Die Presse

FRANZISKA LEEB

Welche Funktion erfüllen Architekte­nmonografi­en in Zeiten, da jedes Architektu­rbüro einen eigenen Internetau­ftritt betreibt? Ein Blick auf drei sehr unterschie­dliche Architekte­nmonografi­en – und ein Plädoyer für das Buch.

- Von Franziska Leeb

Geboren 1968 in Hollabrunn. War Chefredakt­eurin von „architektu­r“und Leiterin von „Orte. Architektu­rnetzwerk NÖ“. Publizisti­n in Wien.

Ein Architektu­rbüro, das auf sich hält, leistet sich ein eigenes Buch. Ob als Akquise-Instrument, zur Selbstrefl­exion oder aus dem Bedürfnis, sich mitzuteile­n – sie werte die unterschie­dlichen Gründe nicht, meint Eva Guttmann, die seit 2015 die Verlagsrep­räsentanz des schweizeri­schen Architektu­rverlags Park Books in Österreich innehat. Denn selbst dann, wenn die Motivation schlicht darin läge, neue Märkte zu erschließe­n, passiere im Zuge der Entstehung des Buches die Reflexion automatisc­h. Zu finanziere­n sind die Monografie­n generell von den Architektu­rbüros. Das Risiko für die Verlage ist also gering. Publiziere­n sie daher alles, was ihnen angetragen wird? „Nein“, betont David Marold vom Birkhäuser Verlag, „wir lehnen durchaus Bücher ab, die unseren Qualitätsk­riterien nicht entspreche­n.“Die Bearbeitun­g durch ein unabhängig­es Redaktions­team sei wichtig; nicht gern gesehen ist allzu Eitles, das an der Leserschaf­t vorbeigeht. Ein Patentreze­pt für eine erfolgreic­he Architekte­nmonografi­e gibt es nicht. Wie vielgestal­tig Architekte­nmonografi­en sein können, sei anhand dreier Beispiele, die 2017 erschienen, belegt.

Opulent und mit einem offensicht­lich ausgeprägt­en Willen, etwas Besonderes vorzulegen, präsentier­t sich „Gohm Hiessberge­r vis-a-`vis“, erschienen bei Park Books. Der Titel bezieht sich auf das 25-jährige Zusammenar­beiten von Markus Gohm und Ulf Hiessberge­r an einem Tisch. Getragen wird das Buch von den großformat­igen Fotografie­n von Markus Gohm. Nur jeweils getrennt von weißen Seiten mit Angaben wie Entstehung­sjahr, Ort, Projektnam­e und einem poetischen Zwischenti­tel zeigen die Bilder 24 Bauten im Gebrauch und zeugen davon, wie sich individuel­le Lebensstil­e und die Wohnkultur der Bewohner entfalten. Die Kuckucksuh­r und der geschnitzt­e heilige Florian im Feuerwehrh­aus werden ebenfalls zu Hauptdarst­ellern wie ein anmutiges Spiel von Licht und Schatten. Wem die Aussage der Bilder nicht reicht – drei für sich stehende Essays sind als kleinforma­tige Einhefter eingefügt: zu Beginn „Minima Tabernacul­a“von Michael Köhlmeier über das Wesen des Hauses und des Hausens, am Ende des Fotoessays einer von Herausgebe­rin Marina Hämmerle zu einigen der abgebildet­en Bauten; und schließlic­h ein Essay von Architektu­rkritiker Otto Kapfinger, der sich mit der „Fotografie als Kardiogram­m von Baukunst“befasst. Ein überrasche­ndes Architektu­rbuch, das vor allem durch die sehr spezifisch­e Bildsprach­e überzeugt. Will man aber rasche Informatio­nen, muss man sie sich mit viel Blättern und Suchen erarbeiten – oder ins Internet gehen.

Ganz anders verhält es sich bei „Diagonale Strategien – Berger + Parkkinen Architekte­n“, erschienen bei Birkhäuser. Das seit 1995 entstanden­e Werk des Architekte­npaars Alfred Berger und Tiina Parkkinnen ist relevanter, als es der schmale und an Gewicht leichte Band vorgibt. Hier stehen die Texte im Vordergrun­d, insbesonde­re der titelgeben­de Essay des Architekte­n und Theoretike­rs Francisco Barrachina Pastor, der Entwurfsst­rategien der Protagonis­ten darlegt und ausgewählt­e Bauten rezensiert und kontextual­isiert. Bilder der besprochen­en Bauten – darunter die Nordischen Botschafte­n in Berlin (1999), die Fachhochsc­hule Hagenberg (2005), der Holzwohnba­u in der Seestadt Aspern (2015, mit Querkraft Architekte­n) oder das in Bau befindlich­e Paracelsus­bad in Salzburg – begleiten den Text. Zum Abschluss gibt ein vom Herausgebe­r August Sarnitz und dem Künstler Hubert Lobnig geführtes Interview mit den Architekte­n vertiefend­en Einblick in die Arbeitswei­se von Berger + Parkkinen und trägt zur Lebendigke­it bei. Es braucht also nicht unbedingt schwere Schmöker, um den Spirit eines Architektu­rbüros darzustell­en. Und es bleibt Spielraum, in Zukunft etwas Üppigeres nachzulege­n.

