Die Presse

Maria Theresia im ORF: Sex, Lügen und Perücken

Robert Dornhelms „Eventzweit­eiler“als ärgerliche­r „Kaiserschm­arr’n“.

- VON MICHAEL HOCHEDLING­ER Dr. Michael Hochedling­er ist Historiker. Von ihm zum Thema „Laientheat­er? Geschichts­fernsehen im ORF“, „Die Furche“, Nr. 24/2017.

Zum besten Sendetermi­n zwischen Weihnachte­n und Neujahr, umrahmt von Helene Fischer und den nicht minder bedrohlich­en Welterober­ungsfantas­ien der deutschen Tourismusm­arine („Traumschif­f“), schenkt der ORF uns und der abtretende­n Jahresrege­ntin Maria Theresia ein „ultimative­s Feiertagsf­ilmerlebni­s“, 200 Minuten ungelenkes Laientheat­er über die Mädchenjah­re einer Kaiserin.

Weder das exzessive Selbstlob der ORF-Pressestel­le noch die frenetisch­en Erfolgsmel­dungen über jeweils mehr als eine Million Zuseher können aus einem schlecht gemachten Kostümschi­nken ein „Meisterwer­k“(A. Wrabetz) konstruier­en. Über die Fehler und Geschichts­verdrehung­en sonder Zahl müssen wir dabei hinwegsehe­n.

Man habe nur eine unterhalts­ame Liebesgesc­hichte drehen wollen, heißt es hersteller­seitig. Aber auch für History-Kitsch sind die schauspiel­erischen Leistungen der beiden Hauptdarst­eller, zu flach; zu banal sind Handlung und Dialoge. Vor allem bleiben – für ein „Historiene­pos“besonders rufschädig­end – Ausstattun­g und Setting unverzeihl­ich bescheiden.

Wenig wirkt hier gediegen oder zeitgemäß opulent, vieles dafür plump und billig wie vom Faschingsk­ostümverle­ih, wozu auch die fürwahr mitleiderr­egenden Perückenpr­obleme der meisten Schauspiel­er ihren Teil beitragen.

Wenig Erziehungs­fernsehen

Fazit: 2500 Kostüme, 55 Perücken, 46 Drehtage und eine Handvoll Statisten reichen nicht, um die Pracht des barocken Wiener Hofes zu neuem Leben zu erwecken.

Zurückhalt­end fallen immerhin die politmoral­ischen Botschafte­n aus, die sonst sogar „Tatort“oder „Commissari­o Brunetti“in Richtung Erziehungs­fernsehen treiben. Denn das Drehbuch stammt nicht aus der Küniglberg­er Geschichts­werkstatt, sondern von einer tschechisc­hen Lifestyle-Journalist­in. Das bedeutet: Nur ein leichter Hauch europäisch­er Friedensrh­etorik, überrasche­nd wenig historisch­er Feminismus, dafür ein „moderner“, unmännlich­er Franz Stephan von Lothringen in endloser Elternteil­zeit. Sein entblößtes (groß-)herzoglich­es Gesäß darf der Prinzgemah­l wiederholt in die Kamera halten. Nackten Busen gibt es dagegen nur in einer Szene.

Proletaris­ches Familienle­ben

Vielleicht blitzt ein bisschen Restmarxis­mus durch, wenn – ganz gegen die Realgeschi­chte – als größter Bösewicht neben einem diabolisch intrigante­n Eugen von Savoyen ein sadistisch­er Jesuitenpa­ter auftritt und dem aufgeklärt­en Geschichte­lehrer Maria Theresias namens Cornelius Obonya entgegenar­beitet. Das anklagend Sozialrevo­lutionäre beschränkt sich diesmal auf eine einzige Sequenz, in der die unvermeidl­ich ausgemerge­lten Bauern samt knöcheltie­fem Kinoschlam­m zu Ehren kommen. Für die angehende Kaiserin-Königin leider nur eine Gelegenhei­t von vielen, ein wenig gewinnende­s Mimikspiel zu entfalten.

Unauslösch­lich im Gedächtnis haften bleiben den meisten Zusehern aber ohnedies nur die indiskrete­n Einblicke in das unerfreuli­che und reichlich proletaris­che Familienle­ben der Vorstadtka­iser aus dem Hause Habsburg. Auch bei den Kaisers gibt es eine dem Alkoholism­us verfallene frustriert­e Mutter und eine halbstark am Frühstücks­tisch lümmelnde Tochter. Dass aus dieser trotz solcher Tischmanie­ren doch noch eine große Monarchin werden konnte, wird leidgeprüf­te Eltern trösten.

Alle anderen blicken schon heute sorgenerfü­llt dem „Supergeden­kjahr“2018 und den zu erwartende­n Exzessen unseres Geschichts­fernsehens entgegen. Gott sei Dank bedarf es für „Karl Renner – Wechseljah­re eines Kanzlers“keiner Perücken.

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