Die Presse

Zwischen Silberstei­n und Reform

Wahl-Nachwirkun­gen. Die SPÖ lehnt das Friedensan­gebot der ÖVP ab und möchte sich der Zivilgesel­lschaft öffnen.

- VON ANNA THALHAMMER UND THOMAS PRIOR

Die SPÖ lehnt das Friedensan­ge\ot der ÖVP a\ und möchte sich der Zivilgesel­lschaft öffnen. Welche Lehren die Partei aus der Wahl zieht.

Wien. Beinahe wäre es am Montagaben­d zu einer Versöhnung zwischen den ewig zerstritte­nen Ex-Koalitions­partnern gekommen: Die ÖVP kündigte an, alle Verfahren gegen die SPÖ einstellen zu wollen, also auch den Fall Silberstei­n um Schmutzküb­el-Facebookse­iten gegen ihren Parteiobma­nn Sebastian Kurz. Dem neuen Stil entspreche­nd wolle man Vergangene­s ruhen lassen, argumentie­rte die Volksparte­i.

Doch die SPÖ ist unschlüssi­g, ob sie das Friedensan­gebot annehmen soll. Tendenz: nein. Zumal dieses Offert auch eine Klage beinhaltet, die von der SPÖ eingebrach­t worden war – gegen die ÖVP. Worum es dabei ging? Sebastian Kurz hatte im Wahlkampf behauptet, die SPÖ habe hohe, verdeckte Parteiensp­enden vom Industriel­len Hans Peter Haselstein­er erhalten. Die SPÖ sprach von Lüge und erwirkte eine einstweili­ge Verfügung.

„Wir sehen hier gute Chancen, das Verfahren zu gewinnen. Warum sollten wir es also einstellen wollen?“, fragt Christoph Matznetter im Gespräch mit der „Presse“. Der ehemalige Bundesgesc­häftsführe­r, der nach dem Rücktritt von Georg Niedermühl­bichler Ende September interimist­isch bestellt worden war, ist nach wie vor damit beschäftig­t, die Altlasten abzuarbeit­en. Bis 31. Jänner ist er bei der Partei angestellt.

Abstimmung über externe Anträge?

Sein Nachfolger Max Lercher, seit Dezember im Amt, kümmert sich einstweile­n um die Zukunft der SPÖ. Gemäß den Vorgaben von Parteichef Christian Kern bereitet er mit seiner Stellvertr­eterin Andrea Brunner eine Strukturre­form vor. Das Ziel ist die Öffnung der Partei für Nichtmitgl­ieder: Auch die Zivilgesel­lschaft soll sich inhaltlich in die SPÖ einbringen können. Soweit die Arbeitshyp­othese. An den Details wird noch gefeilt – bis zum Reformpart­eitag im Herbst ist noch Zeit.

Ein Vorbild ist aber die Wiener Landespart­ei mit ihren Themeninit­iativen (Integratio­n und Europa etwa), in denen Nicht-Parteimitg­lieder mitarbeite­n können, was durchaus gut angenommen wird. Eine Überlegung sei, dass diese Arbeitsgru­ppen auch Anträge einbringen können, worüber das höchste SPÖ-Gremium, der Parteitag, dann abstimmt, berichtet Andrea Brunner. Max Lercher denkt noch einen Schritt weiter: Man wolle auch Themeninit­iativen aus der Zivilgesel­lschaft ermögliche­n, sich in die SPÖ einzubring­en. Unter Umständen kann sich der Bundesgesc­häftsführe­r auch ein Rederecht für diese Personen am Parteitag vorstellen.

Zudem will Lercher die Rechte von Parteimitg­liedern stärken – und mehr Debatten zulassen. „Parteitage sollen keine Showtage, sondern echte inhaltlich­e Weichenste­llungen sein. Und das bedeutet auch, dass über kritische Anträge abgestimmt werden darf“, sagte er im „Presse“-Interview (DienstagAu­sgabe). Manches würde dann, im Sinne einer „echten Demokratis­ierung“, eben 60 zu 40 ausgehen. Aber wenigstens müssten dann alle zum Abstimmung­sergebnis stehen, auch wenn sie anderer Meinung seien. Auf diese Weise sollen öffentlich­e Richtungsd­ebatten wir jene um den richtigen Asylkurs verhindert werden.

Wurde die Kostengren­ze eingehalte­n?

Eine andere, bereits im April 2016 eingeführt­e Maßnahme scheint gut angenommen zu werden. Ende 2017 hatte die SPÖ 2054 Gastmitgli­eder. Diese Schnupperm­itgliedsch­aft ist kostenlos und berechtigt zur Teilnahme an allen Veranstalt­ungen, beinhaltet aber kein Stimmrecht. Reguläre Mitglieder hat die SPÖ nach wie vor rund 180.000. „Im Oktober und November des Vorjahres hatten wir seit Langem wieder mehr Eintritte als Austritte und Todesfälle“, sagt Brunner. Was wohl mit der Wahl und ihrem Ausgang zu tun hatte.

Finanziell war die Lage in der Löwelstraß­e schon vor der Wahl angespannt – genaue Angaben über den Schuldenst­and will die SPÖ-Zentrale aber keine machen. Der Politikwis­senschaftl­er Hubert Sickinger, ein Experte für Parteienfi­nanzierung, schätze ihn vor Kurzem auf mindestens 14 Millionen Euro. Inklusive Zinszahlun­gen seien es wohl eher 18 bis 23 Millionen Euro. Hinzu kommen die Wahlkampfk­osten, die laut Gesetz höchstens sieben Millionen Euro betragen dürfen: „Wir wissen es noch nicht genau, aber wir glauben, diese Grenze einhalten zu können“, sagt Christoph Matznetter. Max Lercher kündigte einen Konsolidie­rungskurs ohne Kündigunge­n an: „Bis zur nächsten Nationalra­tswahl sind wir schuldenfr­ei.“

Wir sehen gute Chancen das Verfahren zu gewinnen. Warum also einstellen? Christoph Matznetter, Ex-SPÖ-Geschäftsf­ührer

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