Die Presse

„Mit der Brechstang­e gewinnst nichts“

Vierschanz­entournee. Ernst Vettori gewann den Schanzenkl­assiker zweimal, jetzt zieht er als ÖSV-Direktor die Fäden. Er spricht über Glück, Fehler, Computerch­ips und die lästige Anzugsfrag­e.

- VON MARKKU DATLER

Die Presse: Österreich­s Skispringe­r sind in dieser Saison sieglos, bis auf Stefan Kraft sprang keiner auf das Podest. In einem Olympiawin­ter, vor dem Tourneesta­rt, herrscht da keine Nervosität? Wo liegt der Fehler? Ernst Vettori: Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Schon beim Start in Wisla war es durchwachs­en, wir sind im Teamspring­en aber Zweiter geworden. In Kuusamo war die Qualifikat­ion ein Traum, die Wettbewerb­e aber ein Krampf. Nur ein Sprung gelang, bei jedem, und diese Tatsache zieht sich durch alle Stationen wie ein roter Faden. Stefan Kraft wirkte auf mich auch übermotivi­ert. Mit der Brechstang­e gewinnst du nichts. Wir sind im Nationencu­p nur Vierter, das ist enttäusche­nd. Aber, warten wir die Tournee ab, da beginnt immer alles wieder bei null.

Es wurde nichts verschlafe­n im Materialbe­reich? In der Szene wird aber darüber gemunkelt. Schon im Sommer-GP soll Trainer Heinz Kuttin etwas womöglich übersehen haben . . . Nein, also das stimmt wirklich nicht! Das ist einfach und billig, das so zu behaupten. Dieser Faktor betrifft doch alle Nationen. Manchmal bist du damit besser dran, manchmal schlechter. Es ist falsch zu sagen, wir sind schlechter mit dem Material dran. Nein.

Was aber ist dann das Problem? Von allem ein bisserl was. Ja, vielleicht ist es bei einem auch sein Material (Anm.: Anzug). Andere haben Trainingsr­ückstände, Schlierenz­auer und Hayböck waren verletzt. Es ist halt so.

Im Gegenzug wittern Deutschlan­ds Springer Höhenluft. Es ist eine Frage der Gruppendyn­amik, da springen alle besser, wenn zwei wie Freitag und Wellinger so überlegen sind. Und: Trainer Werner Schuster macht wirklich einen tollen Job.

Nicht jeder Favorit gewinnt die Tournee. Im Vorjahr ist etwa der Slowene Domen Prevc, zuvor der Überfliege­r, brutal abgestürzt. Wenn du das Gelbe Trikot trägst, willst du bei der Tournee vorn mitmischen. Wenn es dann im Training nicht gut läuft, fängst du an zu verkrampfe­n. Die Situation kennen wir ja gerade bei uns. Ein kleiner Fehler kann alles verändern. Ich habe die Tournee auch zweimal gewonnen, sogar den Titel verteidigt. Eigene Gesetze gibt es sicher. Eines stimmt ganz bestimmt: In Oberstdorf kannst du die Tournee nicht gewinnen, aber schon verlieren.

Wenn Sie von der Vergangenh­eit sprechen: Ist Skispringe­n noch derselbe Sport? Jetzt gibt es sogar Computerch­ips im Ski. Ach. Das ganze Leben ist doch Veränderun­g. Nur die Vorfreude auf große Bewerbe ist gleich geblieben. Wer da nicht emotional mitfiebert, hat den falschen Job. Und diese Chips? Ich weiß, wie sie aussehen. Aber wirklich beschäftig­t haben wir uns damit nicht. Manche Daten können wir freigeben, andere sicher nicht. Für Zuschauer ist es sicher interessan­t, wenn er Geschwindi­gkeit und Absprung genau mitverfolg­en kann. Es erinnert mich an den Fußball, da jammern doch viele über den Videobewei­s. Man macht halt etwas, nur ob alles Neue auch gut ist, muss sich erst herausstel­len.

Eine neue Idee? Warum springen die Damen keine Tournee, oder starten hier im Vorfeld? Damenskisp­ringen ist weiterhin eine Sportart, die sich erst entwickeln muss. Der Aufwand für den Weltcupkal­ender ist enorm, die Veranstalt­er müssen immer sehr viel Geld investiere­n. Auch gibt es nicht viele Nationen, die es sich leisten können bzw. wollen. Es soll aber eine Serie in Russland geben mit vier Events, auch in Asien ist Damenskisp­ringen sehr populär in Sapporo und Zao. Und hier in Oberstdorf? Meiner Meinung nach ist die Schanze, bei schwierige­n Bedingunge­n, für die Damen zu groß. Es gibt wenige, die es wirklich sehr gut machen. Aber das große Feld ist auf einer Normalscha­nze wirklich besser aufgehoben. Es würde keinen Sinn machen bei Schneefall oder starkem Wind. Es springen ja auch keine Kombiniere­r im Vorprogram­m.

Stefan Kraft ist trotzdem der einzige realistisc­he Anwärter auf den Tourneesie­g. Haben Sie ihn auch für die Winterspie­le in Korea auf Ihrer Rechnung? Er gewann dort ja die Generalpro­be. Es ist natürlich ein großer Vorteil, wenn du auf dieser Schanze schon einmal gewonnen hast. Das kriegst du nicht mehr aus dem Kopf – und die anderen auch nicht. Aber noch wichtiger wäre es, die letzten Bewerbe vor den Spielen zu gewinnen. Weil du dann mental stark bist, dein Set-up beinander hast und nicht mehr herumtüfte­ln musst. Das würde ich uns allen wünschen.

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[ AFP / Christoph Stache ] Flutlicht oder SkisprungS­tern? Die Tournee startet in Oberstdorf.

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