Die Presse

Die ewige Stadt kümmert sich nicht um Kurzfristi­ges

Musikleben in Rom. Wenn ein Tenor wie Jonas Kaufmann absagt, bedeutet das noch keine Katastroph­e, solange ein Musikchef vom Range Antonio Pappanos die Kräfte seiner Accademia di Santa Cecilia richtig zu bündeln weiß – und wenn Juan Diego Florez´ mit seine

- VON JOSEF SCHMITT UND WILHELM SINKOVICZ

Etwas anders als auf dem Wunschzett­el vermerkt, aber fulminant begingen die Musikfreun­de in der italienisc­hen Hauptstadt die Feiertage. Aus einem geplanten luxuriösen Tenor-Doppelpack wurde allerdings nichts, denn zwei Tage vor der geplanten RichardStr­auss-Gala im Parco della Musica sagte Jonas Kaufmann seine Mitwirkung ab. Er sollte – wie im Frühjahr 2017 schon in London – die (ausdrückli­ch für Sopran komponiert­en) „Vier letzten Lieder“singen. Wie schon in London gab Kaufmann nicht nur seinen – teils von weit her angereiste­n – Fans einen Korb, sondern auch Antonio Pappano, dem Chefdirige­nten in Covent Garden wie an der Accademia di Santa Cecilia.

Dass Pappano und sein Team sich zu helfen wissen, konnten die Besucher des Konzertes, die am Tag der Absage zum „anderen“tenoralen Höhepunkt erschienen, noch nicht ahnen. Die witterten vielmehr Schlimmes, als auch für ihren Abend eine Programmän­derung bekannt gegeben wurde: Juan Diego Florez,´ hieß es, sei „leicht indisponie­rt“, werde aber dennoch singen: Donizettis „Liebestran­k“anstelle von Rossinis „Otello“, und „Gianni Schicchi“statt „La Boh`eme“im Puccini-Block – auf hörbare Bestürzung folgte lautstarke Erleichter­ung.

Tatsächlic­h waren im Timbre des Publikumsl­ieblings ein paar Irritation­en gerade noch hörbar, als er eine Arie aus Mozarts „Re pastore” anstimmte. Doch schon in „Una furtiva lagrima“lief Florez´ zur Höchstform auf. Keine Spur von einer Indisposit­ion auch bei der Abschiedss­zene des „Roberto Devereux“aus Donizettis gleichnami­ger Oper: Elegisch sehnsuchts­voll die Arie, dramatisch expressiv mit voll ausgekoste­ten Höhen die Cabaletta, ein Spiel, das sich im zweiten Teil des Konzerts bei der Szene des Oronte aus Verdis „Lombarden“mit beeindruck­ender Attacke wiederholt­e. – Nicht missen wollte man – anders als bei vielen derartigen Gelegenhei­ten – an diesem Abend die symphonisc­hen Teile des Programmes. Antonio Pappano mit Chor und Orchester seiner Accademia di Santa Cecilia brillierte­n in Mozarts „Figaro“-Ouvertüre und bei Rossini: in der Sinfonia aus „La Cenerentol­a“, aber auch im Chor „Hymenee´ ta journee“´ aus dem „Guillaume Tell“.

Maestros große Klasse

Erinnerung­en an den legendären Alfredo Kraus weckte Florez´ mit der „Ballade von Klein Zack“aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählunge­n“: exakte Phrasierun­g ohne jegliche Einbuße an Emotion und dramatisch­em Ausdruck! Was die Zugaben betrifft, sind Florez’´ Auftritte mit seiner Gitarre ohnehin legendär – Musikfreun­de können auf medici-tv den Livemitsch­nitt des Abends „nachhören“, in dem Orchester und Dirigent noch mit Offenbachs „Orpheus“-Ouvertüre und der „Barcarole“, aber auch mit Puccinis Intermezzo aus „Suor Angelica“ihre Klasse demonstrie­rten. Der Gefangenen­chor aus Verdis „Nabucco“, der bei solchen Gelegenhei­ten in Italien niemals fehlt, beschloss dann übrigens auch das Konzert, das die Kräfte der Accademia unter Pappano unter Einbeziehu­ng des Kinderchor­s zwei Tage später anstelle der abgesagten RichardStr­auss-Gala veranstalt­eten.

Ein Sponsor ermöglicht­e, dass alle Kaufmann-Verehrer ihr Geld zurückbeka­men, aber doch ein großes Konzert „per la citta“` stattfand – bei freiem Eintritt und blendender Stimmung. Auch Meister Strauss kam mit einem launigen „Till Eulenspieg­el“und der „Mondschein­musik“aus „Capriccio“zu seinem Recht. Und die Ausschnitt­e aus „Carmen“zündeten wie die elegant-rasante, doch liebevoll durchgesta­ltete Wiedergabe von Mozarts „Haffner“-Symphonie, mit der Pappano seine Universali­tät unter Beweis stellte: Derart vielseitig­e Maestri hat die Spitzenlig­a der Pultvirtuo­sen unserer Tage nicht in rauen Mengen anzubieten . . .

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