Maria Theresia im ORF: Sex, Lügen und Perücken
Robert Dornhelms „Eventzweiteiler“als ärgerlicher „Kaiserschmarr’n“.
Zum besten Sendetermin zwischen Weihnachten und Neujahr, umrahmt von Helene Fischer und den nicht minder bedrohlichen Welteroberungsfantasien der deutschen Tourismusmarine („Traumschiff“), schenkt der ORF uns und der abtretenden Jahresregentin Maria Theresia ein „ultimatives Feiertagsfilmerlebnis“, 200 Minuten ungelenkes Laientheater über die Mädchenjahre einer Kaiserin.
Weder das exzessive Selbstlob der ORF-Pressestelle noch die frenetischen Erfolgsmeldungen über jeweils mehr als eine Million Zuseher können aus einem schlecht gemachten Kostümschinken ein „Meisterwerk“(A. Wrabetz) konstruieren. Über die Fehler und Geschichtsverdrehungen sonder Zahl müssen wir dabei hinwegsehen.
Man habe nur eine unterhaltsame Liebesgeschichte drehen wollen, heißt es herstellerseitig. Aber auch für History-Kitsch sind die schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller, zu flach; zu banal sind Handlung und Dialoge. Vor allem bleiben – für ein „Historienepos“besonders rufschädigend – Ausstattung und Setting unverzeihlich bescheiden.
Wenig wirkt hier gediegen oder zeitgemäß opulent, vieles dafür plump und billig wie vom Faschingskostümverleih, wozu auch die fürwahr mitleiderregenden Perückenprobleme der meisten Schauspieler ihren Teil beitragen.
Wenig Erziehungsfernsehen
Fazit: 2500 Kostüme, 55 Perücken, 46 Drehtage und eine Handvoll Statisten reichen nicht, um die Pracht des barocken Wiener Hofes zu neuem Leben zu erwecken.
Zurückhaltend fallen immerhin die politmoralischen Botschaften aus, die sonst sogar „Tatort“oder „Commissario Brunetti“in Richtung Erziehungsfernsehen treiben. Denn das Drehbuch stammt nicht aus der Küniglberger Geschichtswerkstatt, sondern von einer tschechischen Lifestyle-Journalistin. Das bedeutet: Nur ein leichter Hauch europäischer Friedensrhetorik, überraschend wenig historischer Feminismus, dafür ein „moderner“, unmännlicher Franz Stephan von Lothringen in endloser Elternteilzeit. Sein entblößtes (groß-)herzogliches Gesäß darf der Prinzgemahl wiederholt in die Kamera halten. Nackten Busen gibt es dagegen nur in einer Szene.
Proletarisches Familienleben
Vielleicht blitzt ein bisschen Restmarxismus durch, wenn – ganz gegen die Realgeschichte – als größter Bösewicht neben einem diabolisch intriganten Eugen von Savoyen ein sadistischer Jesuitenpater auftritt und dem aufgeklärten Geschichtelehrer Maria Theresias namens Cornelius Obonya entgegenarbeitet. Das anklagend Sozialrevolutionäre beschränkt sich diesmal auf eine einzige Sequenz, in der die unvermeidlich ausgemergelten Bauern samt knöcheltiefem Kinoschlamm zu Ehren kommen. Für die angehende Kaiserin-Königin leider nur eine Gelegenheit von vielen, ein wenig gewinnendes Mimikspiel zu entfalten.
Unauslöschlich im Gedächtnis haften bleiben den meisten Zusehern aber ohnedies nur die indiskreten Einblicke in das unerfreuliche und reichlich proletarische Familienleben der Vorstadtkaiser aus dem Hause Habsburg. Auch bei den Kaisers gibt es eine dem Alkoholismus verfallene frustrierte Mutter und eine halbstark am Frühstückstisch lümmelnde Tochter. Dass aus dieser trotz solcher Tischmanieren doch noch eine große Monarchin werden konnte, wird leidgeprüfte Eltern trösten.
Alle anderen blicken schon heute sorgenerfüllt dem „Supergedenkjahr“2018 und den zu erwartenden Exzessen unseres Geschichtsfernsehens entgegen. Gott sei Dank bedarf es für „Karl Renner – Wechseljahre eines Kanzlers“keiner Perücken.