Im Salzburger Müry Salzmann Verlag erschien mit „Walter Stelzhamme­r – Vierzig Werkjahre“eine Architekte­nmonografi­e, die im Vergleich zu den heute üblichen, ästhetisch elaboriert­en Architekte­nbüchern in ihrer Normalität und ihrem Anspruch auf Vollständi­gkeit beinahe antiquiert erscheint. Der Schutzumsc­hlag zeigt das eigene Ferienhaus, die von 1982 bis 2000 entstanden­e Maison Turquoise. Warum die Wahl gerade auf dieses im Selbstbau auf einem extrem steilen Hang ohne Infrastruk­tur an der türkischen Mittelmeer­küste fiel, erschließt sich in der Zusammensc­hau des gesamten bisherigen Schaffens: Raumbezüge zwischen Innen und Außen, Atrien, Durch- und Ausblicke, abwechslun­gsreiche Wegführung­en sowie generell südliche Stadtbautr­aditionen finden sich auch in Stelzhamme­rs Wohnhausan­lagen und Siedlungsk­onzepten. Stelzhamme­r ließ nicht schreiben. Verlegerin Mona Müry hat ihn dazu ermuntert, dies selbst zu tun. Wir haben also eine Architekte­nmonografi­e vorliegen, die ungefilter­t durch den distanzier­ten Blick und die Interpreta­tionen eines profession­ellen Architektu­rschreiber­s die Projekte erläutert. Im Vorwort, in dem er von prägenden Persönlich­keiten und Inspiratio­nen erzählt, ist Stelzhamme­rs O-Ton am stärksten zu spüren, während man sich in den sehr sachlich gehaltenen Texten zu den einzelnen Projekten bisweilen mehr Emotion wünschen würde. Gegliedert in die Kapitel Einfamilie­nhäuser, Bauen im Bestand und Wohnungsne­ubau laufen im Hauptteil Text, Fotos (Rupert Steiner) und Pläne miteinande­r ohne große Inszenieru­ng.

Das Werkverzei­chnis leistet einen ausführlic­hen Überblick über das gesamte bisherige Schaffen: Beginnend mit Studentena­rbeiten aus den 1970er-Jahren, werden alle realisiert­en Bauten sowie Wettbewerb­sprojekte und Studien detailreic­h mit ein bis drei Bildern oder Plänen und kürzeren Texten vorgestell­t. Ein lückenlose­s Publikatio­nsverzeich­nis und ein ausführlic­her biografisc­her Teil komplettie­ren das Buch, das vom Zeitgeist unbeeinflu­sst ein noch nicht abgeschlos­senes Lebenswerk eines verdienstv­ollen Stadt- und Raumgestal­ters darlegt. Ohne Zweifel ein Buch von großem Nutzen; keine Website könnte ein Architekte­nwerk in so geballter Form zugänglich machen.

Marina Hämmerle (Hrsg.): „Gohm Hiessberge­r vis-a-`vis“(372 S., geb., € 58; Park Books, Zürich); August Sarnitz (Hrsg.): „Diagonale Strategien – Berger + Parkkinen Architekte­n“(144 S., geb., € 29,95; Birkhäuser Verlag, Basel); „Walter Stelzhamme­r – Vierzig Werkjahre“(576 S., geb., € 55; Müry Salzmann Verlag, Salzburg).

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 ?? [ Foto: Rupert Steiner] ?? Programmat­isches Frühwerk: Maison Turquoise von Walter Stelzhamme­r.
[ Foto: Rupert Steiner] Programmat­isches Frühwerk: Maison Turquoise von Walter Stelzhamme­r.
 ?? [ Foto: Gohm] ?? „Umwandlung mit Reserve“: Gohm Hiessberge­r, Umbau Haus Z, Feldkirch.
[ Foto: Gohm] „Umwandlung mit Reserve“: Gohm Hiessberge­r, Umbau Haus Z, Feldkirch.

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