Die Presse

Trumps Diplomatie per Twitter

USA. Der Präsident begann das neue Jahr mit einem Twitterhag­el. Der Fokus liegt auf der Außenpolit­ik. Im Visier: Pakistan, der Iran, Diktator Kim Jong-un und die Palästinen­ser.

- VON THOMAS VIEREGGE

US-Präsident tut so, als wollte er die Welt mit Kurznachri­chten aus den Angeln he\en.

Wien/Washington. Kaum war der Präsident nach der Silvesterp­arty im „Winter White House“, seinem Luxus-Domizil Mar-a-Lago in Florida, aufgewacht, schickte er am Neujahrsmo­rgen schon einen ersten Tweet in die Welt hinaus, der in Islamabad ein kleineres Beben auslösen sollte. „Die USA haben Pakistan in den vergangene­n 15 Jahren mehr als 33 Milliarden Dollar an Finanzhilf­e gegeben, und wir haben nichts zurückbeko­mmen als Lügen und Betrügerei­en. Sie halten unsere Führer für Trottel.“

Nach mehrmalige­n Warnungen hält die Trump-Regierung im AntiTerror­kampf in Afghanista­n vorerst eine Tranche von 255 Millionen Dollar, die für Pakistan bestimmt ist, zurück. Khawaja Asif, der pakistanis­che Außenminis­ter, zitierte prompt den US-Botschafte­r zu sich. In Islamabad trat danach das Sicherheit­skabinett zusammen, um eine Gegenstrat­egie vorzuberei­ten.

Danach war das Mullah-Regime in Teheran, eines der großen Feindbilde­r des US-Präsidente­n, an der Reihe. Trump sieht sich durch die Proteste im Iran in seinem Ruf nach einem Wechsel bestätigt, wie er es via Twitter in Balkenlett­ern formuliert­e. Er schimpfte über das korrupte System und die Milliarden, die in den Taschen der Mullahs verschwänd­en – und er signalisie­rte zu gegebener Zeit Unterstütz­ung für die Regimegegn­er.

Inzwischen ist Trump nach Washington zurückgeke­hrt, und seine Twitter-Diplomatie hat an Tempo, Intensität und Vehemenz zugenommen. Trumps Aktivitäte­n auf seinem Lieblingss­pielzeug erwecken den Eindruck, als hätte er für 2018 den Vorsatz gefasst, die Welt aus den Angeln zu hebeln und die Schurkenst­aaten und „Bösewichte“in Schranken zu weisen.

„Habe größeren Atomknopf“

Beim Präsidente­n endet indessen der Versuch des Stabschefs John Kelly, des Ex-Generals der Eliteeinhe­it der Marines, dem TrumpTeam im Weißen Haus militärisc­he Disziplin aufzuerleg­en. Bei Ministern und Beratern mag dies noch gelingen, bei Familienan­gehörigen wie Tochter Ivanka und Schwiegers­ohn Jared Kushner schon weniger. Und ein Donald Trump lässt sich auf Dauer ohnehin keine Zügel anlegen. Er reagiert so spontan und impulsiv, wie er dies auch im Geschäfts- und Privatlebe­n getan hat.

Als Kim Jong-un, den Trump bereits hämisch als „Little Rocket Man“auf Selbstmord­mission und als „klein und fett“charakteri­siert hat, sich in seiner Neujahrsbo­tschaft mit dem Atomknopf auf seinem Schreibtis­ch brüstete, konnte die Antwort aus Washington nicht lange ausbleiben. Sein Atomknopf sei – natürlich, was sonst? – größer und mächtiger, trumpfte Trump auf Twitter auf. Diplomatie im Nordkorea-Konflikt sei Zeitversch­wendung, hatte er Rex Tillerson, seinem Außenminis­ter, bereits im Sommer beschieden. Stattdesse­n drohte er mit „Feuer und Zorn“.

Ganz auf Trumps Linie liegt hingegen Nikki Haley, die forsche UN-Botschafte­rin, die nicht nur ein Ende der Raketentes­ts an die Gespräche knüpft, sondern auch ein Aus für das Atomwaffen­programm Nordkoreas. „Wir glauben nicht, dass wir lächeln und ein Foto machen müssen.“

Impuls statt Strategie

Trumps Twitter-Diplomatie hat Auswirkung­en für die US-Außenpolit­ik, die weniger einer ausformuli­erten Strategie oder gar einer Doktrin folgt, sondern eher Impulsen und Instinkten. Eine Annäherung zwischen Nord- und Südkorea könnte so eine Entfremdun­g zwischen Washington und den Alliierten in Seoul einleiten, die jährlich gemeinsame Militärman­över abhalten. Das Verhältnis zwischen Trump und Südkoreas Präsidente­n, Moon Jae-in, gilt ohnedies als angespannt. Ex-Generalsta­bschef Mike Mullen warnte unlängst gar, die USA stünden einem Atomkrieg mit Nordkorea näher denn je.

In seiner Außenpolit­ik lässt sich der US-Präsident neuerdings von seinen aggressive­n Wahlverspr­echen leiten. Neben der Ankündigun­g des Ausbaus der Mauer zu Mexiko hat kein Punkt seine Anhänger mehr elektrisie­rt als die Verheißung einer Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem. Die Anerkennun­g Jerusalems als offizielle­r Hauptstadt Israels, verknüpft mit der Androhung der Einstellun­g der Finanzhilf­e bei Gegenstimm­en für eine entspreche­nde UN-Resolution, hat viele Staaten – auch im Westen – düpiert. Nun drohte Trump via Twitter mit einem Stopp der Hilfszahlu­ngen an die Palästinen­ser, sollten sie nicht an den Verhandlun­gstisch zurückkehr­en: „Hunderte Millionen Dollar und kein Respekt“, so lautet sein Fazit.

Im Übrigen stellte Trump – selbstrede­nd via Twitter – für Montag die Verkündung der Preise der „unehrlichs­ten und korruptest­en Medien des Jahres“in Aussicht.

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[ AFP ] Donald Trump is back: Nach der Rückkehr aus dem Weihnachts­urlaub nach Washington rührt der Präsident wieder kräftig um.

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