Schritt nach hinten machen – und der neue Parteivorsitzende wird die Aufgabe übernehmen müssen, das komplette Auseinanderbrechen der zuletzt zerstrittenen Partei zu verhindern.
Das weiß die Partei. Und ist deswegen peinlich darum bemüht, Worte wie „Flügelkampf“oder „Kampfabstimmung“zu vermeiden. Und die Wahl des neuen Vorsitzenden als Akt der innerparteilichen Demokratie zu inszenieren. Und auch die beiden Männer, die sich um Häupls Nachfolge an der Spitze der Wiener SPÖ bewerben, haben zuletzt eher Signale in Richtung Mitte gesendet. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, der als Kandidat gilt, der ein pragmatisches Verhältnis zur FPÖ hat, positionierte sich mehrmals als Antifaschist. Andreas Schieder, SPKlubobmann im Parlament, der als Kandidat des linken Flügels gilt, kann sich plötzlich auch eine Wartefrist für Zuwanderer bei der Mindestsicherung vorstellen.
Die Darstellung, dass Ludwig ein Kandidat für die rot-blau dominierten Arbeiterbezirke ist, Schieder dagegen vor allem ein rotgrün-affines Publikum in den Innenbezirken anspricht, mag einen Hintergrund haben. Doch das allein reicht als Erklärung für die Differenzen in der Partei nicht. Hinter dem Positionskampf stehen auch persönliche Geschichten und Kränkungen. So unterstützt etwa eine Gruppe rund um Ex-Bundeskanzler Werner Faymann hinter Ludwig. Im Häupl-Lager ist man wiederum verschnupft darüber, dass man vom LudwigLager intern angepatzt wurde. Abgesehen von dieser Ebene sind Ludwig und Schieder, die anfangs gern als Antipoden gezeichnet wurden, inhaltlich gar nicht so deutlich voneinander unterscheidbar.
Mittlerweile kursiert sogar schon die Erzählung, dass der Unterlegene im Kampf um Parteispitze – und später auch das Bürgermeisteramt – in der kommenden Wiener Stadtregierung den Posten des Finanzstadtrats bekommen soll. Auch das ein Signal, dass man die Partei möglichst einig nach außen präsentieren will und niemand beschädigt wird, um nur ja keine Abspaltung eines Segments zu riskieren. Denn das könnte die Partei letztlich umbringen.
Einigkeit ist es, die die letzte verbliebene wirkliche Bastion der österreichischen Sozialdemokratie braucht. Denn mit der Koalition von ÖVP und FPÖ im Bund wird es die rot-grün geführte Stadt wohl schwieriger haben. Schon im Wahlkampf wurde Wien von den nunmehrigen Regierungsparteien immer wieder als Negativbeispiel für alle möglichen Entwicklungen hervorgeholt. Und in Hinblick auf die Wiener Gemeinderatswahl 2020 wird diese Taktik wohl auch weiter gefahren werden. Mit dem Rückenwind aus dem Bund könnte die zuletzt kaum mehr präsente Wiener ÖVP wieder erstarken. Und die FPÖ hat sich vor allem in den Außenbezirken ohnehin zu einem fast schon gleichwertigen Gegner der SPÖ entwickelt.
Wien gegen den Bund
Die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung könnte aber auch zum neuen Kitt für die Wiener Roten werden: ein gemeinsamer Gegner, gegen den man sich publikumswirksam in Szene setzen kann. Das hat schon zwei Mal funktioniert – unter dem schwarz-blauen Kabinett Schüssel I holte die Wiener SPÖ bei den Gemeinderatswahlen 2001 die absolute Mehrheit zurück. Unter dem schwarz-orangen Kabinett Schüssel II konnte man 2005 noch einmal knapp zulegen. Genau darauf werden es Wiens Rote wohl anlegen. Ob dabei nun Michael Ludwig oder Andreas Schieder in der ersten Reihe steht, wird dabei wohl kaum einen Unterschied machen.