„Dieses Gefühl wurde ich nie los“Erinnerung an eine Tragödie
Album. Juan Garc´ıa-Herreros verarbeitet in „She Became a Thousand Birds“eine Tragödie in seiner Heimat Kolumbien – filmisch und musikalisch.
In Südamerika kennt die Geschichte jedes Kind. Sie ist nichts für schwache Nerven. Am 13. November 1985 ereignete sich im Westen Kolumbiens die bisher schlimmste Naturkatastrophe in der Historie des Landes. Auf dem schneebedeckten Vulkan Nevado del Ruiz löste eine Eruption eine gewaltige Schlamm- und Gerölllawine aus, die den Kaffeebauernort Armero unter sich begrub. 25.000 der 27.000 Einwohner starben. Vor einem solchen Szenario war zuvor immer wieder gewarnt worden.
Zum Symbol der Tragödie wurde die 13-jährige Omayra Sanchez, die vor den Augen von Millionen TV-Zuschauern in aller Welt starb, während Rettungsteams tagelang verzweifelt versuchten, sie aus den Trümmern ihres Hauses zu befreien. Das Mädchen steckte bis zum Hals in einem Schlammloch fest und starb nach 60 Stunden, weil eine spezielle Pumpe nicht rechtzeitig am Unglücksort eintraf.
Bis zuletzt sprach sie ihren Verwandten und Freunden Mut zu. Die Bilder der Rettungsarbeiten gingen um die Welt. Ein vom Fotografen Frank Fournier aufgenommenes Bild des eingeklemmten Mädchens wurde zum Pressefoto des Jahres 1985 gewählt.
„32 Jahre alter Schmerz“
Unter den Zuschauern war damals auch der Komponist und Bassist Juan Garc´ıa-Herreros. „Wir weinten und waren fassungslos, dass niemand in der Lage war, sie zu befreien“, sagt er. „In diesem Moment wünschte ich mir, übernatürliche Kräfte zu haben, damit ich zu ihr fliegen und sie retten kann. Dieses Gefühl hat mich nie verlassen. Dieser Kurzfilm und der Song drücken einen 32 Jahre alten Schmerz aus.“
Die Rede ist von dem Lied „She Became a Thousand Birds“, das soeben in der Neuauflage des Albums „The Blue Road – Extended Edition“(Inner Circle Music Europe) weltweit erschienen ist. Mit dem dazugehörenden, gleichnamigen Animationskurzfilm (zu sehen auf YouTube), den Garc´ıa-Herreros gemeinsam mit dem Studio La Pajara´ Pinta produziert hat, will er an Omayra Sanchez’ Geschichte erinnern: „In Bogotas´ Welt der Animation ist La Pajara´ Pinta absolut herausragend. Ich bin unglaublich glücklich, dass wir zusammenarbeiten, um Omayra zu würdigen.“Vergangene Woche wurde das Video vom Festival International Music Video Underground Los Angeles zu einem der besten animierten Videos des Jahres gewählt.
„The Blue Road“bezeichnet Garc´ıa-Herreros als eine Hommage an sei- ne kolumbianische Herkunft. Seit mittlerweile zwölf Jahren lebt er in Wien und in der Steiermark und arbeitet an seiner Karriere mit dem Ensemble Snow Owl. Derzeit tourt er mit dem Album, auf dem auch Mitglieder der Wiener Philharmoniker und des Radio-Symphonieorchesters zu hören sind, um die Welt. Der 40-Jährige, der bereits für einen Latin Grammy nominiert war und vier Global Music Awards gewonnen hat, wird von renommierten Musikzeitschriften zu den zehn besten Bassisten der Welt gezählt.
In den vergangenen Jahren war er unter anderem mit Superstars wie Elton John, Christina Aguilera, Al Jarreau und Jennifer Lopez auf Tour. Im kommenden Jahr folgt ein weiterer, vorläufiger Höhepunkt seiner Karriere, wenn er mit Filmkomponist Hans Zimmer („Dunkirk“, „Blade Runner 2049“, „Interstellar“) auf Deutschland-Tour geht. Zuvor ist er aber noch in Wien zu sehen: am 31. Jänner und 14. Februar jeweils im Porgy & Bess.