Öl gegen Bio: Wer darf die Welt aus Plastik bauen?
Rohstoff. Die Ölbranche wettet Milliarden aufs Kunststoffgeschäft. Doch Großkunden wie Lego oder Coca-Cola hätten lieber Plastik aus Pflanzen.
Wien. Die großen Ölunternehmen vollführen gerade eine Kehrtwende. Sie wollen ihr schwarzes Gold nicht mehr in Autotanks verheizt wissen, sondern daraus das Plastik herstellen, aus dem die Welt gebaut ist. „Unser Erdöl ist zu kostbar, um einfach verbrannt zu werden“, sagt OMV-Chef Rainer Seele. In der neuen Strategie, die der Manager dem heimischen Mineralölkonzern verpassen will, steht der Schwenk zur Petrochemie ganz oben.
Und damit ist er nicht allein. Schwankende Preise und stockende Nachfrage haben Ölfirmen dazu getrieben, zig Milliarden in den Bau neuer Petrochemiewerke zu stecken. 20 Mrd. US-Dollar investiert der weltgrößte Ölproduzent, Saudi Aramco, um gemeinsam mit Dow Chemicals ein neues Kunststoffwerk in Saudiarabien aufzubauen. Es soll das Herzstück für die wirtschaftliche Transformation des ölabhängigen Landes sein. Die Chancen stehen nicht schlecht: Schon heute werden über 90 Prozent der 300 Mio. Tonnen Plastik im Jahr aus Erdöl erzeugt. McKinsey erwartet, dass bis 2050 rund 60 Prozent der zusätzlichen Ölnachfrage aus der Petrochemie kommen werden. Ähnliche Zahlen liefert die IEA.
Doch die Unternehmen und Experten haben die Rechnung womöglich ohne den Wirt gemacht. Oder besser gesagt, ohne die Kunden. Denn da fast alle Verpackungen derzeit aus Kunststoff herge- stellt werden, geht der Planet langsam, aber sicher an einer Flutwelle an gebrauchten Plastikflaschen und Plastiksackerln unter.
Das sorgt mittlerweile nicht nur Umweltaktivisten, sondern zusehends auch jene Unternehmen, die den Großteil des Plastikmülls in die Welt setzen. Während Regierungen mit Plastiksackerlverboten experimentieren, um des Problems Herr zu werden, suchen die Firmen nach ökologisch abbaubaren – und besser vermarktbaren – Alternativen zum konventionellen Plastik.
Abbaubare Möbel und Flaschen
Der weltgrößte Getränkehersteller, Coca-Cola, hat heute eine Plastikflasche im Programm, die zu hundert Prozent aus pflanzlichen Materialien wie Mais, Zuckerrübe oder Holz erzeugt ist. Schon in den vergangenen sechs Jahren verkaufte der Konzern 35 Mrd. Flaschen, die zumindest zu einem knappen Drittel aus biologisch abbaubarem Kunststoff gemacht waren.
Ikea baut künftig zusammen mit dem schwedischen Unternehmen Neste Möbel aus Bioplastik. TetraPak lieferte im Vorjahr die ersten hundert Mio. Getränkepackungen auf Pflanzenbasis aus. Und Lego steckt gerade eine Mrd. Kronen (150 Mio. Euro) in die Suche nach einem Weg, bis 2030 zumindest 20 konventionelle Plastiksorten für seine Bausteine durch Bioplastik zu ersetzen.
Bisher war das schwierig, weil Bioplastik deutlich teurer war als die konventionellen Kunststoffe. Doch neue Produktionsverfahren und steigende Ölpreise lassen die Branche hoffen, bald voll konkurrenzfähig zu sein. Derzeit werden weltweit erst ein paar Prozent an Kunststoff aus Pflanzen hergestellt. Doch glaubt man der European Bioplastics Association, wird der Verbrauch von Bioplastik in den nächsten fünf Jahren zumindest um die Hälfte steigen.
Der Chemieriese BASF und der Papierhersteller Stora Enso haben das Potenzial ebenso erkannt wie Bayer, das Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen verkauft, die etwa für die Sohlen von Sportschuhen verwendet werden. Doch auch Bioplastik ist nicht frei von Kritik. Noch ist es kostspieliger und weniger langlebig als die ölbasierte Konkurrenz. Und auch die ökologischen Vorteile sind teils umstritten. Nur weil sie biologisch abbaubar sind, gehören sie noch lange nicht auf den Komposthaufen.
Die Wette der Ölbranche auf das große Geschäft mit dem Plastik ist dennoch riskant. Denn der ökologische und moralische Druck auf die Unternehmen, weniger Plastikmüll zu produzieren, bleibt hoch. Jedes Jahr landen etwa acht Mio. Tonnen Plastik im Meer, so eine Schätzung des World Economic Forum. Im Jahr 2050 werden dort mehr Plastikteile schwimmen als Fische. Da ist es doch allemal besser, sie sind aus Bioplastik und verschwinden nach 15 statt über 300 Jahren von selbst wieder.