Die Presse

Die Grünen auf ihrem langen Weg aus der Krise

Parlament. Nach dem Ausscheide­n aus dem Nationalra­t setzt die Öko-Partei einen Erneuerung­sprozess in Gang. Bei den Landtagswa­hlen im Frühjahr rechnen die Grünen mit guten Ergebnisse­n in Tirol und Salzburg und mit dem Einzug in den niederöste­rreichisch­en L

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Vorbei sind die Zeiten, als die Grünen noch über einen komfortabe­l ausgestatt­eten Raum für Pressekonf­erenzen verfügten. Jetzt empfängt der interimist­ische Bundesspre­cher Werner Kogler die Journalist­en im Vorzimmer zu den Büros der Bundesrats­abgeordnet­en – einem engen, rund 15 Quadratmet­er großen Raum. Hier war noch vor zwei Monaten das Team Stronach untergebra­cht, das inzwischen völlig von der Bildfläche verschwund­en ist. Die Grünen dagegen haben sich noch nicht aufgegeben, auch wenn sie nicht mehr im Nationalra­t vertreten sind.

Werner Kogler ist derjenige aus der Riege der Alt-Abgeordnet­en, der den Neustart organisier­en soll. Immerhin: Die Partei ist noch in etlichen politische­n Gremien vertreten: Vier Bundesrats­abgeordnet­e gibt es, was gerade noch für einen eigenen Klub ausreicht, dazu drei Abgeordnet­e im Europäisch­en Parlament. Und: Die Grünen sind in allen Landtagen und in fünf Landesregi­erungen vertreten. Das soll auch so bleiben. In den kommenden Monaten stehen vier Landtagswa­hlen an, von denen schon sehr viel abhängt für die Grünen.

In Niederöste­rreich und in Kärnten geht es um den Wiedereinz­ug ins Landesparl­ament, in Tirol und Salzburg um ein annähernde­s Erreichen des sehr guten Ergebnisse­s von 2013 und um den Verbleib in der Landesregi­erung. Kommendes Jahr steht dann mit der EU-Wahl der nächste bundesweit­e Wahlgang an. Das werde die Nagelprobe, sagt der Parteichef.

Bei den Landtagswa­hlen ist Kogler in drei von vier Fällen optimistis­ch. In Niederöste­rreich – da wird schon am 28. Jänner gewählt – soll sich der Einzug ausgehen. Die Grünen hoffen diesmal auf die „taktischen Wähler“. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als Landeshaup­tfrau stehe jetzt schon fest, SPÖ und FPÖ würden mit Sicherheit in die Proporz-Landesregi­erung einziehen. Den Grünen komme die Rolle der Kontrollpa­rtei zu – und die habe sie bisher schon gut ausgeübt: Bei der umstritten­en Erwin Pröll-Stiftung etwa, oder bei den Spekulatio­nsverluste­n des Landes. In Salzburg und Tirol verweist Kogler auf überrasche­nd gute Umfrageer- gebnisse: In beiden Bundesländ­ern sei man zweistelli­g.

Wobei von diesen beiden Wahlen einiges abhängt für die Grünen: In beiden haben sie 2013 auch ein Bundesrats­mandat erreicht. Verlieren sie auch nur eines davon, geht der Klubstatus im Bundesrat und damit die Klubförder­ung verloren. Als schwierig schätzt auch Kogler die Situation in Kärnten ein, wo sich die Grünen gespalten haben. Dort werde es an Landesrat Rolf Holub liegen, ob der Wiedereinz­ug in den Landtag gelingt. Das Wahlergebn­is von 2013 – da erreichten die Grünen 12 Prozent – ist völlig außer Reichweite.

Spenden für die Bundespart­ei

Schwierig ist auch die Situation der Bundespart­ei selbst. Immerhin ist inzwischen die finanziell­e Sanierung der Altlasten gelungen. Fünf Millionen Euro betrugen die Schulden, die nach der Einigung mit den Banken in den kommenden drei bis fünf Jahren abgetragen werden sollen. Dafür müssen mangels Parteienfö­rderung im Bund die Landesorga­nisationen tief in die Tasche greifen. Für die Zukunft ist nichts übrig geblieben. Infrastruk­tur und Personal sollen nun über Spenden finanziert werden, wobei man aber keine Großspende­r im Visier habe. „Chemiekonz­ern hat sich noch keiner bei mir gemeldet“, so Kogler. Er selbst macht die Arbeit vorerst einmal für sechs Monate ehrenamtli­ch. Auch den „Nachschlag“für ausgeschie­dene Abgeordnet­e (75 Prozent des Gehalts für drei Monate) nimmt er nicht in Anspruch.

Was danach passiert, ist noch offen – so wie auch die gesamte künftige Ausrichtun­g der Partei. In den kommenden Monaten sollen in ganz Österreich Kongresse stattfinde­n, in denen der Erneuerung­sprozess der Partei eingeleite­t wird. Gestartet wird Mitte Februar an der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät. Diese Kongresse sollen bis zum Jahresende zu einem „grünen Manifest“führen: Eine „Streitschr­ift im besten Sinne des Wortes“, die Orientieru­ng nach innen und Magnetwirk­ung nach außen bieten soll. „Wir müssen diese existenzie­lle Krise als Chance begreifen“, sagt Kogler. „Etwas anderes bleibt uns auch gar nicht übrig.“

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