Die Presse

Mehr Europa, aber mit weniger Feinsteuer­ung

Welche Ideen Österreich 2018 in die EU-Präsidents­chaft und in den beginnende­n Europawahl­kampf einbringen könnte.

- VON KARL AIGINGER

Österreich hat 2018 die Chance, die Europapoli­tik mitzugesta­lten. Erstens, weil Europa im neuen Jahr Reformen und Konsens braucht. Präsident Jean-Claude Juncker hat praktisch schon kapitulier­t und die geplante Strategie in der Schublade verstaut.

Beim letzten EU-Gipfel hat er Donald Tusk die Feststellu­ng der Uneinigkei­t überlassen. Angela Merkel hat noch keine Regierung, Emmanuel Macron kämpft nach Anfangseup­horie mit den Mühen der Ebene. Italien wählt zwischen Silvio Berlusconi und Beppo Grillo, Spanien und Großbritan­nien sind mit Spaltungen konfrontie­rt. Die Visegrad-´Länder schwanken zwischen Opposition gegen Brüssel und Lockrufen aus Russland sowie zwischen westlicher und illiberale­r Demokratie.

Zweitens sollte Europa die Führung bei neuen Technologi­en übernehmen. Mit seinem hohen Anteil an erneuerbar­er Energie und Patenten bei Elektromob­ilität könnte Österreich hier Koalitione­n schmieden, um Standards zu verschärfe­n und Alternativ­en zu Benzin und Diesel zu begünstige­n. Und Erfahrung mit Lobbying gegen die Vernunft haben wir auch.

Partnersch­aft mit dem Süden

Drittens braucht Europa Optimismus, für eine neue Partnersch­aft mit dem Süden. Libyen liegt näher bei Wien als Dublin, Kiew näher als Madrid. Natürlich sind Afrika und der Nahe Osten keine einfachen Märkte, sie sind durch Konflikte destabilis­iert. Aber kaum herrscht Frieden, werden auch diese Länder wachsen. Für einen „Marshallpl­an für Afrika“müssen Partner und eine innovative Finanzieru­ng gefunden werden.

Das Lehrlingss­ystem, bei dem Österreich und Deutschlan­d Spitze sind, könnte als Exportmode­ll genutzt werden. Die künftige Führungsel­ite der nordafrika­nischen und arabischen Länder könnte in Wien studieren, so wie Europäer nach dem Krieg durch Fulbright Stipendien die USA kennengele­rnt haben, darunter viel künftige Staatschef­s und Spitzenfor­scher.

Das Erasmus-Programm ist im Prinzip für Afrikaner und Araber geöffnet, das müsste jedoch forciert werden. Das würde kulturelle Ängste nehmen und die Jugend in den Nachbarlän­dern ermutigen, Systemrefo­rmen durchzuset­zen. Der Reiz illiberale­r und autokratis­cher Systeme inklusive chinesisch­er Ambitionen würde sinken. Länder mit hohem Außenhande­lsanteil müssen die Führung übernehmen und investiere­n.

Nicht richtig ist es dabei, die Zahl der Themen zu reduzieren, bei denen Europa Leitlinien vorgibt. Dies hatte Junckers Szenario 4 als „weniger, aber effiziente­r“bezeichnet – und das wurde in das Arbeitspro­gramm der Regierung übernommen. Wenn man dann Themen sucht, in denen es weniger Europa geben soll, findet sich Regionalpo­litik, Gesund-

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