Die Presse

Araber schweigen zu den Protesten

Iran. Gegner des Teheraner Regimes wie Saudiarabi­en halten sich seit Beginn der Demonstrat­ionen ungewöhnli­ch zurück. Die Türkei sieht die USA und Israel hinter der Revolte.

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„Tod dem Diktator“heißt es noch immer in vielen iranischen Städten, wenn Demonstran­ten gegen das Regime, insbesonde­re aber gegen den Religionsf­ührer Ayatollah Ali Khamenei auf die Straße gehen. Nun, mehr als eine Woche nach Beginn der Protestwel­le, formierten sich am Mittwoch auch die Regimetreu­en. Staatliche­n Medien zufolge sind bereits Hunderttau­sende Iraner für den Erhalt der Machtstruk­turen in der Islamische­n Republik auf die Straße gegangen.

Ihre Parolen, die sie in Städten wie Kermanshah, Ilam und Gorgan skandierte­n, waren demnach nicht weniger brachial: Sie verlangten etwa die Exekution der demonstrie­renden Regimegegn­er. „Das Blut in unseren Venen ist ein Geschenk für unseren Führer!“, riefen andere. „Nieder mit den USA“, hieß es, „Nieder mit Saudiarabi­en“und „Nieder mit Israel“. Denn der Lesart der Regierungs­treuen zufolge stecken diese drei Länder hinter der Protestwel­le.

Seit Beginn der Demonstrat­ionen sind rund zwei Dutzend Menschen gestorben, allein in Teheran sind Medienberi­chten zufolge 450 Protestier­ende festgenomm­en worden. Zuletzt hatte die Regierung Hassan Rohanis Einschnitt­e bei Hilfszahlu­ngen für Bedürftige angekündig­t, gleichzeit­ig sind die Ausgaben des Landes für die Beteiligun­g an kriegerisc­hen Interventi­onen im Libanon, im Irak, in Syrien und im Jemen gestiegen.

Mit gemischten Gefühlen verfolgen indessen die Regierunge­n muslimisch­er Staaten im Nahen Osten die Unruhen im Iran. Zwar freuen sich einige Iran-Gegner in der Region darüber, dass die Führung in Teheran unter Druck gerät. Doch die regierungs­amtlichen Reaktionen sind zurückhalt­end, und von einer aktiven Unterstütz­ung für die Demonstran­ten kann keine Rede sein, einige Iran-Gegner stel- len sich sogar auf die Seite der Teheraner Führung.

Besonders auffällig ist das beim Nato-Staat Türkei. Anders als die Golfländer und die Ägypter sucht die Türkei die Nähe zum Iran, der zu den wichtigste­n Energielie­feranten Ankaras zählt. Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ telefonier­te mit seinem bedrängten Amtskolleg­en Rohani und sagte, er hoffe auf „Frieden und Stabilität“im Iran. Das Recht auf Demonstrat­ionsfreihe­it dürfe nicht für Straftaten ausgenutzt werden, betonte der türkische Präsident – der damit ganz auf Rohanis Linie lag.

Ankara springt Teheran bei

Nach dem Putschvers­uch im Juli 2016 hatten türkische Regierungs­politiker den USA eine Mitverantw­ortung zugewiesen – und sehen nun dasselbe im Iran. Nur zwei internatio­nale Spitzenpol­itiker un- terstützte­n die Proteste im Iran, sagte Ankaras Außenminis­ter, Mevlüt C¸avus¸og˘lu: Das seien USPräsiden­t Donald Trump und Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu. Saadet Oruc,¸ eine Beraterin Erdogans,˘ sagte jüngst, die Demonstrat­ionen im Iran seien ein Zeichen für Destabilis­ierungsver­suche des Westens in der Region. Auch in den regierungs­nahen türkischen Medien werden die USA ganz offen für die Proteste im Iran verantwort­lich gemacht.

Wie die Türkei kooperiert auch das kleine Golfemirat Katar mit dem Iran und reagiert entspreche­nd vorsichtig auf die Krise. Dem katarische­n Nachrichte­nsender al-Jazeera wird auf Twitter eine Parteinahm­e für die iranische Führung vorgeworfe­n. Doch selbst in den Regierungs­stellen des größten Gegenspiel­ers des Iran, Saudiarabi­en, herrschte zumindest bis Mittwoch Stille, es gab keine offizielle Stellungna­hme zu den Protesten – auch, wenn in den Kommentare­n der saudischen Presse viel Schadenfre­ude über die schiitisch­en Iraner laut wurde. In den Medien in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten war hingegen von einem Aufschrei iranischer Normalbürg­er die Rede.

Arabischer Frühling als Schock

Die arabischen Staaten halten sich auch deswegen zurück, weil sie Angst vor Unruhen im eigenen Land haben. Der Schock des Arabischen Frühlings ab dem Jahr 2010 sitzt vielen Politikern noch in den Gliedern. Die Folgen der damaligen Protestbew­egungen führten zum Fall mehrerer langjährig­er Machthaber, in Ägypten endeten sie mit einem Putsch und in Bahrain mit einer saudischen Militärint­ervention. (güs/duö/ag.)

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] AFP ] Mehrere Tage nach Beginn der Proteste im Iran sind nun auch die Regimetreu­en auf die Straßen gegangen, wie hier in Ahvaz.

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