Die Presse

Kleines Land, große Krise

Republik Moldau. Da Präsident Dodon die Ernennung mehrerer Minister blockiert hatte, stellte ihn das Verfassung­sgericht zeitweilig kalt.

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Ein Präsident sollte die Wogen der politische­n Debatte glätten und das Wohl des Landes im Blick haben. So steht es im Lehrbuch. Doch Igor Dodon, Präsident der Republik Moldau, tut das Gegenteil. Der frühere Chef der Sozialiste­n und Kreml-begeistert­e Politiker, der sich im November 2016 knapp gegen die Reformerin Maia Sandu durchgeset­zt hat, befeuert die Konfrontat­ion zwischen dem prorussisc­hen Machtblock und den prowestlic­hen Kräften. Das aktuelle Drama handelt von Blockadepo­litik, der Usurpierun­g von Institutio­nen und der Ausreizung demokratis­cher Spielregel­n um jeden Preis.

Im Mittelpunk­t des aktuellen Streits steht das Verfassung­sgericht. Am Dienstag setzten die Richter Dodons Befugnisse vorübergeh­end außer Kraft. Sie reagierten damit auf die Weigerung des Präsidente­n, die Ernennung mehrerer Minister der proeuropäi­schen Regierung von Premier Pavel Filip im Amt zu bestätigen. Dodons „zeitweilig­e Beseitigun­g“sei notwendig, um die Blockade des politische­n Prozesses zu lösen, erklärte das Gericht. Der Präsident führe seine Geschäfte nicht ordnungsge­mäß.

„Grauzone der Demokratie“

Der Präsident wiederum beschuldig­te das Gericht der „schweren Verletzung der juristisch­en Verfahren“. Die Institutio­n bewege sich in einer „Grauzone der Demokratie“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Im Oktober 2017 war es bereits zu einem ähnlichen Vorgehen gekommen, als Dodon sich geweigert hatte, Eugen Sturza als neuen Verteidigu­ngsministe­r zu ernennen. Dodon betonte nun, er wolle „nicht nachgeben“. Seit Dezember verhindert er die Ernennung von fünf Ministern und zwei Vizeminist­ern, Posten, die im Zuge einer Regierungs­reform neu besetzt werden sollen. Der Präsident dürfe nur ein Mal seine Zustimmung zur Nominierun­g eines Regierungs­mitglieds verweigern, so das Verfassung­sgericht. Die sieben Beamte sollen heute, Freitag, von Parlaments­präsident Andrian Candu ernannt werden, der interimist­isch Dodons Agenden übernimmt.

Auch Filip, der an seiner Personenli­ste stur festgehalt­en hat, spielt ein riskantes Spiel mit der Macht. Er ist bereits der vierte Premiermin­ister seit den Wahlen 2014. Seine Demokratis­che Partei (PDM) steht unter dem Verdacht, auf Zuruf des mächtigen Oligarchen Vlad Plahotniuc zu agieren. Die Reformkräf­te sind in Machtkämpf­en zerstritte­n und in Korruption­sskandale verwickelt. Internatio­nales Aufsehen erregte der Diebstahl von einer Mil- liarde Dollar von moldauisch­en Banken im Jahr 2014. Im Zuge dieses Skandals wurde der frühere Premiermin­ister Vlad Filat (ebenfalls PDM) verhaftet und zu einer mehrjährig­en Gefängniss­trafe verurteilt. Das Vertrauen der 3,5 Millionen Bürger in die Reformkräf­te wurde nachhaltig erschütter­t.

Vorgeschma­ck auf Wahlkampf

Der Milliarden­raub war ein Grund für Dodons Wahlerfolg im Herbst 2016. In einem Interview mit der „Presse“kündigte er im Vorjahr an, dass er die Republik Moldau an das russische System anpassen wolle. Das Land brauche eine „harte Hand“. Auch drohte er damit, aus dem EU-Assoziieru­ngsabkomme­n auszusteig­en – eines der wenigen Verdienste der Reformkräf­te. Obwohl Dodon Moskau gegenüber einen Kuschelkur­s fährt, verschlech­terte sich auf Regierungs­ebene das Verhältnis zu Russland: Moldau wies fünf russische Diplomaten aus, Russland reagierte darauf seinerseit­s mit Ausweisung­en.

Die nächsten Parlaments­wahlen sind für Dezember 2018 vorgesehen. Dodon verfolgt das Ziel, eine Präsidente­nmehrheit im Parlament zu sichern. Seine Blockadepo­litik könnte bereits ein Vorgeschma­ck auf den Wahlkampf sein.

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[ Reuters ] Auf Konfrontat­ionskurs mit den Verfassung­srichtern: Präsident Igor Dodon.

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