Die Presse

Niki-Verkauf in Gefahr

Streit. Gläubiger setzen rechtliche Schritte gegen das deutsche Insolvenzv­erfahren, die weitreiche­nde Folgen haben könnten.

- VON HEDI SCHNEID

Gläu\iger in Österreich setzen rechtliche Schritte gegen deutsches Insolvenzv­erfahren.

Wien/Berlin. Der am Freitag fixierte Verkauf des Flugbetrie­bs samt Belegschaf­t sowie der Start- und Landerecht­e (Slots) der insolvente­n Air-Berlin-Tochter Niki an die spanisch-britische IAG-Holding und die geplante Einglieder­ung in deren Billigtoch­ter Vueling ist alles andere als fix. Ganz im Gegenteil: „Der Verkauf droht zu platzen“, sagt Gerhard Weinhofer, Chef der Creditrefo­rm und Insolvenze­xperte, zur „Presse“. Ähnlich reagierte der vorläufige deutsche Insolvenzv­erwalter Lukas Flöther: „Sollte die Beschwerde vor dem Amtsgerich­t Charlotten­burg Erfolg haben, wäre der Verkauf von Niki an IAG im Höchstmaß gefährdet.“

1 Was löst unmittelba­r diese Befürchtun­gen aus?

Das auf Fluggastre­chte spezialisi­erte österreich­ische Unternehme­n Fairplane hat juristisch­e Schritte unternomme­n, um das Niki-Insolvenzv­erfahren von Deutschlan­d nach Österreich zu verlegen. Fairplane hat beim Amtsgerich­t Berlin-Charlotten­burg Beschwerde gegen den Verkauf von Niki an IAG eingelegt. Genauso eine Beschwerde brachte eine österreich­ische Privatpers­on schon am 17. Dezember ein. Fairplane hat zudem beim Landesgeri­cht Korneuburg ein Konkursver­fahren gegen Niki beantragt.

2 Warum kann Fairplane solche Schritte setzen?

Fairplane ist Gläubiger von Niki. Laut Insolvenzr­echt kann außer dem Schuldner selbst auch ein Gläubiger einen Konkursant­rag stellen. Fairplane hat Forderunge­n gegen Niki – eigene und jene von Passagiere­n, die man vertritt – von 1,2 Mio. Euro, bestätigt FairplaneG­eschäftsfü­hrer Andreas Sernetz der „Presse“.

3 Wie wird das Gericht in Korneuburg entscheide­n?

Das Gericht werde dem Antrag stattgeben müssen, ist Weinhofer überzeugt. Die Überschuld­ung von Niki stehe fest, und die Airline könne die Forderunge­n von Fairplane nicht begleichen. Die Entscheidu­ng dürfte nächste Woche fallen. Das Amtsgerich­t Charlotten­burg ließ wissen, dass es „vorbehaltl­ich der den Beteiligte­n eingeräumt­en Möglichkei­t, Stellung zu nehmen“, voraussich­tlich heute, Donnerstag, entscheide­n werde.

4 Was bedeutet ein weiteres Insolvenzv­erfahren in Österreich?

Auf jeden Fall viele offene rechtliche Fragen. Zwei davon: Wo läuft künftig das Hauptverfa­hren? Gibt es zwei Verfahren oder eines, wenn der Insolvenzs­tand Berlin gekippt wird? Sollte sich das Gericht in Korneuburg zuständig fühlen, könnte das Hauptverfa­hren hier ablaufen, erklärt Weinhofer. Die Niki Luftfahrt GmbH sei nach österreich­ischem Recht gegründet und hier angesiedel­t, lautet Sernetz’ Argument. Aber auch für den Fall, dass in Österreich nur ein Sekundärve­rfahren laufe, müsse es einen Insolvenzv­erwalter geben. Dieser müsse die österreich­ischen Vermögensw­erte verwerten, erklärt Weinhofer. Welche das sind, sei die große Frage. Im Wesentlich­en dürfte es um die Slots gehen. Weinhofer räumt in diesem Zusammenha­ng auch ein, dass Niki ein Präzedenzf­all sei, weil es keine Erfahrunge­n mit europäisch­en Insolvenzv­erfahren gebe.

5 Was steckt hinter dem Vorgehen von Fairplane?

„Wir sind nicht gegen den Verkauf von Niki an IAG“, sagt Sernetz. „Wir sind aber dagegen, dass Tausende Passagiere durch die Finger schauen.“Ein Insolvenzv­erfahren in Österreich erleichter­e die Durchsetzu­ng der Ansprüche von Tausenden geschädigt­en Passagiere­n und gewährleis­te ein Verfahren abseits von den Interessen der Muttergese­llschaft Air Berlin in Deutschlan­d, lautet seine Begründung. Viele Kunden hätten auf die „vollmundig­en Aussagen“von Air Berlin vertraut, dass man bei Niki weiter risikolos buchen könne und Niki von der Insolvenz der Muttergese­llschaft gar nicht betroffen sei.

6 Lässt sich die enge Verflechtu­ng von Air Berlin und Niki auflösen?

Sernetz verweist darauf, dass Niki als „Sahnestück“des Konzerns gegolten hat und schon in den vergangene­n Jahren den Gewinn an Air Berlin abführen musste. Es halten sich hartnäckig Gerüchte über zusätzlich­e Geldflüsse. Flöther meint indes, dass sämtliche NikiFlüge über Air Berlin gebucht wor- den seien. Eventuelle Forderunge­n geschädigt­er Niki-Passagiere müssten daher bei Air Berlin angemeldet werden. „Für die Gläubiger ist völlig unerheblic­h, wo das NikiVerfah­ren stattfinde­t“, ließ Flöther wissen. Er hat übrigens am Mittwoch auf Beschluss des Gläubigera­usschusses die in der Air Berlin Aviation verankerte Fluglizenz (AOC) an Thomas Cook verkauft. Die Thomas-Cook-Tochter Condor will damit in Deutschlan­d wachsen und sich mit dem AOC um Slots bewerben.

7 Warum schießt die deutsche Politik gegen den Niki-Verkauf quer?

Sie fürchtet um den Notkredit an Air Berlin in Höhe von 150 Mio. Euro, da der Verkaufser­lös die Rückzahlun­g nicht deckt. Der CSU-Politiker Hans Michelbach warf der EU-Kommission vor, den Abbruch der Verhandlun­gen mit Lufthansa provoziert zu haben, womit IAG zum „Schnäppche­npreis“zum Zug gekommen sei. Die EU wies die Kritik zurück.

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] Imago] Das Zittern um die Fluglinie und die rund 1000 Arbeitsplä­tze geht wegen der rechtliche­n Querschüss­e in die Verlängeru­ng.

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